IFFF 2015: Love Island

Jasmila Zbanic war eine der Regisseurinnen, auf die ich mich beim Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund/Köln am meisten gefreut hatte, hat mich doch ihr letzter Film For Those Who Can Tell No Tales tief berührt. Etwas skeptisch war ich daher, als ich im Programmheft las, dass ihr neuestes Werk Love Island ganz andere, nämlich komödiantische Töne anschlagen würde. Doch meine Vorbehalte waren völlig grundlos. Einmal abgesehen von der willkommenen Abwechslung im doch recht ernsten Festivalprogramm, schafft Love Island die gefährliche Gratwanderung zwischen Peinlichkeit und Humor und postuliert ganz nebenbei die Schönheit der Vielfalt.

© Port au Prince

© Port au Prince

Angesiedelt in einer klassischen Hotelburg an der kroatischen Küste erzählt Love Island vom Urlaub eines jungen Ehepaares, der durch die Begegnung mit der Tauchlehrerin Flora (Ada Condeescu) eine unerwartete Wendung nimmt. Das klingt nach komödiantischem Beziehungsreigen. Und ein eben ebensolcher wird auch geboten. Nur eben ein wenig anders. Gleich in den ersten Filmminuten macht Zbanic klar, dass sie die klassischen Gender-Stereotypen der romantischen Komödie über den Haufen wirft. Die Männer präsentieren sich schon bei ihrem ersten Auftritt allesamt als Hampelmänner, werden mit übertriebenem Brustpelz und Machogehabe vorgeführt. Aber Love Island ist kein Männerhasser-Film. Die männliche Hauptfigur Grebo ist zwar ein regelrechter Tölpel, aber hierin ebenso liebenswert wie die übrigen zentralen Charaktere, wenn auch zugegebener Maßen der lächerlichste von allen. Zbanic und Drehbuchautor Aleksandar Hemon arbeiten unter anderem mit einem Rollentausch, ordnen Grebo jene Eigenschaften zu, die allgemein weiblich konnotiert sind. So entsteht zwischen Grebo und Liliane beispielsweise ein Streit, weil ersterer mit frisch gewaschenem Haar nicht die Klimaanlage des Hotelzimmers anschalten möchte und trotz Bullenhitze auf eine ausgiebige Föhnung besteht.

Der Humor in Love Island generiert sich jedoch nicht aus platten Geschlechterklischees, sondern verbindet clownesques Schauspiel mit Überzeichnungen und subtiler Komik, die sich aus den verschiedenen Charakteren entwickelt. Dabei erinnern sowohl das Sounddesign als auch einzelne Szenen stark an Die Ferien des Monsieur Hulot von Jacque Tati, der – wie mir Jasmila Zbanic im persönlichen Gespräch erzählte – tatsächlich eine große Inspiration darstellt. Wie auch bei Tati führt Zbanic hier auf treffende Weise die Pauschal-Tourismus-Gesellschaft vor und trifft dabei den Nagel höchst unterhaltsam auf den Kopf.

© Port au Prince

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Der Song Wind of Change, leidenschaftlich beim „Bunten Abend“ des Hotels von Grebo vorgetragen, leitet einen großen Umbruch in der eingeschworenen Gemeinschaft der Paulschal-Touris ein. Flora tritt auf und verdreht sowohl Grebo als auch der hochschwangeren Liliane den Kopf, ja entpuppt sich sogar als ihre verflossene große Liebe. Die Art und Weise wie Jasmila Zbanic diese ungewöhnliche Dreiecksgeschichte auflöst, ist eine Ode an die Queerness, an die Vielfalt und Durchlässigkeit von sexuellen Identitäten, Rollenmustern und Beziehungskonstellationen. Damit ist Love Island eine gelungene queere Aneignung eines konservativen Genres, die vorgegebene Muster unterhaltsam auf den Kopf stellt.

Gleichzeitig widerlegt die Regisseurin das weitverbreitete Vorurteil, Frauen hätten keinen Humor und daher kein Händchen für Komödien. Love Island ist nämlich vor allem eins: irrsinnig witzig. Aber auch wenn Zbanic die Figuren überzeichnet, so behandelt ihr Film doch keine der Personen respektlos. Niemals haben wir als Zuschauer_innen das Gefühl, jemanden auf Grund seiner Eigenschaften, Körperlichkeit oder sexuellen Orientierung auszulachen. Es sind vielmehr die treffenden Pointierungen, die Komik erzeugen und dabei stets als solche erkennbar bleiben. Von dieser Art Humor könnten sich die Herren Schweiger-Schweighöfer gerne eine große Scheib abschneiden!

Love Island hat einen deutschen Verleih und wird bald auch in Deutschland einem größeren Publikum zugänglich sein. Ich hoffe sehr auf einen, wenn auch sicherlich vergleichsweise kleinen Erfolg, der den Weg für mehr weiblich dirigierte Komödien ebnet. Das Zeug dazu hat Love Island in jedem Fall.

Sophie Charlotte Rieger
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