Lesestoff: Das Monster im Blick
Das Cover zu Das Monster im Blick – Repräsentationen des Weiblichen im Horrorfilm (erschienen im Mühlbeyer Filmbuchverlag) ist ein wenig irreführend, denn in Moritz Rosenthals Essay geht es – wie der Titel schon vermuten lässt – um weibliche, nicht aber um männliche Unholde. Ausgehend von vier verschiedenen feministischen Filmtheorien untersucht der junge Autor sowohl Frauenfiguren im Horrorfilm wie auch den Zusammenhang zwischen dem Weiblichen und der Darstellung des Monströsen. Was erst einmal wie ein fieser sexistische Schachzug klingt, entpuppt sich als durchaus interessante Frage nach der Bedeutung des Monsters. Aufbauend auf den verschiedenen feministischen Theorien beschreibt Rosenthal das Monster im Horrorfilm als eine Verkörperung männlicher Ängste. Ekel und Angst werden als Reaktionen der Abgrenzung von etwas Bedrohlichem uminterpretiert. Damit geht eine interessante Verschiebung der Perspektive einher: Die Frau, im Horrorfilm zumeist als Opfer und passives Objekt präsent, wird in ihrer „monströsen Abstraktion“ zu einer Akteurin. Schließlich nutzt Rosenthal diese neue Perspektive, um die Figur der Mutter in Peter Jacksons Braindead unter die Lupe zu nehmen.
Allein: Die männliche Perspektive bleibt. Die Theorie des männlichen Blicks von Laura Mulvey, durch Rosenthal mit Hilfe verschiedener Filmtheoretikerinnen vorübergehend widerlegt, hat eben doch bestand. Denn auch wenn das Monströse im Horrorfilm als Bild für männliche Ängste vor dem Weiblichen steht, so handelt es sich immer noch um eine Darstellung, die auf das Erleben, Fühlen und Fürchten der männlichen Zuschauer ausgerichtet ist.
Das Monster im Blick lohnt sich aber trotzdem… oder viel mehr genau deshalb. Die einzelnen feministischen Filmtheorien werden verständlich und in angenehmer Kürze vorgestellt, so dass der_die Leser_in mit dem notwendigen Handwerkzeug ausgestattet wird, um eigene Überlegungen und Analysen anzustellen. Der Stil ist akademisch, doch verzichtet Ronsenthal auf das mir persönlich verhasste Fremdwort-Dropping. Und so ist Das Monster im Blick auch ohne kulturwissenschaftliches Studium verständlich. Für die Freizeit-Lektüre zwischendurch eignet sich das Buch allerdings nicht. Ein bisschen Konzentration braucht es schon und ebenso wenig kann es schaden, sich die knapp 100 Seiten in einem Rutsch zu Gemüte zu führen, um dem Argumentationsstrang gut folgen zu können.
Ein bisschen enttäuscht war ich von den fehlenden Bemühungen um eine geschlechtergerechte Sprache. Immer wieder ist ausschließlich von Zuschauern die Rede, was der Frau leider erneut die Rolle als sehende Akteurin – im Gegensatz zum angeschauten Objekt – abspricht. Das ist in Anbetracht des Themas nahezu peinlich.
Dennoch: Mich hat Das Monster im Blick neugierig gemacht. Und das obwohl ich eigentlich gar keine Horrorfilme mag!
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