Blockbuster-Check: Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben
Weil der Bechdel-Test zwar cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehmen wir im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.
Achtung: Aufgrund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein!
Bereits seit Jahrzehnten erfreut sich das Pen & Paper-Rollenspiel Dungeons & Dragons großer Beliebtheit. Darin schlüpfen die Spieler:innen in die Rollen selbst erstellter Charaktere und erleben als Gruppe Abenteuer, die sie im Rahmen bestehender Regelwerke und Kampagnen gemeinsam entwickeln. Die kreativen Möglichkeiten sind schier endlos und in den knapp 50 Jahren seit seiner Entwicklung hat D&D bereits zahlreiche Medien von Videospielen bis hin zu Romanen inspiriert. Mit Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben ist nun ein neuer Film im Franchise in die Kinos gekommen, der sich bei Kritik und Publikum deutlich besser schlägt als seine Vorgänger-Trilogie. Doch wie schneidet er aus feministischer Sicht ab? Dieser Frage gehen wir im Blockbuster-Check nach.
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Held:innen
Wie in jeder guten D&D-Gruppe sind auch die Held:innen von Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die ihre Abenteuer nur gemeinsam, durch die individuellen Stärken aller Mitglieder besteht. Der Barde Edgin (Chris Pine) ist der Kopf der Gruppe, allerdings weniger wegen seiner überlegenen Eignung als Held als weil er die anderen Figuren um sich versammelt und laut eigener Aussage fürs Pläneschmieden zuständig ist. Immer an seiner Seite: die Barbarin Holga (Michelle Rodriguez), die „Frau fürs Grobe“. Gemeinsam gewinnen sie den Halbelf-Zauberer Simon (Justice Smith) und die Tiefling-Druidin Doric (Sophia Lillis) für ihre Sache.
Alle vier Hauptfiguren bekommen im Laufe des Films ihre eigenen Held:innen-Momente. Edgin tut sich im Kampf zwar häufig schwer, heckt dafür jedoch den für den Sieg entscheidenden Plan, sorgt mit seinem Charme für Ablenkung und motiviert die Gruppe an ihrem Tiefpunkt. Zudem macht er gemeinsam mit Simon die einzig nennenswerte Entwicklung durch, indem er seine Fehler eingesteht, daraus lernt und die Gruppe damit inspiriert. Simons wirkt zunächst wie eine Notlösung für die Gruppe — der einzige Zauberer, den Edgin und Holga auf die Schnelle auftreiben konnten —, da weder er noch die anderen Gruppenmitglieder großes Vertrauen in seine Fähigkeiten setzen. Im Laufe des Films gewinnt er jedoch deutlich an Selbstvertrauen, bezwingt den Helmet of Disjunction, ein mächtiges magisches Artefakt, und nimmt es im Zweikampf mit der starken Magierin Sofina (Daisy Head) auf.
Im Gegensatz zu den männlichen Helden müssen Holga und Doric sich nicht mehr beweisen, denn an ihren Fähigkeiten und ihrem Nutzen für die Gruppe zweifelt niemand. Im Gegenteil: Um Dorics Hilfe müssen die anderen Figuren sich regelrecht bemühen. Holga nimmt es im Zweikampf problemlos mit sieben, acht schwer bewaffneten Männern gleichzeitig auf und hilft den anderen so aus der Patsche und hält ihnen den Rücken frei. Dorics Gestaltwandeln wiederum ist für den Plan der Gruppe instrumentell, von der Beschaffung von Informationen bis hin zu gewagten Rettungsaktionen.
Durch ihre bereits zu Beginn starken Fähigkeiten haben beide Frauen leider wenig Raum für eine Entwicklung, wie Edgin und Simon sie haben. Dafür räumt Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben auch auf erfrischende Art mit einigen Geschlechterklischees aus traditionellen Held:innen-Geschichten auf. So ist es mit Holga eine Frauenfigur, die vor allem durch körperliche Stärke brilliert und als Einzige einen (vorübergehenden) Heldinnen-Tod stirbt. Eine ähnlich beeindruckende Nahkampf-Szene hat nur der Paladin Xenk (Regé-Jean Page), der im Film jedoch nicht die Rolle eines Helden sondern die eines NPCs (Non-Playable Character) einnimmt, der der Gruppe nur für einen kurzen Moment zur Seite steht.
Obwohl die Welt von Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben in anderer Hinsicht teils traditionellen Geschlechterbildern zu folgen scheint, spielt Geschlecht für den Held:innen-Status keine Rolle. Nie reduzieren der Film oder andere Figuren die beiden Frauen auf ihr Geschlecht, nehmen sie aufgrund ihrer Weiblichkeit weniger ernst oder sexualisieren sie. Einzige Ausnahme bildet eine Szene zu Beginn des Films, in der ein Mitgefangener Holga sexuell belästig — und sie ihn prompt zusammenschlägt. Damit sind die Fronten geklärt. Hilflose „Jungfrauen in Nöten“ sind Holga und Doric nie. Stattdessen sind häufig sie es, die die Männer aus heiklen Situationen befreien.
