Interview: FURORA – Das Berliner Festival für junge Filmemacherinnen

Am 7. und 8. Dezember findet in Berlin, genauer gesagt im City Kino Wedding, das erste Furora Film Festival statt, ein Festival das sich gezielt dem Schaffen junger Filmfrauen* widmet. Das passt natürlich zur FILMLÖWIN wie das sprichwörtliche Hinterteil auf den Eimer. Deshalb habe ich vor dem Start des Festivals noch schnell die Gelegenheit genutzt, den Gründerinnen ein paar Fragen per Email zu stellen und in Erfahrung zu bringen, worum es bei Furora genau geht, warum dieses Festival so wichtig ist und was es dort zu sehen und zu erleben gibt.

Eine Plattform für die, die es am schwersten haben: Berufsanfängerinnen

Filmlöwin: Wie entstand die erste Idee zu Furora? Wie habt ihr euch als Gruppe zusammengefunden?

Letícia © Furora Film Festival

Letícia: Ich komme aus der Filmproduktionsbranche in Brasilien und wir haben da ein starkes Frauen*-Netzwerk, vor allem für Filmemacherinnen, die am Anfang ihre Karriere stehen. Hier ist mir aufgefallen, dass die bereits bestehenden Netzwerke sich viel mehr an Frauen* richten, die schon seit einer Weile im Markt tätig sind, und dass sich in Deutschland viele etablierte Filmemacherinnen als Frauen* nicht benachteiligt fühlen – entgegen jeder Statistik und auch meines subjektiven Gefühls. Deshalb wollte ich dieses Festival gründen, um erstens auf die von mir empfundene und auch real existierende Benachteiligung aufmerksam zu machen und um zweitens den Filmemacherinnen eine Plattform zu geben, die es auf dem Markt am schwersten haben: den Berufsanfängerinnen.

Matea: Letícia, der Rest der Gruppe und ich haben uns dann in der Uni kennengelernt. Letícia hat uns von der Idee des Festivals, die sie schon seit einiger Zeit hatte, überzeugt – was nicht sonderlich schwer war, weil wir uns alle für Feminismus interessieren und auch sehr filmbegeistert sind.

War das Festival von Anfang an so konzipiert, wie es jetzt umgesetzt wird, oder hat sich im Prozess etwas verändert? Wenn ja, was?

Josefa © Furora Film Festival

Josefa: Anfangs hatten wir sehr große Pläne, was die Umsetzung des Festivals betrifft. Wir stellten uns ein 4-Tages-Programm vor, mit vielen Workshops, Screenings und natürlich auch einer großen Festivalparty! Mit den Absagen für Förderung von verschiedenen Institutionen kam auch die Ernüchterung – und das Umdenken. Denn nach anderthalb Jahren Planung wollten wir nicht einfach alles hinschmeißen. Also haben wir den Finanzplan stark gekürzt und ein Programm aufgestellt, das wir tatsächlich umsetzen konnten. Aber es gab auch positive Überraschungen – die Kooperation mit Poster Women zum Beispiel, die durch Zufall entstanden ist. Wir freuen uns schon sehr auf die Plakatausstellung während des Festivals!

„Wir haben auch nach internationalen Filmfestivals recherchiert, aber nichts mit Furora Vergleichbares gefunden“

Mal ganz blöd gefragt: Es gibt ja, insbesondere in Berlin, schon unheimlich viele Festivals. Warum glaubt ihr, dass Furora trotzdem fehlt? 

Letícia: Es gibt echt viele tolle Filmfestivals in Berlin, aber keins, das sich auf Filme von Berufsanfängerinnen konzentriert. Wir haben auch nach internationalen Filmfestivals recherchiert, die sich mit Studierendenfilmen oder Erstlingswerken beschäftigen aber nichts mit Furora Vergleichbares gefunden. Wir möchten mit dem Festival auf die Filme und Qualität der Arbeit von Frauen* aufmerksam machen, die sich in der Branche noch nicht etabliert haben. Unser Hauptfokus ist auch, das Bewusstsein für Frauen*netzwerke in der Filmbranche zu schärfen. Wir finden es wichtig, dass Frauen* auch die Arbeit von anderen Filmemacherinnen kennenlernen und bei zukünftigen Projekten darüber nachdenken, ob es nicht eine tolle Frau* für den Job gäbe, statt zuerst an den Namen eines Mannes* zu denken.

