Blockbuster-Check: Bumblebee

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

Achtung: Auf Grund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein

Und statt einer Inhaltsangabe gibt’s zur Einstimmung wie immer erst einmal den Trailer:

Held_innen

Bumblebee ist ein Film aus dem Transformers-Franchise, also einer Filmreihe, die im Grunde auf Spielzeugautos basiert. Und zwar nicht auf irgendwelchen Spielzeugautos, sondern jenen, die sich in Roboter verwandeln. Ich fand die als Kind der 80er auch beeindruckend, also Spielzeugautos allgemein, weil sie sich mit Werkzeug so lustig in Einzelteile zerlegen ließen. Dass mir das Freude bereitete, hat glaube ich nie ein_e Erwachsene_r mitbekommen (wollen) und so boten sie mir weiterhin Puppen zum Spielen an. Das war’s dann mit meiner Autoschrauberinnen-Karriere. Aber um fair zu bleiben: Ich mochte halt auch Puppen einfach sehr, sehr gerne.

Transformers sind also vermeintlich nur was für Jungs*. Und so sind auch die Filme bislang eindeutig auf ein männliches* Publikum zu geschnitten gewesen. Bis jetzt, denn Bumblebee erzählt das neueste Kapitel aus dem Universum der außerirdischen Autobots mit einer weiblichen* Hauptfigur. Und das alleine finde ich schon mal großartig, denn ja, auch Mädchen* dürfen und sollen Transformers toll finden!

Aber Charlie (Hailee Steinfeld) ist nicht nur irgendeine eine weibliche* Hauptfigur: Sie ist ein Mädchen* in der Pubertät, das für sein Leben gerne Autos repariert. Damit erweitert sie den Möglichkeitsraum junger Frauen* (und ihrer Erziehungsberechtigten) gewaltig. Und das geschieht auch noch relativ unprätentiös, denn jedwede Kritik, die beispielsweise Charlies Mutter am Hobby ihrer Tochter übt, hat nichts mit deren Geschlecht zu tun. Dennoch ist Charlie eindeutig eine Außenseiterin, was ihre Vorbildfunktion insofern schmälert, als dass Bumblebee sehr klar kommuniziert: Du kannst Dich als Mädchen* schon auch für Autos interessieren, aber dann mag Dich halt keine_r!

© Paramount

Darauf ist Charlie jedoch nicht angewiesen. Sie kommt ganz gut alleine zurecht und hat kein Bedürfnis, sich die Anerkennung ihrer oberflächlichen Mitschüler_innen oder auch nur ihrer Mitmenschen zu erkämpfen. Sie bleibt sich selbst stets treu, zweifelt niemals an ihrem Selbstwert oder ihrer Identität. Energie investiert sie also lieber in das Abenteuer mit dem außerirdischen Autobot und bleibt dabei kein Zaungast, sondern wirft sich stets mutig mitten ins Geschehen wirft, gestaltet auch den Endkampf entscheidend mit und eilt dabei in einem pathetischen Heldinnenmoment sogar Bumblebee zur Hilfe, statt die damsel in distress zu mimen.

Punktabzug gibt es allerdings für die zahlreichen clumsy girl Momente. Ich verstehe wahrlich nicht, warum eine so geschickte Filmfigur unbedingt dieses dämliche Klischee der weiblichen Young Adult Heldin erfüllen muss!

© Paramount

Allerdings steht Charlies Ungeschick in keinem Verhältnis zu dem ihres Sidekicks Memo (Jorge Lendeborg Jr.). Der überaus nerdige Nachbarsjunge* tut sich nicht nur mit sozialen Kontakten, sondern so ziemlich mit dem ganzen Leben schwer. Eigentlich hat er wirklich überhaupt keine Stärken, außer seiner treuen Ergebenheit Charlie gegenüber. Und im Grunde auch keinen Charakter. Er bleibt ein Abziehbild, das die neben ihm stehende Heldin noch heldinnenhafter erscheinen lassen soll und eine zweifelhafte Rollenumkehr suggeriert. Wo sonst das weibliche* Sidekick nur der Dekoration dient und nichts zum Verlauf der Handlung beizutragen weiß, ist nun der zart besaitete Junge* das niedliche, aber im Grunde doch überflüssige Anhängsel. Rollentausch allein ändert an patriarchalen Strukturen eben leider gar nix. Außerdem kann Memo auf diese Weise auch keine ernstzunehmende Alternative zu toxischer Männlichkeit* bieten, womit dem männlichen* jugendlichen Publikum eine positive Identifikationsfigur versagt bleibt.

© Paramount

Gegenspieler_innen

Zwei sogenannte „Decepticons“, also böse Auto-Roboter, treten in Bumblebee als Gegenspieler_innen auf und – anders als in den Reihen der „Guten“ – achten sie fein säuberlich auf eine faire Frauen*quote. Es handelt sich nämlich um einen weiblich* und einen männlich* identifizierten Roboter, die sich hinsichtlich ihrer Aggressivität und Boshaftigkeit in nichts nachstehen. Das Geschlecht ist hier auf vorbildliche Weise vollkommen egal.

Und dass mir jetzt niemand mit dem Argument kommt, dass sei ja bei Fantasiefiguren wie Robotern ohnehin viel einfacher! Ja, das stimmt, ändert aber dennoch nix daran, dass beispielsweise im Star Wars Universum trotzdem fast alle nicht-menschlichen Figuren männlich* sind. Also: Volle Punktzahl in dieser Kategorie!

