Berlinale 2025: Reflet dans un diamant mort – Kurzkritik
Detaileinstellung auf ein Augenpaar. Nackte Haut im roten Bikini, das Prickeln des Bitters vermengt sich mit dem Rauschen der Wellen zu einem gemeinsamen Klanggemisch. Die Blicke gehören einem älteren Mann – Riviera-Outfit in Beige. Ein diamantenes Brustwarzen-Piercing blitzt im Sonnenlicht auf. Blicken wir mit den Augen des Agenten in die Gegenwart oder schon in die Vergangenheit oder gar in einen Fiebertraum? Die 87 Minuten des surrealen, sogartigen Retro-Spionagefilms Reflet dans un diamant mort sind jedenfalls ein wilder Ritt, dessen nachvollziehbare Erzählung hinter das Erleben seiner Bild-Montage-Sound-Kombinationen mit Zitaten und Verweisen auf Agentenfilme der 1960er, B-Movies und Comics tritt. Lust zu Dechiffrieren, choreografierte Gewaltexzesse zu beobachten und darin ironische Untertöne erkennen zu wollen, kann bei diesem Filmerlebnis von Vorteil sein.___STEADY_PAYWALL___

© Cattet-Forzani
Hélène Cattet und Bruno Forzani zitieren, dekonstruieren und rekonstruieren – das Ergebnis ist ein buntes Mosaik. Klassisch halten sie sich aber an die Geschichte zweier Gegner*innen. Die alten, glorreichen Zeiten, in denen Johns erfolgversprechende Aufgabe darin bestand, seine Widersacher aus dem Weg zu räumen, wenn er nicht gerade voyeuristisch dem Blick auf die nackte Haut eines Girls frönte, sind nur noch in seinen Illusionen aufrecht. Darin taucht aber auch immer wieder Serpentik, seine Gegenspielerin, auf, die ihr Gesicht stets verändert und im Laufe der Geschichte auch noch in der Gegenwart auftaucht, um endlich ihr wahres Antlitz zu zeigen. Klassisch drehen sich die Kämpfe auch um Diamanten und Öl, also die Ressourcen, die die großen und kleinen Weltmächte nach wie vor bewegen. Nicht mehr zeitgemäß aber ist Johns binäres Denken, wie seine Widersacherin in einem der wenigen gesellschaftspolitisch interessanten Momente direkt kommentiert. John mag sich des binären Systems, also im weitestens Sinne des Digitalen, bedienen, doch wie die Technik bleibt sein Denken in vorgefertigten Kategorien beschränkt – und Reflet dans un diamant mort letztlich in seiner formalen Verspieltheit, die sich ganz einem Spionage/Giallo/Haudraufkino hingibt.
Im Wettbewerb der 75. Berlinale.
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