Matea: Es gibt außerdem die Idee, mehr zusammenzudenken. Wir haben auch schon mit anderen Festivalorganisator_innen gesprochen, die sich, wie wir, mehr Kooperation zwischen Veranstaltungen mit ähnlichen Schwerpunkten wünschen. Wir könnten uns auch sehr gut vorstellen, einen Teil des Programms anderer Festivals zu kuratieren.

Matea © Furora Film Festival

Ihr zeigt nur Filme von Frauen*, aber wie definiert ihr das eigentlich? Ist das nicht im Jahr 2018 ein schwieriger Begriff?

Matea: Finden wir gar nicht so schwierig. Für uns ist jede Person eine Frau*, die sich als solche definiert. Wir haben explizit betont, dass auch Trans*frauen ihre Arbeiten bei uns einreichen können und bei verschiedenen queeren Gruppen angefragt. Leider bekamen wir aber keine Filme von Trans*frauen, die gleichzeitig Berufsanfängerinnen waren. Bei den Formaten unseres Rahmenprogramms sind aber natürlich alle herzlich willkommen, die sich als Frauen* bezeichnen und bei den Screenings ohnehin alle Interessierten.

Wir wünschen uns, dass die Zuschauer_innen so vielfältig wie möglich sind.

In der Pressemitteilung schreibt ihr ja, dass ihr Filmen von Frauen* eine Plattform bieten wollt – aber dazu braucht es natürlich auch die entsprechenden Zuschauer_innen. Wer ist euer Zielpublikum?

Matea: Das Rahmenprogramm richtet sich, wie gesagt, an Nachwuchs-Filmemacherinnen. Was die Filmscreenings betrifft, wünschen wir uns allerdings, dass die Zuschauer_innen so vielfältig wie möglich sind. Idealerweise kommen auch Leute, die sich mit dem Thema Feminismus noch nicht befasst oder vielleicht sogar Vorbehalte haben.

Letícia: Ein vielfältiges Publikum mit unterschiedlichen Backgrounds ist uns auch wichtig, um verschiedene Leute auf die Erstlingswerke von Frauen* aufmerksam zu machen.

Call of Cuteness © Brenda Lien

Erzählt mal ein bisschen von den Filmen: Warum lohnt es sich, als Zuschauer_in am Festival teilzunehmen? „Ist das nicht nur etwas für Frauen“?

Letícia: Die ausgewählten Filme haben uns durch ihre erzählerische Kraft und starke Bilder überzeugt. Sie erzählen aus verschiedenen weiblichen* Perspektiven von Widerständen in privaten oder öffentlichen Räumen. Die Filme behandeln Themen wie Familie, Abschied und Sehnsucht, Coming Out und Träume. Also Themen, die jede*n beschäftigen können, unabhängig davon wie diese Person sozialisiert ist oder welches Geschlecht sie hat.

„Es muss eine große strukturelle und mentale Änderung geben“

Was glaubt ihr: Was muss sich in der Filmwelt ändern, damit mehr Gleichberechtigung vorherrscht?

Letícia: Die Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen* im Markt, die Arbeitsbedingungen, die Lohnungleichheit und vor allem der Sexismus in der Branche. Ich finde es genauso wichtig über Probleme wie sexuelle Belästigung in der Filmbranche zu diskutieren als auch für den Zugang von Frauen* zu Fördermitteln zu kämpfen. Wir sollten verschiedene Unterdrückungsmechanismen reflektieren, auch die von Frauen* untereinander. Zudem vertritt der feministische Diskurs auch im Film oft überwiegend die Ansichten von weißen Frauen* und ihren Standpunkten im Markt. Schwarze oder Trans*Filmemacherinnen sind noch deutlich unterrepräsentiert und vieles aus diesem Diskurs spricht sie nicht an. Es muss eine große strukturelle und mentale Änderung geben, damit eine Gleichberechtigung in der Filmwelt entstehen kann.

Danke Letícia, Matea und Josefa, dass Ihr Euch im Vorbereitungsstress die Zeit für diese Fragen genommen habt! Ich wünsche euch ein großartiges und erfolgreiches Festival!

Sophie Charlotte Rieger
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