Nora Tschirner auf antifeministischer Mission

Eigentlich versuche ich jedem Film, den ich sehe, auch etwas Positives abzugewinnen. Bei Liebe und andere Turbulenzen war mir das jedoch nicht möglich. Und das lag nicht nur – aber auch – an den haarsträubend sexistischen Tendenzen dieses Films. Aber was kann eins schon von einem Regisseur erwarten, der Don Juan DeMarco gedreht hat?! Nach der ersten Viertelstunde befiel mich ein Fluchtinstinkt wie ich ihn noch nie im Kino erleiden musste. Aus beruflichen Gründen musste ich jedoch durchhalten und mir ansehen, wie Nora Tschirner sich für ein Werk hingab, dass uns aus feministischer Sicht eindrucksvoll demonstriert, wie Mann es nicht machen sollte.

Blonde Stewardessen und unverbesserliche Machos

Warum ist Nora Tschirner in Liebe und andere Turbulenzen blond? Genau! Weil sie eine Stewardess spielt. Und wie wir alle wissen, sind alle Stewardessen grundsätzlich blond. Diese und andere Klischees will uns Jeremy Leven als Abbildung der Realität verkaufen. Italiener sind untreu, Männer wollen lieber oben liegen… Diese indirekten Statements des Films sind zwar haarsträubend, aber nichts im Vergleich zu den folgenden sexistischen Strukturen. Es gehört sich schon fast für eine Romantic Comedy, dass eine junge Frau wie selbstverständlich mit einem Mann gepaart wird, der ganz offensichtlich deutlich älter ist als sie. Das haben wir schon in Keinohrhasen erlebt, ein Film der uns weiß machen wollte, Nora Tschirner sei mit dem fast zwanzig Jahre älteren Til Schweiger zur Schule gegangen. In Liebe und andere Turbulenzen wird ihr erneut ein fast 20 Jahre älterer Spielpartner gegenübergestellt, Vincenzo Amato, ohne dass dieser deutliche Altersunterschied jemals thematisiert würde. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass Frauen eben nur bis zu einem gewissen Alter eine Romantic Comedy anführen können, während Männern da keine Grenzen gesetzt sind – egal wie absurd sich das Leinwandpaar hierdurch gestaltet.

Jeremy Levine präsentiert uns also eine blonde Nora Tschirner als Verlobte eines italienischen Busfahrers, der sich – weil er halt Italiener ist – in eine andere Frau verknallt, diese versehentlich über den Haufen fährt und dann pflegt, weil der Mann an sich es ja grundsätzlich gut findet, wenn er sich um eine schwache Frau kümmern darf. Und Cécile (Louise Monot) hat diese Pflege wirklich nötig. Sie ist alleinerziehende Mutter (eine Runde Mitleid) und ein erfolgloses Model (zweite Runde Mitleid) und ihre Kinder vermissen ja so arg den Vater (dritte Runde Mitleid), der die Familie einfach im Stich gelassen hat (vierte Runde Mitleid). Dass Cécile als Model keinen Erfolg mehr hat, liegt übrigens nicht daran, dass sie bereits zwei Kinder geboren hat und der Stress ihrer Lebenssituation ihr langsam ins Gesicht geschrieben steht. Nein, der Grund für ihre Arbeitslosigkeit ist ihre Tollpatschigkeit. Wie uns das Ende des Films lehrt, kann Cécile nur mit einem Mann an ihrer Seite überleben, der sie vor ihren Missgeschicken beschützt.

Von diesen beiden alles andere als vorbildlich konstruierten Frauenfiguren abgesehen, gibt es in diesem Film keine weiteren weiblichen Charaktere. Weder Cécile noch Nora Tschirners Figur Greta verfügen über einen weiblichen Freundeskreis. So ist Cécile nach dem Unfall voll und ganz auf den fürsorglichen Italiener Paolo angewiesen, da es ja in ihrem Leben NIEMANDEN gibt, der sich um sie kümmern könnte. Und Greta? Statt ihre Beziehungsprobleme mit einer Freundin zu besprechen, vertraut sie sich wiederholt einem Kollegen an, einem Macho vor dem Herrn, der keinen Minirock unkommentiert lassen kann. Die Männer kommen hier wirklich nicht deutlich besser weg als die Frauen, sind sie doch alle unverbesserliche Schürzenjäger. Paolos Freund Derek (Paddy Considine) führt sogar Buch über seine wechselnden Sexualpartnerinnern.