Gegenspieler:innen
In Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben gibt es zwei zentrale Gegenspieler:innen: den Rogue Forge (Hugh Grant), der die Gruppe einst aus Gier verraten hat, und die mächtige Rote Magierin Sofina, die mit Forge zusammenarbeitet, jedoch deutlich düsterere Pläne verfolgt. Ähnlich wie die Helden erfüllt auch Forge nicht die klassischen Stereotype für männliche Antagonisten. Statt körperlicher Aggressionen und Machtdemonstrationen konzentriert er sich auf Manipulation und die Rolle des charmanten Blenders; anstelle der klassischen Fantasien von Weltherrschaft, Kontrolle und Unterdrückung geht es ihm primär darum, seinen persönlichen Reichtum zu steigern.
Obwohl Sofina offiziell für Forge arbeitet, ist sie die deutlich gefährlichere Gegnerin und die Gruppe kann sie im finalen Kampf nur mit vereinten Kräften und unter Verlusten besiegen. Während Forge hauptsächlich reiche Menschen bestiehlt, zieht Sofina im Hintergrund die Fäden eines deutlich bösartigeren Plans: Sie will die gesamte Bevölkerung der Stadt Neverwinter mit einer Art Fluch infizieren, der sie zu willenlosen Sklav:innen des Roten Magiers Szass Tam machen würde. Hier liegt leider auch die Schwäche ihrer Figur, denn über Sofinas Geschichte und eine mögliche individuelle Motivation für ihre Taten erfahren wir nichts. Bei aller Macht, die sie im Film über den eingeschüchterten Forge, dessen Palast-Garde und ihre Truppe von Assassinen hat, ist sie letztendlich doch nur eine Anhängerin Szass Tams, die seinen Plan für ihn ausführt.
Geschlechterrollen allgemein
Trotz starker Frauenfiguren wie Holga und Doric scheinen die Geschlechterbilder in der Welt von Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben teilweise recht konservativ zu sein. So übernehmen beispielsweise ausschließlich Männer die Rollen der Gefängniswärter, Palast-Garde und Soldaten auf dem Schlachtfeld. Bezeichnend ist auch Edgins Vorgeschichte, die er zu Beginn des Films zusammenfasst. Über seine verstorbene Frau Zia (Georgia Landers) erfahren wir darin wenig, außer, dass sie anscheinend einen Großteil der Care- und Erziehungsarbeit für die gemeinsame Tochter Kira (Chloe Coleman) übernommen hat, während Edgin beruflich unterwegs war. Nach Zias Tod war Edgin als Vater zunächst überfordert, bis er Unterstützung von Holga erhielt, die fortan eine Mutterrolle für Kira einnahm. Während die Tatsache, dass sie problemlos sowohl Kriegerin als auch Mutter(figur) sein kann, Holga als Figur abrundet, verkörpert Edgin leider zunächst das Klischee des Vaters, der bei der Care-Arbeit auf die Hilfe einer Frau angewiesen ist, als wäre Holga als Frau von Natur aus talentierter im Umgang mit Kindern.
Immerhin thematisiert der Film diese Verfehlungen, wenn auch weniger auf Care-Arbeit als auf Edgins allgemeine Verantwortung als Vater bezogen. Ein wichtiger Teil seiner Charakterentwicklung ist es, statt seiner eigenen Wunschvorstellungen auf die tatsächlichen Bedürfnisse seiner Tochter einzugehen und sich um die Beziehung zu ihr zu bemühen. Dies zeigt sich insbesondere am Ende des Films, als er nicht wie geplant Zia, sondern Holga wieder zum Leben erweckt, die in Kiras Leben die größere Rolle eingenommen hat. Mit dieser Entscheidung betont der Film auch seinen erfrischenden Fokus auf platonische Liebe und das Konzept der Wahlfamilie, denn während Edgin und Holga seit Jahren zusammen leben, arbeiten und Kira gemeinsam großgezogen haben, hat sich zwischen ihnen niemals eine romantische Beziehung entwickelt. Dadurch entgeht Holga dankenswerterweise einem klassischen Problem von Blockbuster-Frauenfiguren, die häufig auf ihre Beziehung zu Männern — z. B. ihre Attraktivität und ihren Wert als romantische Partnerin — reduziert werden.
Edgins positive Entwicklung als Vater steht in einem interessanten Kontrast zu Forge, der Kira nach Edgins und Holgas Festnahme vor Beginn der Filmhandlung aufgenommen und für sie als neue, aber manipulative Vaterfigur fungiert hat. Während Edgin seine Tochter, trotz all seiner Verfehlungen, aufrichtig liebt und alles daran setzt, sie zurückzuholen, enthüllt Forge ein anderes Motiv für seine „Vaterschaft“: Ihm gefällt es, eine Person zu haben, die zu ihm aufschaut und die er nach seinen Vorstellungen formen kann. Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben stellt hier zwei unterschiedliche Interpretationen der Vaterrolle einander gegenüber und sendet die deutliche Botschaft: Nicht die materiellen Güter, die er seinen Kindern bieten kann, sondern sie aufrichtig zu lieben und das Beste für sie zu wollen machen einen Vater zu einem guten Elternteil.
