Meine harte aber faire Kritik an Plasbergs „Gender-Diskussion“
Nachdem die Hart aber fair Sendung zu den Themen Frauenquote und Genderforschung bereits veritable Aggressionen bei mir ausgelöst hatte, war es wohl eine Mischung aus Neugierde und Alltagsmasochismus, mir gestern die Neuauflage der illustren Runde in der Mediathek anzusehen. Doch ich befand mich durchaus in der Illusion, die Neuauflage mit dem bereits sehr polemisch gewählten Titel Der Gender-Streit: Was darf zu Mann und Frau gesagt werden? wähle einen anderen Ansatz. Stadtessen verursachte die zweite Sendung nicht nur erneut viel Wut, sondern auch eine bedrückende Frustration, die mir auf ihrem Höhepunkt gar Tränen in die Augen trieb.
Ich bin aktive Feministin. Ich widme einen beträchtlichen Teil meiner Zeit dem Kampf um Geschlechtergerechtigkeit. Als Bühne habe ich das Medium Film gewählt, doch ist mein Kampf nicht weniger politisch als der von Beispielsweise Pinkstinks, die sich mit Werbung und gegenderten Produkten auseinandersetzen. Als ein Mensch, der sich mit dem Thema identifiziert, der dazu liest und arbeitet, sich täglich damit auseinandersetzt und Sexismus für ein unterschätztes Problem unserer Gesellschaft hält, sind Frank Plasberg und seine Pseudo-Talkrunde ein Schlag ins Gesicht.Wie kann es sein, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein Thema von derartiger Relevanz so unausgewogen und lapidar präsentiert? Wie kann es sein, dass in einer Sendung, die sich angeblich inhaltlich mit Sexismus auseinandersetzt, Frauen offen angegriffen, unterbrochen und damit diskriminiert werden? Nicht nur ohne dass der Moderator einschreitet, sondern gar durch den Moderator selbst!
Die Redezeit von Anne Wizorek war verschwindend gering. Ein Großteil ihrer Sätze wurde unterbrochen, bevor sie ihre Ausführungen abrunden und damit eine überzeugende Aussage formulieren konnte. Während ihre Autorität insbesondere durch offene Anfeindungen Wolfgang Kubickis untergraben wurde, war die Präferenz des Moderators für den männlichen Feministen Anton Hofreiter mehr als offensichtlich. Dieser durfte ausreden. Es wurde ihm zugehört. Niemals wurden seine Äußerungen auf eine persönliche Ebene heruntergebrochen wie dies bei den Feministinnen der Runde der Fall war, denen unterstellt wurde, beleidigt zu sein, die eigene, private Person nicht vom objektiven Thema trennen zu können und nicht in der Lage zu sein, ihre Position angemessen zu vertreten. Wie mensch ausgerechnet Anne Wizorek vorhalten kann, die Position von Feminismus und Gender-Studies inadäquat zu repräsentieren, ist mir ein absolutes Rätsel, das nur mit der Ignoranz Plasbergs zu erklären ist, der vermutlich noch immer keinen einzigen Blick in ihr BuchDarüber hinaus ist ihre Präsenz in der Runde ein Affront gegen alle, die sich ernsthaft mit der Gender-Thematik auseinandersetzen. Also eigentlich auch gegen Birgit Kelle, die aber jede Unterstützung ihrer zweifelhaften Position so dankbar hinnimmt, dass sie auf Inhalte offenbar keinen Wert legt.
