Blockbuster-Check: Baywatch
Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.
Achtung: Auf Grund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein!
Held_innen
Wie zu erwarten war, ist Baywatch nicht an der Konstruktion komplexer Heldinnenfiguren interessiert. Allerdings liegt dem Film grundsätzlich nicht viel an Komplexität, weshalb ich dazu neige, ihm das Fehlen einer vorbildlichen Heldin zu verzeihen. Auf der Seite der Männer* gibt aber zumindest Figuren, die als hereoische Abziehbilder durchgehen, nämlich dem überlebensgroßen Mitch (ehemals David Hasselhoff, nun verkörpert von Muskelpaket Dwayne Johnson) und Matt (in einer herrlich selbstironischen Performance gespielt von Zac Efron). Insbesondere letzterer macht eine charakterliche Entwicklung durch, was ihn als eigentlichen Held der Geschichte ausweist.
Den Frauen* ist Vergleichbares nicht vergönnt. Ihre Parts beschränken sich auf Sexobjekte und Sidekicks, doch dazu später mehr. In der Kategorie „Held_innen“ jedenfalls bekommt Baywatch glatte null Punkte.
Gegenspieler_innen
Völlig überraschend aber kann Baywatch bei den Gegenspieler_innen mit einer großartigen Bösewichtin punkten. Priyanka Chopra lässt als fiese Drogenbaronin Victoria Leeds keinen Zweifel daran aufkommen, dass Frauen* ebenso durchtrieben sein können wie Männer*. Zu keinem Zeitpunkt wird ihre Figur durch eine traurige Vorgeschichte in ihrer Bösartigkeit unterminiert. Victoria Leeds erregt kein Mitleid, sondern ausschließlich Antipathie – genauso wie es sich für eine gute Bösewichtin in einem platten Hollywoodfilm gehört. Sie handelt unter Eigenregie und kommandiert mit Eiseskälte eine kleine Armee aus durchtrainierten Handlangern, ohne dabei jemals durch eine männliche* Figur fremdbestimmt zu werden. Die erotische Ausstrahlung, die das entsprechend gewählte Kostüm bei jedem ihrer Auftritte unterstreicht, nimmt der Figur nichts von ihrer Dominanz. Victoria Leeds weiß sexuelle Reize für den Siegeszug in einem rein männlich* besetzten Umfeld geschickt einzusetzen. Dafür gibt es volle Punktzahl!
Geschlechterrollen allgemein
Es lässt sich allerdings nicht bestreiten, dass Baywatch vor sexistischen Rollenbildern nur so trieft. Männer* müssen stark und mutig, Frauen* vor allem schlank und hübsch sein. Während sich die Gruppe aus Bademeister_innen als Team gleichberechtigter Mitglieder begreift, werden die Frauen* bei gefährlichen Unternehmungen gerne zu Hause gelassen- und das obwohl sie im Laufe des Films mehrfach demonstrieren, das sie ihren Kollegen körperlich keinesfalls unterlegen sind und über ebenso viel selbstlosen Mut verfügen. Gleich zwei Mal ziehen Mitch und Matt völlig grundlos alleine los, was insbesondere dann sinnlos erscheint, wenn sich Matt für eine verdeckte Ermittlung als Frau* verkleidet. Es wäre ja auch möglich gewesen, einfach eine Kollegin mitzunehmen… Aber Schwamm drüber.
Besonders ärgerlich gestaltet sich die Marginalisierung der Frauen*figuren in Hinblick auf Stephanie (Ilfenesh Hadera), die von Mitch ausdrücklich als die zweitfähigste Person der Crew benannt wird (nach ihm natürlich) und mit ihrer buchstäblichen Schlagfertigkeit ihr Heldinnenpotential demonstrieren kann. Als einzige Frauen*figur des Baywatch Teams wird sie durch die Kamera nicht sexualisiert, allerdings weiß der Film auch genau deshalb nichts mit ihr anzufangen und stellt sie wann immer möglich (und es ist fast immer möglich!) aufs narrative Abstellgleis.
Bei all dem stellt sich die Frage, weshalb ein derart selbstironisches Konzept, wie es hier für die Kinoversion der 90er Jahre Serie gewählt wurde, daran scheitert, den Sexismus der Vorlage ebenso aufs Korn zu nehmen wie beispielsweise den überperfekten Leidhammel. Statt Frauen* in viel zu knappen Badeanzügen lieber ein paar Rettungsschwimmer in roten String-Tangas in Slow Motion und wallende Haare schwingend über den Strand laufen zu lassen, hätte zumindest ich sehr vergnüglich gefunden.
