Berlinale 2024: Dormir de olhos abertos – Kurzkritik

Eine aus Deutschland stammende, in Argentinien lebende Regisseurin macht mit Dormir de olhos abertos einen Film über zum Teil spanischsprachige taiwanesische und chinesische Figuren in Brasilien. Je mehr Sprachen und Nationalitäten Nele Wohlatz in dieses Konzept wirft, desto universaler wird die Erzählung von Heimat, Kommunikation und Fremdsein.___STEADY_PAYWALL___

Kai (Liao Kai Ro) kommt für einen Urlaub von Taiwan nach Recife und trifft dort auf den Arbeitsmigranten Fu Ang (Wang Shin-Hong) wie auch die Geschichte der Chinesin Xiao Xin (Chen Xiao Xin), die sie durch die Lektüre spanischsprachiger Postkarten erschließt. Alle drei Figuren eint die Erfahrung der Fremde ebenso wie die Suche nach Bekanntem und Bekannten im Unbekannten.

© Victor Juca

„Verstehst Du eigentlich die Leute wirklich, die Du übersetzt“, fragt Kai zu Anfang des Films einen argentinischen Dolmetscher, den sie abends in einer Bar kennenlernt, und formuliert damit quasi die Einleitung zu diesem leisen Film, der mehr eine thematische Reflektion als eine Geschichte erzählt. Das Aufeinanderprallen der verschiedenen Kulturen erzeugt zuweilen eine feinfühlige Komik, die sich immer über das Leben an sich, niemals aber die Figuren auf der Leinwand lustig macht. Die Welt ist nun einmal absurd und je nachdem, wer auf sie blickt, sind es ganz andere Elemente, die uns Staunen und Verwirrung entlocken.

Dormir de olhos abertos widmet sich vor allem der Perspektive chinesischer Arbeitsmigrant*innen, zeigt deren Lebenssituation in moderner Sklaverei, ohne Fu Ang und seine Freund*innen jemals als Opfer zu inszenieren. Dass Fu Ang zunächst mit dem Verkauf von Regenschirmen im ewig sonnigen Recife und später mit dem Verkauf von Schwimmreifen an dem von Haien bevölkerten und somit für freies Schwimmen gesperrten Strand brachial scheitert, ist nur ein Bild für die irren und irrwitzigen Hürden von Menschen in seiner und vergleichbaren Situationen.

© Victor Juca

Doch das Drama dieses Films besteht gerade im Fehlen des Dramas, in der Ruhe der kleinen, ineinander verwobenen Geschichten vom Leben in der Fremde und dem Verlust eines Bezugspunkts, einer Heimat und somit letztlich auch einer Identität. Und der daraus resultierenden Selbstverständlichkeit: Dies ist keine außergewöhnliche Geschichte, sondern eine gewöhnliche. Genau darin liegt ihre Kraft.

Dormir de olhos abertos/Sleep with Your Eyes Open bei der Berlinale 2024

Sophie Charlotte Rieger
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