Stellen wir uns doch mal eine Runde zu einem anderen gesellschaftlich relevanten Thema vor. Zum Beispiel… Flüchtlingspolitik. Stellen wir uns vor, Herr Plasberg würde zu diesem Thema eine Diskussionsrunde einberufen. Stellen wir uns weiterhin vor, einer der Teilnehmenden wäre ein geflüchteter Mensch, der sich auf Grund bestimmter Privilegien – wie familiärer Herkunft oder finanzieller Absicherung – nicht diskriminiert oder inhuman behandelt fühlt und darüber hinaus keinerlei Hintergrundwissen zum Thema Flüchtlingspolitik mitbringt. Dessen Anwesenheit also in sich als Argument gelten soll. So unter dem Motto: Wenn sich dieser geflüchtete Mensch nicht diskriminiert fühlt, dann wird sich wohl auch kein_e andere_r so fühlen.Nehmen wir weiterhin an, es befände sich in dieser Runde wiederum kein geflüchteter Mensch, der von einer gegenteiligen Lebensrealität erzählt, und ebenso wenig ein_e Politikwissenschaftler_in, der_die sich kritisch mit dem Thema Flüchtlingspolitik auseinandergesetzt hat. Nehmen wir zudem folgende weitere Teilnehmer_innen an: Ein_e Sprecher_in einer humanitären Organisation, selbst mit Migrationshintergrund, der_dem unterstellt wird, durch die deutsche Flüchtlingspolitik persönlich beleidigt zu sein und Andersdenkende aus reinem Trotz zensieren zu wollen. Ein_e Blogger_in und Aktivist_in, die_der seit Jahren zum Thema Flüchtlingspolitik arbeitet, in dieser Diskussion aber kaum zu Wort kommt und der_dem überdies wiederholt die Kompetenz abgesprochen wird. Eine Person, die ein Buch darüber geschrieben hat, dass Flüchtlingspolitik ein unnötiges und abgedroschenes Thema sei. Und ein_e Jurist_in, der_die keinerlei Respekt vor Menschen mit Migrationshintergrund zeigt, Teilnehmende der Runde beleidigt und die Flüchtlingskrise per se abstreitet. Als einziger Lichtblick in dieser Runde bleibt der_die Politiker_in, der_die – vermutlich auf Grund des fehlenden Migrationshintergrunds – als einzige_r der Kritikübenden tatsächlich zu Wort kommt. Stellen wir uns weiterhin vor, die Rhetorik von Moderator und Sender bestünde in einem süffisanten Lächeln darüber, nun gezwungener Maßen die Möglichkeit einräumen zu müssen, dass die aktuelle deutsche Flüchtlingspolitik vielleicht doch nicht ganz ideal verlaufe.
Vielleicht wird an diesem Beispiel offenbar, was das eigentliche Problem der Gender- und Feminismus-Debatte ist. Die Kritiker_innen des Status Quo, jene also, die unsere Gesellschaft als sexistisch oder gar misogyn wahrnehmen, die einen Handlungsbedarf sehen, müssen immer wieder bei null anfangen. Immer wieder müssen wir erst einmal unsere Daseinsberechtigung belegen, für die Anerkennung des Problems an sich argumentieren. Wir kommen gar nicht dazu, tatsächlich über Wege zur Geschlechtergerechtigkeit zu diskutieren, weil wir immer nur damit beschäftigt sind zu beweisen, dass dieser Weg überhaupt gegangen werden muss. Weil wir immer nur damit beschäftigt sind, auf Anfeindungen zu reagieren, die vom eigentlichen Kernthema ablenken. Weil von uns immer 110% erwarten werden (bloß keine Fehler in der Formulierung, keine logischen Lücken, etc.), während die Gegenseite die größten Unsinnsargumente vorbringt.
So lässt sich keine zielführende Diskussion führen. Weder bei Hart aber fair, noch irgendwo sonst!
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gut gebrüllt, Löwin !
Herr „Bonaparte“ war aber offenbar etwas überfordert………..
Ich habe mir die zweite Aufführung nicht angeschaut. War schon nach der Ersten bedient. Ich denke, es hat einen einfachen wie auch traurigen Grund, warum dass Thema so „lapidar“ präsentiert wird. Es nimmt schlicht kaum jemand ernst.
Oder: Will es ernst nehmen.
Netzfeministinnen wie Frau Wizorek, werden belächelt, angefeindet und mitunter bedroht. Da kann alles was Sie sagt, richtig und wichtig sein. Sie kann noch so gut informiert sein und alles in der Nähe von Perfekt machen. Es wollen nur wenige zuhören.