Interessanter Weise scheint sich der Film seiner sexistischen Tendenzen durchaus bewusst zu sein. Mehrfach wird die Adressierung der Truppe in generischen Maskulina mit einem „no offense“ ergänzt, das die Frauen* ärgerlicher Weise mit „non taken“ parieren. Ich vermute, das rein männliche* Drehbuch-Team war einfach nicht in der Lage, sexismuskritische Gags zu schreiben. Noch ein Argument mehr, nicht nur bei der Zusammenstellung des Casts, sondern auch des Filmteams auf Parität zu achten.
Dresscode und Sexappeal
Der Blick auf die Körper der Frauen* ist durchweg ein männlicher. Wenn auch Körperlichkeit im allgemeinen und vom Geschlecht unabhängig auffällig kultiviert wird, so wie es eben zum Konzept von Baywatch gehört, unterscheiden sich die Darstellungen weiblicher* und männlicher* Nacktheit grundlegend voneinander. Während Mitch und Matt mit ihren übertrieben gestählten Körper nämlich vornehmlich beeindrucken, also Respekt einflößen oder Bewunderung auslösen, dienen Summer (Alexandra Daddario) und CJ (Kelly Rohrbach) sowohl den Figuren auf der Leinwand als auch den Menschen im Publikum primär als Augenschmaus. Das beste Beispiel für diesen sexistischen Blick auf Frauen*körper ist ein Dialog zwischen Matt und Summer, in dem letztere ihrem männlichen* Gegenüber vorwirft, auf ihre Brüste gestarrt zu haben. Matt wehrt den Vorwurf ab, muss aber allein durch diesen Diskurs natürlich noch einmal hinsehen – genauso wie wir im Publikum. Am Ende des Films dann wird die Szene umgedreht: „Did you just look at my dick?“ fragt Matt diesmal Summer. Und sie bejaht, allerdings ohne dass die Kamera uns erlauben würde, auch diesen voyeuristischen Blick nachzuvollziehen. Der Bildausschnitt bleibt an Matts Oberkörper hängen und die Kamera weigert sich beständig, den weiblichen* statt den männlichen* Blick nachzuvollziehen.
Auffällig ist außerdem die Wahl der Badekleidung. Während Stephanie einen für ihre Tätigkeit durchaus funktionalen Badeanzug trägt, erinnert insbesondere das Outfit von CJ mehr an ein Playboy-Shooting als an Berufsbekleidung. Summer ist zwischen ihren beiden Kolleginnen angesiedelt: mit deutlich weniger Stoff als Stephanie, aber auch nicht annähernd so dauerentblößt wie CJ. Die muss nämlich auch in der Freizeit Kleider wählen, die ich als Unter- oder Reizwäsche tragen würde. Im Gegensatz dazu darf Dwayne Johnson auffällig oft Oberbekleidung tragen, mit der er sogar ins Meer springt. Ja, nicht einmal wenn ihm eine Spritze gesetzt wird, zieht er sein Shirt aus. Das möge mir doch bitte mal eine_r erklären!
Dramaturgie
Selbstredend verfügen die Frauen*figuren über eklatant weniger Dialog und keinerlei Einfluss auf den Verlauf der Handlung. Es sind Mitch und Matt, die den Kriminalfall um Victoria Leeds aufklären und die Menschen, die sich ihnen dabei in den Weg stellen, sind – bis auf Victoria Leeds selbst natürlich – durchweg männlich*. Leeds jedoch stellt durch ihre kriminelle Energie einen wichtigen Plotmotor dar, vielleicht gar den wichtigsten des ganzen Skripts, und rettet Baywatch daher auch in dieser Kategorie noch ein paar Punkte.
Botschaft
Über Sexismus macht Mann keine Witze.
Gesamtwertung: 3
von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)
Kinostart: 1. Juni 2017
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Würde es dir etwas ausmachen, Dwayne Johnson nicht als „Gorilla“ zu bezeichnen? Das reiht sich in die rassistische Tradition ein, POC als Affen zu bezeichnen. Vielleicht gibt es einen anderen Begriff?
