Im Fokus – Judith Benedikt: Zusammenleben

Filmlöwinnen finden sich in allen Gewerken der Filmproduktion, sind aber meist weit weniger bekannt als ihre männlichen Kollegen. Als wir mit FILMLÖWIN starteten, war es deshalb unser Anliegen, sie in Interviews vorzustellen und auf diesem Weg stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Diese Idee wollen wir nun wieder aufnehmen und beginnen mit unserer Reihe „Im Fokus“ über FLINTA Kamerapersonen.

Ein Portraitfoto von Judith Benedikt mit ihrer Filmkamera.

@ Peter Janecek

Den Anfang macht Gastlöwin Susanna Salonen mit einem Interview der Kamerafrau Judith Benedikt, die in dem Dokumentarfilm Zusammenleben die Bildgestaltung übernahm. Dieser visuell minimalistische, aber in seinem Blick sehr warme, sehr menschliche Film gewann auf dem Dokfest München und dem Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2022 den Hauptpreis.

Susanne Salonen: Worum geht ins Zusammenleben?

Judith Benedikt: Wie wird die Kultur Wiens Migrant:innen vermittelt? Der Dokumentarfilm Zusammenleben begleitet Neuzuwander:innen aus unterschiedlichsten Ländern bei ihrem ersten Schritt über die Schwelle in ein neues Land. Welche Vorstellungen haben Migrant:innen von Wien? Welche Informationen und „Werte“ werden in den Integrationskursen angesprochen und welche nicht?

Euer Film hat ein eigenes, spannendes, besonderes visuelles Konzept. Wie ist das Konzept entstanden? Wie seid Ihr vorgegangen, um diese besondere visuelle Umsetzungsform zu finden?

Eine stringente visuelle Form, die dem Film bzw. der Erzählung entspricht zu finden ist Regisseur Thomas Fürhapter und mir in unserer Zusammenarbeit immer sehr wichtig.

Migrant:innen im öffentlichen Diskurs werden oft als anonyme Masse wahrgenommen und deshalb haben wir bei Zusammenleben ein klassisches Portraitformat gewählt, um die Individualität und Schönheit der Menschen hervorzuheben.

Vordergrund eine Filmkamera mit drei Displays, auf denen das Portrait einer jungen Frau zu sehen ist. Im Hintergrund Zuhörende eines Vortrags.

© Simon Graf

Für uns war eigentlich von Anfang klar, dass wir den Film mit zwei Kameras drehen werden. Wir hatten einen Testdreh und haben das Material genau analysiert und uns dann ein formales Konzept erarbeitet. Die Kamera von Thomas Fürhapter war immer auf die Vortragenden gerichtet, meist räumlich bedingt mit sehr langer Brennweite. Meine Kamera war auf die Zuhörenden gerichtet und da war es mir wichtig, immer mit der Kamera auf Augenhöhe zu sein. Dafür haben wir extra ein Pumpenstativ auf Rollen verwendet, um so schnell und flexibel wie möglich zu sein. Und um die Nähe zu den Menschen zu erzählen, habe ich vorwiegend mit einer Normalbrennweite gedreht.

Für die technisch Interessierten unter uns: Womit hast du gedreht? Welche Kamera? Spezielle Techniken? Was hat Dir technisch besonders gut gefallen – gab es etwas besonders?

Wir haben mit 2 x Sony FS7 gedreht. Aus Budgetgründen hatten wir auf der Kamera für die Vortragenden ein Canon 70-200 2,8 Fotoobjektiv, was natürlich zum Schärfen eine Herausforderung war. Unser Kameraassistent Simon Graf hat aber hervorragend mitgeschärft. Auf der anderen Kamera haben wir mit den Fujinon MK Zooms gearbeitet.

Beide Kameras waren auf Stativen mit Rollen – meine wie gesagt auf einem Pumpenstativ. Da wir nicht leuchten konnten, hab wir einen Cine Reflector von Lightbridge auf mein Stativ montiert. So konnte ich das Licht,  das in den Kursräumen ja meisten von der Decke kommt, ausgleichen und die Protagonist:innen hatten auch gleichzeitig ein Augenlicht.

Was war die Herausforderung bzw. das Besondere an diesem Projekt im Vergleich zu Deinen vorherigen Arbeiten? Seid Ihr bei der Umsetzung des Konzepts auf Probleme gestoßen, die Du so nicht erwartet hattest ? Wie habt Ihr diese Probleme gelöst? Was hat geholfen?

