Kommissar Gordon und Buffy

von Leena M. Peters

Es ist etwas passiert im Wald und Kommissar Gordon ermittelt. Gordon, ein alter Kröterich, kennt das Gesetz des Waldes und er kennt den Bösewicht im Wald: den Fuchs. Als Gordon bei seinen Ermittlungen auf eine Maus trifft, die keinen Namen, kein Zuhause, kein Alter und keinen Beruf hat, nimmt er sie unter seine Fittiche – ab nun heißt sie Buffy, wohnt in der Polizeistation und ist seine Assistentin.

© eksystent distribution Filmverleih

Kommissar Gordon und Buffy von Regisseurin Linda Hambäck, basierend auf den Kinderbüchern von Autor Ulf Nilsson, richtet sich mit dem einfachen, freundlichen Zeichenstil der Illustratorin Gitte Spee und seinem gemächlichen Erzähltempo an die Jüngsten im Publikum. Dabei ist der Film niedlich, ohne süßlich zu werden; wer unter den Eltern eine Pause braucht von den knalligen Farben im binären Geschlechtersystem und der dröhnenden Geschwindigkeit des üblichen Kinderprogramms, kann sich hier erholen. Älteren Kindern kommt diese Zeichentrickversion des Skandinavien-Krimis mit seiner Detektivgeschichte entgegen, denn Rätselraten gerät offensichtlich nie aus der Mode.

Anleitung zum Fragenstellen

Auch bei der Bearbeitung der Thematik behält der Film die Kleinsten im Publikum im Blick. Wie die Haseneltern ihre Kinder gleich in der ersten Szene vor dem Fuchs warnen, so haben auch unsere Kinder von uns und im Kindergarten gelernt, nicht mit Fremden mitzugehen. Diese Gespräche sind eine zwiespältige Angelegenheit, wollen wir Eltern unseren Kindern doch nicht Vorurteile gegenüber fremden Personen im Allgemeinen oder gar Xenophobie eintrichtern – doch glücklicherweise geht es in Kommissar Gordon und Buffy um genau diese Vorurteile. Die Perspektive der kleinen Waldtiere auf den Fuchs, ein Raubtier mit scharfen Zähnen, macht für Kinder nachvollziehbar, wie Andersartigkeit im Aussehen oder Verhalten zu Misstrauen führen kann und mithin Vorurteile entstehen. Weil die Angst der Fluchttiere vor dem Raubtier so natürlich ist, holt Regisseurin Linda Hambäck die Kinder bei den eigenen Instinkten ab und begleitet sie dabei, sich mit ihren vorgefassten, aus dem Gefühl der Bedrohung entstandenen Meinungen genauer auseinanderzusetzen.
An Kommissar Gordon sehen wir dann, wie sich Vorurteile auch in das System einschleichen, das für Gerechtigkeit sorgen soll. Seine Aufgabe ist es, den wahren Täter zu ermitteln, doch auch sein erster Verdacht, noch gänzlich ohne Indizien, fällt auf den Fuchs, den er besonders fürchtet. Indem der Film die gemeinsame Ermittlungsarbeit des alten Kröterichs mit der jungen Maus schildert, verweist er auf die Möglichkeiten, Vorurteile zu hinterfragen und zu differenzieren – kindgerecht, doch ohne schulmeisterlich zu werden: Wie gute Detektive es tun, stellen Gordon und Buffy Fragen und überprüfen Fakten, beobachten und ziehen erst dann ihre Schlussfolgerungen.

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Ein niedlicher Lynchmob

Der zweite Fall, den Buffy als Kommissarin allein lösen muss, empfand ich als gelungene Zuspitzung der Probleme, denn während der Fuchs die verschwundenen Nüsse sicherlich nicht gestohlen hat, ist bei vermissten Tierkindern der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass er tatsächlich der Schuldige ist. Auch die Eltern, die schon von Anfang an ahnen, was Linda Hambäck uns erzählen möchte, dürfen hier noch einmal zweifeln, ob die Geschichte nicht doch eine andere Wendung nimmt. Noch dazu werden sie sich in den Elster-, Eichhörnchen- und Haseneltern vielleicht sogar wiedererkennen, die außer sich vor Sorge nicht mehr auf Beweise und Überführung warten können.

Am Höhepunkt der Ereignisse erzählt Kommissar Gordon und Buffy im Prinzip davon, wie ein Lynchmob entsteht. Die Regisseurin schafft es dabei jedoch weiterhin, beim Weltverständnis der Kinder zu bleiben und sie nicht zu verstören, denn dass die Eltern alles tun, um ihre verschwundenen Kinder wiederzufinden, das können wohl auch die Kleinsten im Publikum verstehen. Für sie mag es tröstlich sein zu sehen, wie die drei Elternpaare sich nach einem Blick auf Buffys gesammelte Indizien zusammentun, um ihren Nachwuchs so rasch wie möglich aus den Händen des Fuchses zu befreien – welche negativen Konsequenzen diese emotionale Reaktion haben kann, rechnen sie sich noch nicht aus. Als Mutter konnte ich mich zwar selbst in der Sorge und Anspannung der Eltern wiederfinden, gleichzeitig jedoch erkannte ich in der aufgeheizten Stimmung zwischen den Tieren die Gruppendynamik besorgter Eltern – oder besorgter Bürger.