Oh weh… Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Und ehrlich gesagt war mir diese Assoziation bis dato auch nicht bekannt. Ich assoziiere dabei einfach nur Größe und Muskeln. Ich gebe die Frage mal an Dich zurück: Welcher Begriff drückt Deiner Meinung nach dasselbe aus ohne eine rassistische Tradition zu bedienen?
Hm. Ich hatte an „Muskelpaket“ gedacht. Oder „Muskelprotz“? Oder vielleicht „Muskelschrank“?
„Muskelgorilla“ ist ja jetzt auch kein gängiger Begriff, da können wir auch erfinderisch werden. 😉
Mir ist Dwayne Johnson als öffentliche Person einfach viel zu sympathisch (kennst du seinen Instagram-Account?) und für mich klang das einfach zu abfällig.
Also ich mag Gorillas. Voll gerne sogar. 😉
Hallo,
ich finde es wichtig das zu genannten Raßismusvorwürfen nicht nur ausgeweichende Antworten und „Gegenfrage“ (gegen was?) kommt, sondern auch Verantwortung übernommen wird. Das geht gerade schon ziemlich in Richtung Silencing. Nur weil etwas nicht diskriminierend gemeint /gedacht ist kann es das sein und ist es zu oft. Unter anderem deshalb gibt es nach meinem Verständnis eigentlich diesen einmaligen Blog 🙂
Das du Gorillas „voll gerne“ magst macht es nicht weniger raßistisch einen schwarzen Mann exotisierend zu bezeichnen, sondern davor geschriebenes noch schlimmer. Ich will darauf nicht tief eingehen, nach bisherigen Reaktion an Kritik würde ich mich mal mehr mit Exotisierung, White Supremacy und Raßismus allgemein beschäftigen. Eben womit viele POC sich täglich auseinandersetzen müßen. Anspruch auf Gleichberechtigung sollte nicht nur auf eigene Betroffenheiten wie Sexismus angewendet werden, sondern alle Unterdrückungsformen einschließen.
Momentan ist übrigens Black Lives Matter Month
https://www.blacklivesmatterberlin.de/
Da werden auch ein paar gute Filme gezeigt 😉
Liebe_r Unbekannte,
ich fühle mich in Deinem Kommentar ehrlich gesagt ein wenig missverstanden. Den von Deiner Vorrednerin kritisierten Begriff „Gorilla“ habe ich ja bereits gelöscht und ersetzt, weshalb ich nicht recht nachvollziehen kann, inwiefern das für Dich „Silencing“ ist. Ich habe ja sogar noch einen Diskurs über die Wortwahl angestoßen. Das kann wohl kaum unter „Silencing“ laufen. Wie Du richtig erkannt hast, ist Rassismus weniger mein Thema als Sexismus, weshalb ich weniger Übung darin habe, entsprechende Begriff zu erkennen und zu ersetzen. Meine Nachfrage entstand also aus dem ehrlichen Interesse an einem Vorschlag durch eine Person, die offenbar in diesem Themenbereich versierter ist als ich. Ich habe mit keinem Wort sagen wollen (und meiner Meinung nach auch nicht gesagt), dass rassistische Diskriminierung weniger wichtig oder der Begriff „Gorilla“ nicht rassistisch sei, sondern lediglich erklärt, weshalb ich ihn verwendet hatte, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Dass ich ihn umgehend ersetzt habe, zeigt ebenfalls eindeutig, dass ich den Vorwurf nicht zurückgewiesen, sondern angenommen und sofort in die Tat umgesetzt habe. Und ganz ehrlich: Ich darf hoffentlich Gorillas immer noch voll gerne mögen, auch wenn das auf einen Menschen bezogen offenbar ein rassistisch konnotierter Begriff ist. Im Übrigen bezog sich diese Aussage meinerseits nicht auf Dwayne Johnsons Hautfarbe, sondern auf den Kommentar der Vorrednerin, die ihn als sympathisch beschreibt – was ja überhaupt gar nichts mit seiner Identität als POC zu tun hat. Es tut mir leid, wenn ich mit meinem Bild des „Muskelgorillas“ jemandem auf die Füße getreten bin. Es war ganz sicher nicht meine Absicht. Gleichzeitig bitte ich auch um ein wenig wohlwollende Lese meiner Aussagen und Handlungen. Danke.
zu Begriffserklärung, mit POC (People Of Colour) meinte ich eigentlich Menschen* Of Colour (MOC)