Wenn Mann Scheiße baut, ist die Frau Schuld

Die wirkliche Krönung des sexistischen Reigens ist jedoch das Verhältnis zwischen Greta (Nora Tschirner) und Paolo (Vincenzo Amato) in Kombination mit Gretas Kollege Francois (Stéphane Debac), dessen Ratschläge leider zu keinem Zeitpunkt ironisiert werden. Francois versorgt Greta mit hilfreichen Tipps, beispielsweise, dass sie Paolos sexuelle Begeisterung neu entfachen könne, in dem sie beim Verkehr nicht mehr oben sitze, sondern sich devot verhalte. Als Greta langsam wittert, dass ihr Mann sich bei einer anderen Frau herumtreibt, wird sie von ihrem besten Freund aufgefordert: „Sei nett zu ihm, wenn Du ihn mit seiner Affäre konfrontierst.“ Ja ne, is klar. Und als sie schließlich Gewissheit hat, dass es in Paolos Leben eine Andere gibt, und aufgelöst berichtet, ihr Verlobter habe sie belogen, gibt Francois zu bedenken, dass Menschen so etwas nun einmal tun würden. Die angemessene Strategie sei, ihn zunächst ein wenig leiden zu lassen und dann zurückzunehmen. Nun muss ich an dieser Stelle der Fairness halber sagen, dass Paolo seine Verlobte in der Tat nicht betrügt, sondern für Cécile ausschließlich den Krankenpfleger spielt. Aber das wissen in diesem Moment weder Greta noch Francois. Was der Film uns also sagt ist: Egal, ob Dein Mann Dich anlügt oder betrügt, sei nett und nimm es einfach hin.

Das Finale treibt diese haarsträubende Botschaft auf die Spitze. Paolo versucht die erboste Greta zurückzugewinnen, schließlich ist er ja – auch wenn ihm das die Zuschauer:innen an diesem Punkt nicht mehr glauben – unsterblich in sie verliebt und möchte sie nach wie vor heiraten. Also bedient er sich dem beliebtesten Mechanismus: der Täter-Opfer-Verdrehung. „Wenn die Liebe nicht die Kraft hat zu vergeben, was für eine Liebe ist das dann?“ jammert er der verwirrten Greta entgegen. Damit schiebt er der völlig unschuldigen Frau den schwarzen Peter zu und macht sie für das Scheitern der Beziehung verantwortlich. Wenn die beiden sich jetzt trennen, liegt es nicht an Paolos Lügen, sondern an der mangelnden Liebe Gretas. In diesem Fall mag diese Strategie harmlos daherkommen. Schließlich ist Paolo ja wirklich treu und wir befinden uns in der heilen Romantic Comedy Welt. Doch Argumente wie diese finden sich leider auch in ganz anderen Kontexten. „Ich habe Dich nur geschlagen, weil Du mich verärgert hast!“, „Das Mädchen wurde nur vergewaltigt, weil sie einen kurzen Rock trug“ sind klassische Varianten der Täter-Opfer-Verdrehung in ihrer übelsten Form. Auch wenn zwischen diesen Aussagen und der Message von Liebe und andere Turbulenzen selbstverständlich Welten liegen, sehe ich keinen Grund dazu, dieser Rhetorik auch nur im Ansatz Vorschub zu leisten.

Selten fiel mein Urteil über einen Film derart vernichtend aus. Liebe und andere Turbulenzen hat mich wirklich auf allen Ebenen verärgert. In erster Linie bin ich jedoch fassungslos, wie sich jemand wie Nora Tschirner für einen derart platten Stoff hergeben kann, der vor sexistischen Klischees nur so strotzt und darüber hinaus eine wirklich zweifelhafte Botschaft an sein weibliches Publikum aussendet. Ich bin entsetzt.

Sophie Charlotte Rieger
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