Und wer das Scheiße findet, gehört halt zu den FemTrollen, der Filterbubble oder ist schon im Kindergarten ein FemNazi gewesen. Plasbergs „Hart aber Quote“ ist eine reine Unterhaltungssendung, die einfach nur laut schreit und das Thema „Gender“ der Lächerlichkeit Preis geben will. Damit der Volldepp vorm Fernseher sich einen ablachen kann.
Danke für deinen Artikel.
Mit bestem Gruß,
Tom
Die Sendung war grundsätzlich wirklich nicht gut. Langweilig, ziellos. Aber deine Argumente sind etwas schwammig wie ich finde. Du witterst im Unterbrechen einer Person automatisch eine Diskriminierung, was aber etwas weit hergeholt ist. Wenn, dann könnte man generell fehlende Debattenkultur bemängeln. Der Grund warum Herr Hofreiter nicht unterbrochen wurde, ist weil er seine Argumente großteils sehr ruhig und sachlich vorbrachte. Plasberg unterbrach Frau Wizorek dann, wenn sie sich in duellierende Dialoge verlor oder vom Thema abkam – was aber für alle Teilnehmer der Sendung gilt, auch in sonstigen Folgen.
Darüberhinaus ist dein Argument, Sophia Thomalla sei nur als Augenschmaus eingeladen worden, in sich auch sexistisch, da du sie auf ihr Äußeres reduzierst. Sie wurde offensichtlich als Gegenposition zu Anne Wizorek eingeladen, da sie ungefähr gleichalt ist, aber eben eine ganz andere Meinung zum vermeintlich so weit verbreiteten (Alltags)sexismus hat und diesen – trotz gleicher Kohorte wie Wizorek – nicht spürt. Wenn der Sexismus so verbreitet und wirkend ist, wie von feministischer Seite angenommen wird, müssten ihn entsprechend ja auch Frauen spüren und darunter leiden, die sich nicht jahrelang mit dem Thema beschäftigt haben. Dass du Thomallas Meinung nicht teilst ist völlig ok, das gibt dir aber nicht das Recht, Leute die diese andere Meinung und andere Lebensrealität vertreten aus der Sendung verbannen zu wollen. Denn der journalistische Auftrag einer solchen Sendung ist auch, unterschiedliche Meinungen abzubilden, sodass sich Zuschauer ein eigenes Bild und Urteil schaffen können.
Darüberhinaus war es im Übrigen vor allem die Frauenbeauftragte, die durch verallgemeinernde, persönliche und klischeehafte Unterstellungen auffiel, beispielsweise als sie zum Thema Unterhalt automatisch annahm, dass Männer ihre armen Frauen für „eine Jüngere“ verlassen, obwohl die Mehrzahl der Scheidungsanträge von Frauen eingereicht werden. Oder als sie Kubickis Frau unterstellte, ihn nur wegen seines Status und seines Gehaltes geheiratet zu haben. Das ist doch auch Sexismus in Reinform, getrieben von einem altmodischen Rollenverständnis – warum störte dich das so überhaupt nicht?
Ich hoffe du verstehst meinen Kommentar nun nicht als „Shitstorm“ oder Misogynistisch oder „Wall of Shame“-Kandidat (was dann eher für eine völlig fehlende Kritikfähigkeit und eine ausgeprägte kognitive Dissonanz spräche, die ich dir aber nicht unterstellen möchte) sondern vielmehr als das was er ist: Ein sachlicher, konstruktiv-kritischer Debattenbeitrag.
Gruß,
Ralf
Lieber Ralf,
zunächst einmal störe ich mich tatsächlich ein wenig an Deinem Tonfall, allerdings erst im letzten Absatz. Das klingt in meinen Ohren, als würde ich alles, was nicht meine Meinung sei, in die „Wall of Shame“-Kategorie schieben, was definitiv nicht der Fall ist. Und sollte hier ein impliziter Vorwurf enthalten sein, möchte ich ihn rigoros von mir weisen. Ich kann einen „sachlich, konstruktiv-kritischen Debattenbeitrag“ durchaus erkennen, wenn ich ihn sehe.
