Kritik: Verliebt, verlobt, verloren

Regisseurin Sung-Hyung Cho fiel mir erstmalig durch ihren Debutfilm Full Metal Village auf, in dem sie die Bewohner_innen des beschaulichen Örtchens Wacken über den alljährlichen Heavy Metal Festival Exzess in ihrer Nachbarschaft interviewte. Ein recht ungewöhnliches Thema für eine junge koreanische Frau, dachte ich. Obwohl es eindeutig zu kurz gegriffen ist, eine Künstlerin thematisch auf ihre Herkunft zu reduzieren, freute ich mich doch, dass Sung-Hyung Cho mit Verliebt, Verlobt, Verloren nun ihre südkoreanischen Wurzeln nutzt, um ihrem Publikum Einblicke in sehr persönliche Lebensgeschichten zu geben.

© Kundschafter Filmproduktion

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Verliebt, Verlobt, Verloren erzählt von Frauen aus der ehemaligen DDR, die sich in den 50er Jahren in nordkoreanische Gaststudenten verliebten, sie zum Teil heirateten und eine Familie gründeten. Die zärtlichen Liebesgeschichten finden ein jähes Ende, als sich der gemeinsame Nenner ihrer Herkunftsländer, der Kommunismus, in zwei Lager aufteilt und die Koreaner kurzerhand und kompromisslos aus Deutschland abgezogen werden. Auf Grund der schwierigen politischen Lage in Nordkorea haben die zurückgebliebenen Frauen und ihre Kinder keinen Kontakt zu den Vätern, wissen oftmals nicht einmal, ob diese noch leben.

Sung-Hyung Cho kommt mit den Betroffenen ins Gespräch. Mit einem nostalgischen Lächeln auf den Lippen erzählen die in die Jahre gekommenen Frauen von ihrer ersten großen Liebe, von heimlichen Begegnungen und Beziehungen, die wohl gerade auf Grund ihres Skandalpotentials großen Zauber entfalteten. Anrührend sind diese Momente, können wir uns doch alle mit diesen Geschichten und Gefühlen identifizieren. Umso erschütternder gestaltet sich der Verlauf des Films, wenn der Schmerz über die erzwungene Trennung zu Tage tritt. Tränen fließen bei den Müttern wie bei den Kindern. Insbesondere letztere fühlen eine tiefe Sehnsucht, ihren Vätern näher zu kommen. An eine echte Begegnung glaubt kaum eine_r von ihnen.

© Kundschafter Filmproduktion

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Drei der Kinder, die inzwischen selbst Eltern sind, tun sich für eine Reise nach Nordkorea zusammen. Diese Passagen gehören zu den eindrücklichsten Momenten in Verliebt, Verlobt, Verloren. Die Tagebuchaufzeichnung einer Protagonistin, von ihr selbst mit den entsprechenden Emotionen vorgetragen, begleiten die Amateuraufnahmen der unter strenger Überwachung durchgeführten Rundreise. An die vermeintlichen Wohnorte der verlorenen Väter gelangen die Kinder nicht. Und doch finden sie in der Begegnung mit der nordkoreanischen Lebenswelt ein gewisses Maß an Frieden.

Sung-Hyung Cho untermalt den Bruch in ihrer Dramaturgie – den Übergang von Liebes- zu Leidensgeschichte – auch durch ihre Inszenierung. Zu Beginn illustriert sie die Begegnungen der deutschen Frauen mit den koreanischen Männern durch liebevolle Animationen, die mit deutschen Schlagern der 50er Jahre untermalt sind. Nach und nach macht diese fröhliche Stimmung dann wachsender Tragik Platz.

© Kundschafter Filmproduktion

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Doch Sung-Hyung Cho will keine Tränen erzwingen, kein Betroffenheitskino produzieren. Es gehört vielleicht zu den stärksten Leistungen von Verliebt, Verlobt, Verloren, dass der Film ein sehr hoffnungsfrohes Ende findet. Kein tatsächliches Happy End, aber doch ein positiver Ausblick, der noch immer offen genug ist, um nicht konstruiert zu wirken. Dennoch bleibt Chos Themenwahl sehr speziell. Verliebt, Verlobt, Verloren gibt Einblick in ein weitgehend unbekanntes Kapitel der ostdeutschen Geschichte, kann aber außenstehende Zuschauer_innen nur sehr bedingt abholen. Es bleibt ein kleiner, aber feiner Film, der – obwohl gut gemeint – die Kinoleinwand doch nicht ganz füllen kann.

Kinostart: 25. Juni 2015

Sophie Charlotte Rieger
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