Priscilla – inwiefern ist Toxische Männlichkeit in diesem Film ein Thema?

Der Begriff der toxischen Männlichkeit stammt ursprünglich aus der mythopoetischen Männerbewegung der 1980er Jahre, die sich für eine ausgeglichene und in sich ruhende Männlichkeit einsetzten, die als deep masculinity bekannt war. Die von Männern ausgehende Gewalt bemerkten sie als einen verzweifelten Hilferuf, die den Bezug zu ihrer Männlichkeit verloren haben und diese entfremdete Männlichkeit „Toxic Masculinity“ nannten. Heute wird der Begriff im Profeminismus verwendet. Hierbei bedeutet Toxische Männlichkeit erst einmal ein destruktives Verhalten von Männern, das nicht nur anderen schadet, sondern auch ihnen selbst. Toxische Männlichkeit bildet sich aus vermeintlichen Vorgaben, wie ein Mann grundsätzlich sein soll. Nebenbei muss „Männlichkeit“ ständig unter Beweis gestellt werden, beispielsweise durch gefährliche Mutproben und Diejenigen, die nicht diesem Stereotyp des „echten Mannes“ entsprechen, diskriminiert und oft lächerlich gemacht werden. Denn, dieser basiert auf Dominanz und Gewalt, er lässt keine Gefühle zu, zeigt keine Schwäche und ist ständig getrieben von seiner animalischen Sexualität. Diese toxischen Rollenbilder werden Männern in ihrer frühen Kindheit beigebracht und später im Erwachsenenleben von der Gesellschaft weiter vorgehalten. Somit bleiben Männer weiterhin auf der Suche nach Halt und Dazugehörigkeit zurück und zerstören sich damit eigentlich nur selbst.

© Mubi/A24

Oft lässt sich auch ein Machtgefälle zwischen Männern und Frauen ablesen, das unter anderem in intimen Beziehungen auffällt. Ein interessantes Beispiel für die Darstellung toxischer Männlichkeit bietet der Film Priscilla von Sofia Coppola, der die komplexe Beziehung zwischen Priscilla und Elvis Presley aufzeigt. Durch verschiedene Szenen wird deutlich, wie toxische Männlichkeit durch Elvis verkörpert, das Leben von Priscilla in mehreren Aspekten beeinflusst. 

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Traditionelle Geschlechterrollen

Rundum werden in Priscilla traditionelle Geschlechterrollen repräsentiert, was heute als ein Aspekt von toxischer Männlichkeit gesehen werden kann. Erst einmal zeichnen sich traditionelle Geschlechterrollen dadurch aus, dass die Frau sich um familiäre Angelegenheiten kümmert und den Haushalt übernimmt, während der Mann für die finanzielle Absicherung der Familie zuständig ist. Dies wiederum ist eng mit patriarchalen Strukturen verknüpft. Hier müssen Individuen sich einer gesellschaftlichen Norm anpassen, um überhaupt als Teil genau dieser Gesellschaft gelten zu können. Im kapitalistischen Patriarchat gilt das männliche Geschlecht als ,wahrer Akteur‘, denn ihm werden Eigenschaften wie die Durchsetzungsfähigkeit der eigenen Person, freie Bestimmung über sich Selbst und die aktive Selbstbehauptung zugeschrieben. Im Kontrast dazu werden Attribute wie Schwäche, Abhängigkeit und Passivität als unmännlich bzw. weiblich konnotiert. In Priscilla wird dies aufgezeigt, indem Priscilla beispielsweise oft mehrere Tage auf Elvis bei ihm zuhause warten muss, bis er von seinen geschäftlichen Angelegenheiten (Filmdreh und Tournee) zurückkehrt, obwohl er sie genau für den Zeitraum zu sich eingeladen hat. Bei einem Telefonat zwischen den Beiden sagt Priscilla, dass sie in der Zeit in einer Boutique in der Nähe arbeiten könnte, um sich etwas dazuzuverdienen. Dies verwehrt Elvis ihr und meint, dass sie sich das aus dem Kopf schlagen sollte und es mit dem Satz „Entweder ich oder Karriere baby. Wenn ich dich anrufe, musst du für mich da sein.“ begründet, obwohl sie sagt, dass es ihr Spaß machen würde. Ein weiterer Moment, wo die traditionellen Geschlechterrollen deutlich werden, ist gegen Ende des Films, wo Priscilla bereits ihre Tochter auf die Welt gebracht hat und als Elvis zu seiner Tournee abreisen möchte, fragt Priscilla wann sie ihn besuchen können, worauf er sagt: „Eine Tournee ist nichts für eine Mutter und ein Baby“. Somit muss Priscilla sich Elvis und seinem Lebensstil anpassen, wobei sie sich ihm unterordnen und ihren eigenen Willen unterdrücken muss. 

