Keine Verleihförderung für Schanelec – Solidarität mit Music

Wie Grandfilm der Presse mitgeteilt hat, erhält Music von Angela Schanelec keine Verleihförderung. Für uns ist es auch eine Schande, dass der Film nicht mit einer Verleihförderung unterstützt wird, da diese als Ziel hat, “künstlerisch anspruchsvolle deutsche Filme in die Kinos zu bringen. Zur Abdeckung der Vorkosten für den Verleih solcher Filme können gewerbliche Verleiher Projektförderungshilfen beantragen,” so die Seite der Bundesregierung. Grandfilm reagierte mit scharfer Kritik:

“Der Film wurde in der Produktion von der BKM gefördert, er wurde dann in den Wettbewerb eines A-Festivals eingeladen und dort von einer internationalen Jury mit einem der Hauptpreise (Silberner Bär für das beste Drehbuch) ausgezeichnet. Damit schmückte sich die BKM in einer Pressemitteilung vom 25.2.2023 gerne. Claudia Roth gratuliert den Gewinner*innen zu ihren “künstlerischen Erfolgen”. All dessen ungeachtet entschied sich die Jury der BKM-Verleihförderung zwei Wochen später gegen den Film – und damit auch gegen eine der International renommiertesten deutschen Filmemacher*innen”

© faktura film / Shellac

Keine Sorge. Unser Anliegen ist es nicht, die Grandfilm-Pressemitteilung zu rekapitulieren oder die darin enthaltene Kritik nochmal zu üben. Eine Rezension des Filmes ist geplant, aber noch nicht vorhanden. Jedoch möchten wir uns in Unterstützung des Filmes und dessen kultureller Verbreitung äußern. Schanelecs Filme sind spaltend. Sowohl deutsche als auch internationale Kritiker:innen haben Probleme mit ihren Grundvoraussetzungen und das Publikum ist dafür nicht garantiert. Jedoch ist sie international bekannt, sei es wegen der internationalen Berliner-Schule, der MoMA-Ausstellung in 2013 oder der Retrospektiven in Wien, Paris und London. Nicht nur das. Sie ist oft das Subjekt von Büchern und akademischen Artikeln von Marco Abel, Olivia Laundry, Jana Heberlein und Adam Szymanski.

Wie Phil Coldiron von Cinema Scope bezüglich ihrer filmischen Herangehensweise schreibt

“Für manche Zuschauer:innen ist dies ärgerlich, ja sogar unerträglich – das Werk bleibt fern, eine Reihe fein polierter Oberflächen, denen es an den üblichen Signifikanten mangelt, die Punkte menschlicher Verbundenheit bieten. Für andere, die sich lieber im Scheitern und in der Unwissenheit aufhalten, sind Schanelecs Filme der aktuelle Höhepunkt der erzählerischen Entwicklung.” 

Dass Music und die Filme von Schanelec diesen “Höhepunkt der erzählerischen Entwicklung” darstellen, wäre das Ziel eines Textes, der sich mit dem Film ästhetisch und formal auseinandersetzt und der sich für den Film ästhetisch und kritisch stark macht. Allerdings ist die Ablehnung der Verleihförderung nochmal eine Erinnerung an die Probleme zahlreicher Filmemacher:innen, ihre Filme nicht nur machen, sondern auch zu bewerben und verleihen zu können. Es geht hier nicht um Ästhetisches oder Formales, sondern schließlich um Ökonomisches. Das betrifft alle, die hier Filme machen wollen, denn: Wenn eine international bekannte Filmemacherin aus Deutschland nicht im eigenen Land Unterstützung bekommen kann – Unterstützung, die auch zum vorherigen Film verweigert wurde – und deren Filme als “schwierig” und künstlerisch anspruchsvoll gelten, was haben denn junge Filmemacher:innen, die ästhetisch “anders” sind, hier zu suchen?

Hier ist es doch hinzuzufügen, dass durch die zahlreichen Interviews, geschrieben oder gefilmt, mit Angela Schanelec jenseits der tausenden Fragen von Journalist:innen, die mit ihren Filmen kämpfen, doch eins festgestellt werden kann: Dieser Zustand des ständig Geld-Suchens betrifft auch sie. Antworten zu den Schwierigkeit der Finanzierung ihrer Filme kommen in vielen Interviews vor, aber nie so explizit wie bei ihrem Interview mit Ricky D’Ambrose,

RD: Bekommen die Filme in Deutschland viel Unterstützung?  

AS: Ich mache Filme in einem Land, das mir kein Geld geben will. In Deutschland gibt es zwar eine Kulturförderung, aber für Filme, die Geld einbringen. Diese Kulturförderung ist mehr oder weniger für konventionelle Arthouse-Filme. Meine Filme, so wie sie in Deutschland von Leuten gesehen werden, die entscheiden, wer Geld bekommt und wer nicht, gelten als experimenteller. Meine Filme sind sehr billig. Ich habe “Ich war Zuhause, aber…” selbst produziert. Diese Filme werden als deutsche Filme gesehen. Dagegen kann ich nichts machen. Sie werden in Deutschland gedreht, und ich komme aus Deutschland. Ich kann niemals einen rumänischen Film drehen, einen amerikanischen Film. Ich kann nur einen deutschen Film drehen. Es hat lange gedauert, bis ich das akzeptiert und verstanden habe, dass das für mich eine Bedeutung hat. Es hat lange gedauert, bis ich akzeptiert habe, dass meine Filme als deutsche Filme angesehen werden. 

Als die sogenannte Berliner Schule entstand, tat sie dies mit einer Kritik an dem, was sie als „konventionelle deutsche Filme“ ansah, die das Ziel hatten, die deutsche Geschichte “safe” zu rekapitulieren. Diese Kritik scheiterte meist in der Praxis und wurde schließlich von Akademiker:innen genauer untersucht. In der Zwischenzeit schufen die Arthouse-Filme ihre eigenen Konventionen und ihre eigenen Wege, um an Fördermittel zu gelangen. Schanelecs Filme gehören zu den anspruchsvollen, selbst für das Arthouse-Publikum, aber genau dafür gibt es die Verleihförderung. Niemand verdient damit Geld, und nach all den Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Filmprojekten, sollte es keine Frage sein, warum Filmemacher:innen ihre Unzufriedenheit mit dem derzeitigen System zeigen.

Wir bedauern und lehnen die Entscheidung der BKM ab. Wir schließen uns den Worten von Grandfilm an und fragen: Inwiefern entspricht Music nicht den Bedingungen für Verleihförderung? Der Film kommt, trotz alledem, am Donnerstag in die Kinos.

Giancarlo M. Sandoval
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