Zu Anne Wizorek: Anne Wizorek war die einzige, die für „vermeintlich“ duellierende Aussagen durch den Moderator zensiert, nämlich unterbrochen wurde. Beleidigungen wie Beispielsweise die Frau Kelles gegenüber der Frauenverbandvertreterin Sybille Mattfeldt-Kloth, wurden in keiner Weise geahndet. Auch liegt bei der Behauptung, Frau Wizorek habe sich ja auch unangemessen verhalten, sowohl die sexistischen Annahme vor, Frauen hätten still und leise zu sein, wie auch die Verwechslung von Ursache und Wirkung. Frau Wizorek wurde so gut wie nie direkt das Wort übergeben. Wenn Sie einmal das Wort hatte, wurde sie unterbrochen. Sie hatte schlichtweg keine andere Chance gehört zu werden. Und hierin liegt ein großes Problem der patriarchalen Gesellschaft. Frauen werden lieber als „hysterisch“ abgetan, anstatt zu hinterfragen, warum sie ihre Stimme erheben!
Zu Sophia Tomalla: NEIN! NEIN! NEIN! Frau Tomalla als Gegenstimme zu Frau Wizorek zu benennen ist eine Beleidigung der letzteren. Frau Tomalla ist interessanter Weise die einzige, die ausschließlich auf Grund persönlicher Befindlichkeiten argumentierte (was ja ausschließlich der Gegenseite vorgeworfen wurde). Frau Wizorek ist eine Frau, die sich auf wissenschaftlicher – also soziologischer und politischer Ebene – mit diesem Thema befasst. Es ist ihr Beruf! Frau Tomalla hat bereits in der ersten Sendung zugegeben, mit den grundlegenden Begriffen und damit auch Themen der Gender-Debatte nicht vertraut zu sein. Damit hat sie sich für diese Runde disqualifiziert. Ein Gegenüber für Frau Tomalla wäre eine Prominente gewesen, die von ihren Erfahrungen mit Sexismus aus einer rein persönlichen Perspektive erzählt (so wie ich dies in meinem Flüchtlingsbeispiel darstelle). Diese Stimme fehlte jedoch vollständig!
Der Sexismus liegt also nicht auf meiner Seite. Nicht ich reduziere Frau Tomalla auf ihr Aussehen, sondern eine Redaktion, die sie zu einem Thema einlädt, über das sie kaum etwas weiß. Damit wird Sophia Tomalla letztlich auf gemeinste Art und Weise vorgeführt. Die Unterstellung, sie wäre wegen ihres Aussehens eingeladen worden, ist nicht Ausdruck meines Sexismus, sondern Ausdruck meines Medienbildes. Das darf natürlich gerne angezweifelt werden.
Deine Argumentation zu der „Frauenbeauftragten“ Mattfeldt-Kloth hinkt leider ebenfalls. Du bringst das Beispiel, sie habe gesagt, Männer würden Frauen für Jüngere verlassen (qualitative Aussage) und widerlegst das damit, dass Frauen angeblich öfter die Scheidung einreichten (quantitative Aussage!). Zudem spricht Mattfeldt-Kloth nicht von Scheidungen, sondern Verlassen. Du vergleichst also Äpfel mit Birnen. Zudem tappst Du wieder in die Falle, Ursache mit Wirkung zu verwechseln. Denn warum reichen Frauen öfter die Scheidung ein? Weil sie schlechte Menschen sind oder vielleicht (nur eine vieler Möglichkeiten) weil sie von ihrem Partner anhaltend betrogen werden? Der Seitenhieb auf Kubicki war bösartig, das räume ich gerne ein. Da Herr Kubicki aber selbst großzügig ausgeteilt hat, habe ich hier wenig Mitleid. Natürlich ist die Annahme, seine Frau habe ihn nur wegen seines Geldes geheiratet, auch sexistisch. Ich habe sie jedoch hier als sehr bewussten sarkastischen Seitenhieb verstanden. Wie gesagt, ob das moralisch ist, ist sicher streitwürdig.
Gruß,
Sophie
Hier legt es echt jemand drauf an im Feminist Fun Friday der Mädchenmannschaft seine Anerkennung zu finden.
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