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Gewalt und Männlichkeit

Gewalt und Männlichkeit sind oft nicht voneinander zu trennen. Den Ursprung von Gewalt in der Sozialisation von Männern liegt darin begründet, dass Jungen von Anfang an beigebracht wird, dass Gewalt eine Lösung sei. Denn, Gewalt gilt als „übergeordnete Männlichkeit“, während Angst vor Schmerzen nach körperlicher Unversehrtheit als unmännlich gesehen werden. Junge Männer werden von Anfang an in ihrer Selbstentfaltung eingeschränkt, indem ihnen u.a. der Wunsch nach Liebe und Intimität abgesprochen und als unmännlich abgetan werden, weshalb sie in die Rolle von Überlegenheit und Kontrolle gedrängt werden. Zudem müssen sich Jungs im Kindesalter oft der Gewalt von anderen stellen, um ihre Männlichkeit zu beweisen und nicht als schwach dazustehen. Da es so tief verankert ist, bleiben sie oft für immer in Gewaltbereitschaft, da sie es nicht anders kennengelernt haben. Wenn es heißt, in Gefahrensituationen zuzuschlagen sei männlich, dann wird es sich genauso männlich anfühlen, Gewalt an Unschuldige zu verüben. Auch in Priscilla wird insbesondere die körperliche Gewalt zu einem wichtigen Aspekt. Eine Beispielszene, woran man toxische Männlichkeit erkennt, ist als Elvis und Priscilla eigentlich eine Kissenschlacht genießen und nachdem sie ihn trifft, er stärker mit dem Kissen ausholt und sie so umhaut, dass er sie verletzt, während er Priscilla noch anschreit, dass sie „kein verdammter Mann“ sei und er „nicht mit einem verdammten Mann“ spielen möchte. Nachdem das passiert, übt er psychische Gewalt aus, indem er sie manipuliert, sich entschuldigt und sagt, dass sie doch wisse, dass er ihr niemals weh tun würde. Im Laufe des Films zeigt sich jedoch öfter, dass er sein aggressives Verhalten nicht unter Kontrolle hat und trotz Entschuldigungen nichts an seinem Verhalten ändert. Eine weitere Szene zeigt Elvis und Priscilla, wo er Priscilla nach ihrer Meinung eines neuen potenziellen Songs fragt, wovon sie nicht überzeugt ist. Daraufhin schmeißt Elvis einen Stuhl in ihre Richtung gegen eine Wand, woraufhin er sich wieder entschuldigt. Da Priscilla emotional abhängig ist, duldet sie das und glaubt ihm auch, dass sein aggressives Verhalten ein Versehen ist. An den Szenen zeigt sich, wie Elvis nicht anders mit seinen Emotionen umzugehen weiß und dadurch sich und andere verletzt, was als ein Merkmal toxischer Männlichkeit gesehen werden kann.

