Spy – Susan Cooper Undercover
Spätestens seit Brautalarm sorgt Melissa McCarthy auf der Kinoleinwand für Wirbel, erweitert sie doch die Hollywood-Damen*liga durch eine ganz neue Facette. In Spy – Susan Cooper Undercover arbeitet sie nun zum dritten Mal mit Regisseur Paul Feig zusammen und versucht zu beweisen, dass auch dicke Frauen* ihren Platz im Agent_innenfilm verdient haben.
Auch Jude Law kann hier etwas beweisen, nämlich dass er für die Rolle des Superagenten geboren wurden. Als gut gekleideter Schönling Bradley Fine lässt er nicht nur die Frauen*herzen im Publikum höher schlagen, sondern erobert auch seine Kollegin Susan, die seine Einsätze treu und engagiert per Knopf im Ohr am Bildschirm begleitet. Als Fine bei einem Einsatz ums Leben kommt und die Namen aller Superagenten zum Feind durchsickern, ist Schreibtischkraft Susan die letzte Chance der CIA, um der Schurkin Raina Boyanov (Rose Byrne) das Handwerk zu legen. Und Susan selbst kann endlich zeigen, was in ihr steckt.
Bereits Titelsequenz und die ersten Minuten des Filmscores markieren die Agent_innenfilm-Persiflage. Spy – Susan Cooper Undercover nimmt sich mit seinen Überzeichnungen und der wohl dosierten Dosis Slapstick-Humor zu keinem Zeitpunkt ernst, sondern will das Kinopublikum amüsieren und unterhalten. Insofern ist eine Erörterung der Plausibilität von Story und Charakteren an dieser Stelle hinfällig. Die Storyline ist bis auf kleine Länge im dritten Akt geschickt gestrickt und geleitet die Zuschauenden souverän durch den für eine Komödie doch recht lang geratenen Film.
Problematisch ist jedoch die Position, die Spy – Susan Cooper Undercover zu seinen weiblichen* Figuren – allen voran seiner Titelfigur – einnimmt. Auf der einen Seite bemüht sich Paul Feig zentrale Rollen mit Frauen* zu besetzen: Eine gute Frau* kämpft gegen eine böse und selbst die stellvertretende Direktorin der CIA ist eine Dame* (wobei fraglich bleibt, weshalb sie nur die Stellvertreterin sein darf). Die männlichen* Figuren, allen voran Jason Statham als Agenten-Großmaul Rock Ford, bekommen ordentlich ihr Fett weg, werden als Angeber, Vollidioten und verzogene Grabscher dargestellt. Aber dennoch schafft es Spy – Susan Cooper Undercover nicht, sich von traditionellen Rollenmustern zu lösen.
Die Vermeidung des Wortes „dick“ ist geradezu auffällig. Auch wenn Susan von Anfang an als eine Frau* charakterisiert wird, für die sich Männer* in der Regel nicht interessieren und die nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht, wird an keiner Stelle über ihr Gewicht gesprochen. Dieser Auslassung haftet etwas Scheinheiliges an, gerät sie doch immer wieder in Situationen, in denen ihr äußeres Erscheinungsbild eine bedeutende Rolle spielt. Überhaupt kann es Paul Feig nicht lassen, Körper und Kleidung seiner weiblichen* Charaktere durchgehend durch andere Figuren kommentieren zu lassen – egal ob in einem positiven oder negativen Sinne. Damit tappt er in die sexistische Falle der Reduzierung von Frauen* auf ihren Körper. Bis auf einen Kommentar zu Fines üppigem Brusthaar spielt das Aussehen der Männer* nämlich eine stark untergeordnete Rolle.
Bedauerlich ist weiterhin der Humor, der sich aus Fremdscham über Susans Tollpatschigkeit ergibt. Nicht nur ihre Kolleg_innen, sondern auch das Kinopublikum sind schließlich überrascht von ihren Fähigkeiten, was ihre Position als weibliche* Agentin eher schwächt als stärkt. „Schaut was eine dicke Frau* alles auf dem Kasten haben kann“ ist der Subtext des Films, der das Vorurteil, dicke Frauen* könnten dünnen Frauen* oder Männern* in irgendetwas nachstehen, somit auf unangenehme Weise untermauert.
Gleichzeitig legt uns Paul Feig mehrfach nahe, über die sexuelle Belästigung Susans durch einen italienischen Kollegen zu lachen, und bagatellisiert damit ein reales gesellschaftliches Problem. Susan Cooper bleibt eine Witzfigur, über deren Scheitern und Missachtung wir herzlich lachen, die somit aber auch zu keinem Zeitpunkt unseren Respekt einfordert. Mit einem Rollentausch im Agent_innenfilm, selbst innerhalb des Komödien-Genres, hat dies nichts mehr zu tun. So kann auch die willkommene Aufwertung der Frauen*freundinnenschaft und – loyalität hier nichts daran ändern, dass der Film aus feministischer Sicht durchfällt und beweist, dass der Bechdl-Test nicht unser einziger Maßstab sein darf. Den nämlich besteht Spy – Susan Cooper Undercover mit Bravour.
Warum Melissa McCarthy sich für eine solche Rolle zur Verfügung stellt, ob der Umgang mit ihrem Leinwandcharakter ihr vielleicht nicht einmal bewusst ist, bleibe eine offene, aber sehr drängende Frage. McCarthy könnte für einen neuen Frauen*typ stehen, der mit Hilfe der Leinwand Respekt für dicke Frauen* einfordert, sie aus der Nische der Witzfiguren hinaushebt und zu Agentinnen ihres eigenen Lebens werden lässt. Aber wir sind wohl noch nicht so weit, dass eine Frau wie Melissa McCarthy mit vollkommener Selbstverständlichkeit eine taffe Agentin spielen kann. Und Spy – Susan Cooper Undercover wird an diesem Status Quo bedauerlicher Weise auch nichts ändern.
Kinostart: 4. Juni 2015
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[…] die Inszenierung von Schumers Körperlichkeit ein bisschen an Filme mit Melissa McCarthy, wie z.B. Spy: Susan Cooper Undercover, die oft nicht müde werden zu betonen, dass die dicke Figur ja „trotzdem“ begehrenswert sein […]