Wir dachten uns, dass unser Konzept ganz einfach ist, weil wir immer nur in Wien in mehr oder weniger denselben Räumen drehen würden und dann war es für mich doch ein sehr herausforderndes Projekt, weil einerseits musste man immer schnell auf die richtige Position mit der Kamera und ich nie wusste wer wann sprechen wird und andererseits musste ich dann wieder zur Ruhe kommen, um genug Zeit zu haben zuzusehen.

In teilweise kleinen Räumen mit 2 Kameras zu drehen, war auch für unsere Tonmenschen sehr herausfordernd: nicht im Bild zu sein und trotzdem nah bei allen Gesprächen dran zu sein.

Ein Raum mit einer Leinwand, die über den Bundeskanzler informiert. Daneben eine Filmkamera. Die Tür des Raums ist offen.

© Judith Benedikt

Jeder Film ist eine Reise. Man sammelt immer neue Erfahrungen. Was nimmst du mit von diesem Dreh?

Auch wenn ich bei dem Film nicht sehr weit gereist bin, war es trotzdem eine kleine Reise in die Welt und das innerhalb Wiens!

Ich fand es sehr schön, die unterschiedlichen Menschen portraitieren zu dürfen und lange in die Gesichter schauen zu dürfen und mich zu fragen: Was haben die Menschen alles gesehen und erlebt? Wir hatten meist keine Zeit, mit den Menschen länger zu sprechen, und teilweise gab es natürlich auch eine Sprachbarriere. Aber es gab eine nonverbale Kommunikation zwischen den Protagonist:innen und uns. Das fand ich sehr schön! Die Vielfältigkeit, den Klang der unterschiedlichen Sprachen, mochte ich auch sehr.

Welches ist dein liebster Moment in diesem Film? Was magst du besonders?

Es gibt mehrere Momente im Film, die ich sehr gerne mag, vor allem aber immer wieder der Blick von außen auf Wien und die Österreicher:innen. Mich freut auch sehr, dass es im Film sehr viel Humor und Ironie gibt und dass bei den bisherigen Screenings das Publikum bis zum Ende bei den Protagonist:innen bleibt. Das war für uns schon ein Experiment, auch mit der Wahl der Form des Films. Umso schöner ist es zu sehen, dass das aufgegangen ist.

Wie bist Du zum Film/ zur Kameraarbeit gekommen?

Ich habe mit 12 begonnen zu fotografieren und ab da war mir immer klar, dass ich etwas mit Bildern machen will, weil es für mich immer das beste Medium war, um mich auszudrücken. Ich habe dann mit 16 begonnen Filme zu drehen und gesehen, dass man mit bewegten Bildern auch längere Geschichten und Emotionen erzählen kann. Dann habe ich auf der Filmakademie Wien Bildtechnik und Kamera studiert und bin seit 2003 als Kamerafrau für Kino- und Fernsehproduktionen tätig.

Eine Filmkamera am Set vom Zusammenleben

© Judith Benedikt

Welche Kameraarbeit in welchem Film beeindruckt Dich? 

Da gibt es natürlich viele Filme. Zuletzt fand ich die Kameraarbeit von Ari Wegner bei The Power of the Dog von Jane Campion sehr toll. Die Kombination von präzisen Landschaftsaufnahmen im perfekten Licht und die Übertragung auf die Erzählung fand ich großartig!

Was wünschst Du Dir für die deutsche Filmlandschaft? 

Ich bin vorwiegend in der österreichischen Filmlandschaft verankert, aber was ich so mitbekomme von der deutschen Filmlandschaft, ist, dass eher wenige Projekte mit künstlerischem Anspruch finanziert werden und deshalb würde ich mir für Deutschland wünschen, dass es mehr mutige Produzent:innen und Förderstellen gibt, die mehr Arthouse Filme unterstützen und produzieren.

Und für die österreichische Filmlandschaft wünsche ich mir, dass es in allen Departments eine größere Ausgewogenheit zwischen Männern und Frauen gibt, vor allem natürlich im Bereich Kamera. Derzeit  werden ca. nur 15% der österreichischen Filme von Kamerafrauen gedreht.

Wo kann man den Film sehen? 

Der Film wird nächstes Jahr in die österreichischen Kinos kommen. Durch die Preise in München und in Schwerin erhoffen wir uns natürlich aber auch einen deutschlandweiten Kinostart!


Susanna Salonen © Ute Badura

Über die Gast-Löwin

Susanna Salonen ist freie Autorin, Regisseurin, Kamerafrau. Interessiert an der Welt an sich und als solches. Tausend Fragen. Durch die Antworten entstehen bei ihr noch mehr Fragen. Aber Nicht-Fragen macht auch nicht klüger.