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Etwas ist “männlich” oder “weiblich”

Um toxische Männlichkeit zu verstehen, muss man erst verstehen, was Männlichkeit überhaupt bedeutet. Denn, so wie Männlichkeit heute definiert wird, ist es vorbestimmt, sich negativ auszuwirken. Gewisse Vorlieben, Verhaltensweisen und Eigenschaften werden nämlich nicht allen Geschlechtern gleichermaßen zugestanden und werden dazu immer mit ,etwas ist „männlich“ oder „weiblich“‘ verbunden. Zudem werden Eigenschaften in „gut“ oder „böse“ unterteilt, obwohl diese wertfrei als menschliche Eigenschaften gesehen werden müssten. Mit Aussagen, wie „Gute Männlichkeit ist nicht feige, sondern mutig.“ (Pickert 2020: 118) und „Echte Männer sind keine Verlierer, sondern Gewinner.“ (ebd.: 118) wird Männlichkeit entmenschlicht. Und vor Angst, den Status des „echten Mannes“ zu verlieren und die einhergehende Verweiblichung des Mannes, ergibt sich, dass alle, die nicht diesem Subjekt entsprechen, abgewertet und im Gegenzug dazu, ein „echter Mann“, Respekt und Anerkennung erfährt. Frauen und Queers werden zur Projektionsfläche für die Bedrohung des eigenen Subjektstatus. Das lässt sich auch in der Szene sehen, wo sich Elvis und Priscilla mit seinen Freunden zum Essen treffen und da über eine bestimmte Frau und einen Mann reden. Elvis bezeichnet die Frau als Riesenweib und sagt dann, dass sie gebaut sei, wie ein Mann und: „[…] keine Hüfte, Schultern breiter als meine. Ich hatte Angst, neben ihr mein Hemd auszuziehen“, woraufhin ein Freund am Tisch meint, dass sie wahrscheinlich schnarche wie ein Mann. Daraufhin reden sie über einen Mann (wahrscheinlich Partner der Frau), wo Elvis sagt, dass er ihn nicht ausstehen könne und sich dann über seine Größe lustig macht. Hier wurde die Frau mit dem Subjekt verglichen und abgewertet und gleichzeitig über einen Mann lustig gemacht, der nicht die ersehene Größe eines Mannes entsprach, um sich selbst in der eigenen vermeintlichen Männlichkeit zu messen. In einer anderen Szene wird Priscilla von Elvis als „aggressiv und anspruchsvoll“ bezeichnet, obwohl nur er diese Eigenschaften aufzeigt und er offensichtlich seine Unsicherheiten auf Priscilla projiziert, was auch wieder als toxisch männlich gesehen werden kann.

Anhand der vorgestellten Dimensionen, worunter patriarchale Strukturen, Gewalt und die Definition von Männlichkeit im Allgemeinen näher beleuchtet wurden, zeigen sich im Film also mehrere Beispiele, wie Macht, Kontrolle und Manipulation in dieser berühmten Beziehung ausgeübt und damit die Schattenseiten traditioneller Männlichkeitsvorstellungen mitabgebildet werden.

 

Quellenverzeichnis:

Posster. Kim. Männlichkeit verraten!: Über das Elend der ‚Kritischen Männlichkeit‘ und eine Alternative zum heutigen Profeminismus. Neofelis, 2023. (Insb. bis einschl. Kapitel III)

Stokowski, Margarete. „Es ist ein Junge„. Die letzten Tage des Patriarchats, 6. Auflage, Rowohl, 2021, Seite 109-112.

Pickert, Nils. „Gewalt ist (k)eine Lösung„. Prinzessinnenjungs: Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien, Beltz, 2020, 108-132.

Von Aufschnaiter, Monika. (2021): „Toxische Männlichkeit“. Respekt. br.de. URL:

https://www.br.de/extra/respekt/toxische-maennlichkeit-rollenerwartungen100.html

zuletzt aufgerufen: 27.8.2024

Böttcher, Sabine (2020): „Nachholende Modernisierung im Westen: Der Wandel der Geschlechterrolle und des Familienbildes“. bpb.de. URL:

https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/316321/nachholende-modernisierung-im-westen-der-wandel-der-geschlechterrolle-und-des-familienbildes/#node-content-title-0

zuletzt aufgerufen: 27.8.2024


Dieser Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Film und Feminismus“ an der TU Berlin im Sommersemester 2024 unter der Leitung von Filmlöwin-Gründer*in Sophie Charlotte Rieger.

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Über die Gastlöw*in: 

Katalina Malitzki, 23 Jahre alt, studiert Kultur und Technik mit Sprache und Kommunikation im Bachelor an der TU Berlin.