Intersektionalität
Bei all den erfrischenden Frauenfiguren und Geschlechter-Dynamiken ist es umso enttäuschender, dass Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben in Sachen Intersektionalität eher schlecht abschneidet. Sichtbar queere Figuren gibt es zum Beispiel keine, ebenso wenig wie Figuren mit sichtbaren Behinderungen. Gerade eine Fantasywelt, die Elfen, Drachen und sprechende Tierwesen beinhaltet, hätte definitiv mehr an Diversität bieten können. In Sachen race zählt der Film mit Michelle Rodriguez, Justice Smith und Chloe Coleman immerhin mehrere People of Colour zu seinen Hauptdarsteller:innen, auch wenn dieser Aspekt für die Identität und das Leben der Figuren keine Rolle zu spielen scheint. Rassismuserfahrungen thematisiert der Film beispielsweise lediglichin Form der in Fantasy-Settings üblichen Inter-Spezies-Diskriminierung, z. B. durch Holgas gescheiterte Beziehung zu dem Halbling Marlemin (Bradley Cooper), für die ihr Stamm sie verstoßen hat, und die Ablehnung, die Doric von ihren menschlichen Eltern erfahren hat.
Dresscode und Sexappeal
Die Protagonist:innen von Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben sind allesamt normschön und relativ konventionell attraktiv. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass der Film die Figuren nie mit Fokus auf ihren Sexappeal inszeniert. Doric und Holga tragen zwar figurbetonte Outfits, welche jedoch in Anbetracht der oft körperlich anstrengenden Funktionen, die die beiden Frauen im Gegensatz zu den Männern in der Gruppe erfüllen, durchaus pragmatisch sind. Weder auf visueller (z. B. durch die Kamera) noch auf inhaltlicher Ebene betont oder thematisiert der Film die Attraktivität der Figuren, selbst im Fall von Doric und Simon, zwischen denen romantische Anziehung besteht. Antagonistin Sofina wird optisch sogar nahezu „entgendert“, da sich die Roten Magier:innen von Thay, unabhängig vom Geschlecht, mit ihren tätowierten Glatzen, dunklem Augenmakeup und langen, wallenden Umhängen alle optisch stark ähneln.
Dramaturgie
Frauen und Männer haben zwar eine ähnliche Menge an Screentime, doch in vielerlei Hinsicht ist Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben ein von Männern getragener Film. Beispielsweise es Edgin, der zu Beginn des Films die Vorgeschichte der Gruppe — mit Fokus auf sein eigenes Leben — zusammenfasst, dessen Motivation den Ausschlag für das Abenteuer der Gruppe bildet und der die meisten Pläne schmiedet und Entscheidungen trifft. Doric zweifelt zwar zunächst an seiner Eignung als Held, doch zumeist erkennen ihn die anderen Figuren als Kopf der Gruppe an. Sie akzeptieren seine Entscheidungen (z. B. Simon trotz Holgas Zweifeln für die Gruppe zu rekrutieren), befolgen seine Anweisung (z. B. folgt Simon Edings Bitte, der Gruppe seine Zweifel an seinen Fähigkeiten zu verschweigen), bemühen sich um sein Einverständnis (z. B. Xenk um Hilfe zu bitten) und Xenk übergibt den wertvollen Helmet of Disjunction explizit Edgin, obwohl Simon das einzige Gruppenmitglied ist, das ihn überhaupt nutzen könnte.
Zudem hat Edgin mit seiner Beziehung zu Kira den ausführlichsten individuellen Handlungsstrang der Gruppe. Eine ähnliche Entwicklung hat ansonsten nur Simon, der im Laufe des Films sein volles magisches Potential entfaltet. Die Frauenfiguren dagegen dürfen teilweise nicht einmal ihre eigenen Geschichten erzählen. Es sind primär Edgin und Marlemin, die Holgas Vorgeschichte für die anderen Figuren und fürs Publikum zusammenfassen, und Xenk berichtet der Gruppe von den Roten Magier:innen und liefert so den Kontext für Sofinas Plan. Die Magierin selbst bleibt dagegen stets wortkarg und bringt weder ihre persönliche Motivation noch eine Persönlichkeit zum Ausdruck, die sich eindrücklich von der anderer Roter Magier:innen abheben würde. Einzig Doric fasst, wenn auch nur in wenigen Sätzen, zumindest teilweise ihre eigene Geschichte zusammen.
Botschaft
Jede:r kann Held:in sein – Aber nicht jede darf ihre eigene Geschichte erzählen.
Gesamtwertung: 7
von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)
Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben läuft seit dem 30. März im Kino.
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