Filmkritik: 11 Freundinnen

© Eurovideo

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Nach ihrer Dokumentation des ungewöhnliches Aufeinandertreffens norddeutscher Dorfbewohner und feierwütiger Heavy Metal Fans in Full Metal Village widmet sich Sung-Hyung Cho in 11 Freundinnen einem Thema, das dem_r einen oder anderen ähnlich exotisch vorkommen mag: Frauenfußball. Tatsächlich aber hat sich der lange verlachte Sport spätestens seit der Weltmeisterschaft im eigenen Land 2011 den verdienten Respekt erkämpft. Cho eifert mit ihrem Dokumentarfilm ebenso wenig Sönke Wortmanns Deutschland – Ein Sommermärchen nach wie die Fußballfrauen der männlichen Nationalelf, sondern geht ihren eigenen Weg, dessen Ziel und Richtung leider bis zum Ende unklar bleiben.

Der erste Teil ihres Films konzentriert sich auf die Portraits einzelner Spielerinnen und ihres beruflichen Lebens jenseits des Sports. Später jedoch steht klar der Fußball im Vordergrund, wenn das harte Training und Auswahlverfahren für den Nationalkader eindrücklich dargestellt wird. Den Höhepunkt bildet natürlich – und hier ist Cho von Wortmann nicht allzu weit entfernt – die Dokumentation der WM 2011, bei der die deutsche Nationalelf vollkommen überraschend bereits im Viertelfinale aus dem Turnier ausschied. Ein roter Faden, der diese drei Elemente zu einem kohärenten Ganzen verbindet, ist jedoch schwer auszumachen.

Es liegt Sung-Hyung Cho deutlich am Herzen, ihre Protagonistinnen als Frauen* zu inszenieren. Die Musikuntermalung ist betont emotional, manchmal gar träumerisch und zielt deutlich auf ein weibliches* Publikum ab. Sie verleiht ihren Figuren damit jedoch zudem eine unnötig tragische Aura. Auch wenn die Regisseurin die Benachteiligung der Fußballerinnen ihren männlichen* Kollegen gegenüber nicht überbetont, haben die von ihr dargestellten Sportlerinnen niemals etwas Heldenhaftes. Selten wirken sie in den Interviews fröhlich oder gar ausgelassen. Die Gespräche drehen sich um den Beruf, die Ausbildung oder entsprechende Zukunftspläne, ebenso aber natürlich um den Fußball. Gefeierte Ikonen wie im Männer*fußball sucht man in 11 Freundinnen jedoch vergebens. Die Protagonistinnen wirken wie ganz normale Frauen* und Mädchen*.

Doch worum geht es Sung-Hyung Cho eigentlich? Möchte sie uns die zurückhaltende Bodenständigkeit der Spielerinnen vor Augen führen und diese mit der extrovertierten Performance ihrer männlichen* Kollegen kontrastieren? Dafür spricht, dass die Regisseurin mehrfach der Theorie Raum gibt, das frühe Ausscheiden der Nationalelf stehe im Zusammenhang mit dem unerwarteten Medienrummel, der die Spielerinnen überfordert habe. Die ersten beiden Teile ihres Films jedoch sind schwer mit diesem Fokus in Verbindung zu bringen.

Geht es ihr um einen generellen Vergleich des Männer*- und Frauen*fußballs? Dass viele der Spielerinnen neben ihrer sportlichen Verpflichtung berufstätig sind oder eine Ausbildung absolvieren, wird mehrfach thematisiert. Insbesondere Torschützerin Ursula Holl spricht in diesem Zusammenhang etwas abschätzig von den männlichen* Spielern, die wohl gar nicht mehr wüssten wohin mit ihrem Geld. Auch hier macht Sung-Hyung Cho ihre Protagonistinnen bedauerlicher Weise kleiner als sie sind. In ihrem Bestreben, sie mit den Protagonisten des Männer*fußballs zu kontrastieren, die sich von den Medien nur zu gerne als überlebensgroße Helden inszenieren lassen, droht sie die Schwächen der Fußballerinnen zu stark in den Fokus zu rücken.

Dieser Eindruck mag jedoch auch dem Umstand geschuldet sein, dass es Cho nicht gelingt, eine Beziehung zwischen Publikum und Sportlerinnen herzustellen. Hierfür bleiben die Interviews zu unpersönlich. Die Frauen* wirken grundsätzlich sehr gefasst und transportieren – im Gegensatz zur Musikuntermalung – nur gedämpfte Emotionen. Bedauerlich ist außerdem, dass die Regisseurin der Beziehung der Sportlerinnen untereinander keinerlei Aufmerksamkeit schenkt. Der Zuschauer erfährt nichts über die eventuelle Freundschaft einzelner Protagonistinnen und kann kein Gefühl für die Stimmung im Team entwickeln. Sung-Hyung Chos Film bleibt eine Darstellung von Einzelschicksalen, ein Konzept, das für die Dokumentation eines Mannschaftssports denkbar ungeeignet ist. Auch der Titel 11 Freundinnen wirkt in dieser Hinsicht unpassend, denn während den Zuschauer_innen Sportlerinnen, Soldatinnen und Auszubildende präsentiert werden, fehlt von „Freundinnen“ jede Spur.

Ohne Beziehung zu den Figuren, ohne das Gefühl von Gemeinschaft im Zuge der Turniervorbereitung, wird das Publikum auch von der Darstellung der Weltmeisterschaft nur bedingt mitgerissen. Sung-Hyung Cho ist es leider nicht gelungen, ihre Materialsammlung mit einer schlüssigen Dramaturgie zu versehen. Dem Publikum wird kein roter Faden geboten, der den Fokus des Films verdeutlichen oder Spannung erzeugen könnte. In der Folge wirkt 11 Freundinnen schleppend und orientierungslos und bestätigt somit genau die Vorurteile, die gewöhnlich dem Frauen*fußball entgegengebracht werden.

Sophie Charlotte Rieger
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