© Paramount

Geschlechterrollen allgemein

Was bei den Bösewicht_innen so hervorragend funktioniert, stellt im Rest des Casts ein echtes Problem dar: In den Rängen des Militärs gibt es zwar überraschender Weise viele weibliche* Statistinnen, doch die Sprechrollen sind ausschließlich männlich* besetzt. Auf dem Schrottplatz, auf dem Charlie gerne nach Ersatzteilen stöbert, treiben sich ausschließlich Männer* herum – was die Heldin als junge Hobbyschrauberin dann doch wieder bedauerlich exotisch wirken lässt.

Nebenrollen wie die Mutter oder die fiesen Mitschülerinnen besitzen über ihre Funktionen hinaus keine Persönlichkeit (und mehrheitlich auch keinen Namen). Im Falle der Mutter ist dies deshalb besonders auffällig, weil ihr mit dem verstorbenen Vater eine interessante und einflussreiche Figur gegenübergestellt wird. Wo jener als schillerndes Vorbild für Charlies Hobby dient, scheint die Mutter keine einzige bewundernswerte Eigenschaft zu besitzen. Insgesamt sind von Charlie abgesehen Frauen*figuren so rar, beziehungsweise bleiben sie dramaturgisch so marginalisiert, dass ich mir nicht einmal sicher bin, ob Bumblebee den Bechdel-Test besteht.

Intersektional

In Bumblebee gibt es keine Figuren mit Behinderungen, keine queeren Figuren und keine Schwarzen Frauen*. Letzteres ist kein grundsätzlich rassistisches Problem des Films, denn es gibt mit Memo und General Whalen (Glynn Turmann) immerhin zwei männliche* People of Color im Cast – nur eben, wie so oft, keine Schwarzen Frauen*!

© Paramount

Dresscode und Sex-Appeal

Einer der größten Wermutstropfen an Bumblebee ist für mich der schon eingangs erwähnte Außenseiterinnenstatus der Hauptfigur. Sie ist anders, entspricht nicht der Norm, also den aufgetakelten, oberflächlichen und fiesen Mädchen*, die blond, schlank, geschminkt und eben „normschön“ sind. Charlie ist all das nicht. Sie trägt weite und funktionale Kleidung, mit der sie niemandem – außer dem nicht ernstzunehmenden Memo – als potentielles romantisches Gegenüber auffällt.

Daraus ergeben sich für mich zwei Probleme: Durch die Nebeneinanderstellung mit den Zicken aus der Schule, wird Charlies Absonderlichkeit offenbar, die wie jede Ausnahme schlussendlich die Regel, also die Norm, bestärkt. Warum aber wird sie überhaupt so stark mit den anderen Mädchen* kontrastiert? Hailee Steinfeld ist eine wunderschöne junge Frau*. Auch nur ansatzweise zu suggerieren, dass dies anders sei, ist nicht nur grenzenlos dumm, sondern kommuniziert auch ein toxisch limitiertes Bild von (weiblicher*) Schönheit. Und noch viel wichtiger ist vielleicht: Warum kann sich eine „normschöne“ Frau* nicht für Autos interessieren beziehungsweise weshalb müssen Mädchen*, die genau das tun, automatisch auch weniger „schön“ sein?

Davon angesehen habe ich am Kostüm hier wenig auszusetzen. Die jugendliche Heldin wird nicht sexualisiert, stattdessen müssen zweimal junge Männer* ihre Shirts ablegen, um durch den weiblichen* Blick des Begehrens abgemessen zu werden. Ich bezweifle, dass das eine echte Errungenschaft ist. Vielleicht können wir uns einfach darauf einigen, minderjährige Figuren nicht zu sexualisieren?!

Zum Thema sexistischer Kostümwahl habe ich allerdings dann doch noch einen echten Kritikpunkt: Muss der weibliche* Roboter unbedingt rot und der männliche* blau sein? Oder ist das irgendwie im Franchise so vorgegeben? Und wenn ja: Können wir das nicht einfach mal ändern?

© Paramount

Dramaturgie

Ebenfalls mächtig Punktabzug gibt es in der Kategorie Dramaturgie. Denn hier müssen wir uns die alles entscheidende Frage stellen, welche Geschichte ein Film namens Bumblebee wohl erzählt… Genau: die von Bumblebee natürlich. Es ist der kleine Roboter, der zu Beginn des Films auf eine Mission zur Erde geschickt wird und es ist auch sein Konflikt, der sich nachher eben dort abspielt. Charlie kommt zu dieser Geschichte wie die Jungfrau* zum Kinde: Überraschend und unfreiwillig. Sie selbst hat keine eigene Mission und dementsprechend auch keine eigene Entwicklung. Das einzige Ziel, das wir dieser Figur mit viel gutem Willen zusprechen könnten, ist das Restaurieren einer alten Corvette, das sie einst mit ihrem Vater begonnen hatte.

Das bedeutet allerdings auch, dass Charlie kaum „strukturelle Macht“ besitzt, also auf den Verlauf der Ereignisse nur einen Minimalen Einfluss nehmen kann. Sie bleibt in der Rolle der Reagierenden statt der Agierenden. Und da sie im Grunde keine eigene Geschichte besitzt, kann sich auch keine Entwicklung durchlaufen. Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass Autobot Bumblebee eine deutlich stärkere Charakterentwicklung durchmacht als sein weiblicher* Sidekick.

Ist eine Heldin ohne eigene Geschichte also wirklich eine Heldin? Können wir also wirklich behaupten, Bumblebee habe eine Heldinnenfigur? Ich würde sagen: Nein!

Botschaft

Schöne Frauen* reparieren keine Autos.

Gesamtwertung: 6

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

Kinostart: 20. Dezember 2018

Sophie Charlotte Rieger
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