Mit der Botschaft, sich nicht von Vorannahmen und Ängsten leiten zu lassen, spricht der Film zeitlose menschliche Problematiken an und ist gleichzeitig aktuell. Nebenbei gelingt es ihm, die Auflösung von Schwarz-Weiß-Denken zu fördern – nicht nur in Bezug darauf, wie wir Andere einschätzen, sondern auch in Hinblick auf die Regeln, nach denen Zusammenleben funktioniert. Kommissar Gordon lehrt Buffy das Gesetz des Waldes und dazu gehört: „Manchmal ist nett sein nicht nett“ – eine Differenzierung, über die Eltern mit ihren Kindern anhand der Geschichte gut sprechen können. Denn manchmal gehört es auch zum Leben dazu, sich freundlich aber bestimmt Gehör zu verschaffen und gewaltfreie Auseinandersetzungen einzugehen, um Probleme aufzuzeigen und zu lösen. Konflikte gehören zum Zusammenleben und wie sie entstehen, wie sie gelöst werden und wie die einzelnen Beteiligten an ihnen wachsen können, zeigt Linda Hambäck ohne Plattitüden.

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The future is…

Aus feministischer Perspektive ist Kommissar Gordon und Buffy durchaus lobenswert. Kommissar Gordon, der alte männliche* Kröterich, repräsentiert-recht freundlich  – das Patriarchat mit seinen eingefahrenen Strukturen und dem Festhalten an Traditionen. Dass es ihm sogar schwerfällt, seiner jungen Assistentin die „wichtigen Amtshandlungen“ wie das Stempeln von Berichten anzuvertrauen, spricht Bände. Buffy tritt zu Beginn des Films für den Kommissar als “Niemandin” auf, da sie ohne Namen, Alter, Wohnung oder Beruf keinerlei Bezugspunkte in Gordons bürokratischem System hat. Wenn sie aber ihren Platz darin einnimmt, bricht sie mit jugendlicher Energie und sicher nicht zufällig als weibliches* Wesen die Starre auf, in der ihr älterer Kollege  verharrt.

In einem Kinderfilm dürfen wir uns denn auch über die glücklichen Entwicklungen und das Happy Ending freuen, ohne zu sehr auf die traurige Realität zu verweisen, in der sich das Patriarchat selten so kooperativ vom Thron heben lässt: Der alte Mann* räumt das Feld, voll Vertrauen in die Fähigkeiten der jungen Frau*. Wenn Buffy ihn später um Hilfe bittet, spiegelt sich in der  Zusammenarbeit der beiden die Möglichkeit des friedlichen Miteinanders, in dem sich die Erfahrung des Alters und die Unvoreingenommenheit der Jugend gegenseitig bereichern.

Der Wermutstropfen an dieser Deutung ist übrigens, dass es mit Gordon das Patriarchat bleibt, das Buffy einen Namen und eine Berufung gibt, ihr quasi eine Identität zuteilt. Denn Buffy existiert ja ganz offensichtlich vor ihrer namentlichen Erfassung durch das System.

Und wer ganz genau aufpasst, merkt auch, wie nonchalant hier Heteronormativität aufgebrochen wird: Ohne weiteren Kommentar oder große Inszenierung stehen die zwei Eichhörnchenmütter gleichberechtigt als Elternpaar neben Vater und Mutter von Hasen- und Elsternkind. Diese selbstverständliche Vielfalt sehen Kinder im wahren Leben leider immer noch zu selten.

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Was sagen die Kinder?

Nun kann ich als Elternteil mit meinem wissenschaftlich getrübten Blick und meinen feministischen Überzeugungen den Film in seine Bestandteile zerlegen und Gründe dafür finden, warum Kinder ihn sehen und gut finden sollten. Tatsächlich entscheidend ist aber doch, was das Zielpublikum zu Kommissar Gordon und Buffy sagt. In unserem Fall vergab das Grundschulkind das Prädikat „liebenswert“ und beteiligte sich interessiert an der Detektivarbeit. Das Kindergartenkind zeigte ebenfalls echte Anteilnahme am Geschehen und äußerte auch Tage später wieder den Wunsch, noch einmal den Film mit dem Frosch und der Maus zu sehen. Das nenne ich einen Qualitätsbeweis.

Kinostart: 28. Februar 2019

Leena M. Peters
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