achtung berlin 2024: Exile never ends

Bahar Bektaş möchte verstehen, warum ihr Bruder Taner nach über 30 Jahren in Deutschland in die Türkei abgeschoben werden soll. Ihr Dokumentarfilm Exile never ends begleitet ihre Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte.

Taner sitzt derzeit eine Haftstrafe ab und hat seine vorzeitige Überstellung in die Türkei beantragt. Für ihn liegt darin eine Hoffnung auf Neuanfang. Doch wie wirkt sich seine Rückkehr in die Türkei auf den Rest der Familie aus? Feinfühlig spürt Bahar Bektaş den komplexen Emotionen ihrer Familienmitglieder nach: Erleichterung darüber, dass Taner eine Perspektive für sich sieht und sie sich zukünftig weniger um ihn sorgen müssen, Enttäuschung, dass er in Deutschland nicht Fuß fassen konnte, Schuldgefühle, dass sie ihn nicht vor dem Gefängnis und der Abschiebung bewahren konnten. Sie selbst fragt sich vor allem, wie ihre Familie in diese Situation gekommen ist und wie es weitergehen kann.

© Pink Shadow Films

Exile never ends entsteht in einer Zeit, die für die ganze Familie Ungewissheit und Überforderung mit sich bringt. Räumliche und zeitliche Sprünge in der Montage spiegeln diese Orientierungslosigkeit wider. Die Suche nach Antworten kann als Versuch gelesen werden, Struktur und Sinn darin zu finden. In vertrauter Atmosphäre sucht Bahar Bektaş das Gespräch am elterlichen Küchentisch in Starnberg, auf der Terrasse in Izmir, bei Spaziergängen durch die Umgebungen, in denen sie aufwuchs. Dabei konzentriert sie sich vollkommen auf den engsten Familienkreis und lässt viel Raum für Reflektion. Meret Madörin und Antonia Kilian begleiten den innerfamiliären Prozess mit ruhiger und zurückhaltender Kameraführung.

Die Erfahrung politischer Verfolgung in der Türkei, der Flucht nach Europa und rassistischer Übergriffe und Ausgrenzung in Deutschland hat Bahar Bektaş ebenso wie ihre Eltern Yildiz und Mustafa sowie ihre Brüdern Taner und Onur geprägt, wenn auch mit unterschiedlichen Auswirkungen. Exile never ends kommt nicht zu einer eindeutigen Antwort, was in der Familiengeschichte zu ihrer gegenwärtigen Situation geführt hat. Stattdessen zeigt der Film, wie im Austausch über die unterschiedlichen Perspektiven auf die gemeinsame Geschichte Verständnis füreinander entstehen kann.

Exile never ends erhielt beim Filmfestival  Max Ophüls den Preis der Filmkritik – Bester Dokumentarfilm und läuft aktuell im Wettbewerb Dokumentarfilm beim achtung berlin.

Vorführzeiten beim achtung berlin:

11.4.2024 | 18:00 | ACUDkino

15.4.2024 | 18:30 | fsk Kino am Oranienplatz

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