Serena – Wenn frau zu viel Mann sein will

Ich kann nicht umhin, Susanne Biers Serena vor dem Hintergrund ihres Krimidramas Zweite Chance zu betrachten, das am 14. Mai 2015 ins Kino kommt. In beiden Filmen irritiert mich der Fokus auf eine männliche Hauptfigur im moralischen Konflikt mit sich selbst, dem eine Charakterisierung der weiblichen Nebencharaktere als hysterisch und diabolisch gegenübergestellt wird. Auch spielen beide Filme in Männerdomänen: Was in Zweite Chance die Polizei ist, ist in Serena eine Westernstadt, die im Jahr 1929 eigentlich gar keine mehr ist. Die sogenannte Frontier zwischen Zivilisation und Wildnis, hinter der sich der klassische Westernheld durch Abenteuer bewährte, existiert ja schon seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr.

© Studiocanal

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Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Held Pemberton (Bradley Cooper) nach Brasilien auswandern will. Dort gibt es nämlich noch „jungfräulichen“ Wald, den Nordamerika nicht mehr bieten kann. Und Jungfrauen zu entjungfern, das ist es doch was ein Mann will!  Ja, er ist ein echter Kerl dieser Pemberton, oder versucht es zumindest zu sein. Unbedingt möchte er einen Puma erlegen, obwohl nicht sicher ist, ob diese Tiere in seiner Gegend nicht gar schon ausgerottet sind. Pemberton ist nicht nur ein einfacher Holzfäller, sondern der Oberboss aller Holzfäller, der sich aber selbst nicht zu schade ist, ebenfalls höchstmännlich die Axt zu schwingen und seine Angestellten in letzter Sekunde aus lebensgefährlichen Situationen zu retten. Was für ein Mann!

Und weil ein perfekter Mann eben auch eine perfekte Frau braucht, tritt die bildhübsche Serena (Jennifer Lawrence) auf und heiratet ihn, ohne dass wir diese Entscheidung auch nur im Entferntesten nachvollziehen können. Vielleicht ganz einfach deshalb, weil er so ein tierisch geiler Kerl ist. Serena ist eine ungewöhnliche Frau, weil sie lieber eine Geschäftspartnerin als das Weibchen an der Seite ihres Gatten sein möchte. Weil sie lieber mit den Holzfällern rumhängt als mit den Damen bei einer gesitteten Tasse Tee. Und weil sie ebenfalls Menschen in letzter Sekunde retten kann.

© Stidiokanal

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Aber nichts ist perfekt. Eigentlich ist Pemberton nämlich gar kein so geiler Kerl. Ohne seinen Freund Galloway (Rhys Ifans) kann er einen Puma nicht mal aufspüren, geschweige denn erschießen. Er wird ständig von seinen Mitarbeitern hintergangen und ist gezeichnet von der Sehnsucht nach seinem unehelichen Sohn Jacob.

Das können wir verstehen. Nicht mit seinen Kindern zusammen sein zu können ist extrem uncool. Noch viel uncooler ist aber, was der guten Serena passiert. Frei nach dem Motto „Wenn frau ein Kerl sein will, dann aber bitte mit allen Konsequenzen“ erleidet sie eine Fehlgeburt und ist fortan unfruchtbar, was sie – natürlich – zur gefährlichen und unberechenbaren Furie werden lässt. Happy End adé.

Das könnte alles ein bisschen temporeicher erzählt und überzeugender ausgestattet sein und befindet sich insgesamt eher auf TV-Film-Niveau. Serena bietet keinen Anlass für Jubelschreie, aber auch nicht für Wutausbrüche.

Aber, aber, aber… Was mich an Serena furchtbar irritiert, ist die männliche Perspektive. Der Held, für den wir Sympathie und Mitgefühl aufbringen, ist freilich männlich. Serena, obwohl Titelgeberin, ist lediglich eine durch ihre Funktion charakterisierte Figur, die das Drama des Helden ankurbeln soll. Der Film arbeitet nicht nur mit dem „Heilige-Hure-Paradigma“ (Serena als Hure, ihre Konkurrentin Rachel, die gebärfreudige Ex, als Heilige), sondern favorisiert mit Serenas emotionalem Absturz auch ganz klar die brave Rachel. Es gehört sich eben einfach nicht, mit den Holzfällern zu arbeiten. Wäre die gute Serena brav beim Tee mit den Damen geblieben, wäre ihr dieses traurige Schicksal erspart geblieben. Zweifelhaft auch die logische Verknüpfung von Verlust der Fruchtbarkeit und aggressivem Irrsinn, der das traditionelle Bild der gesunden Frau als Mutter noch einmal untermauert. Auch hier wieder finden sich Parallelen zu Zweite Chance, als hätten wir es mit einer thematischen Reihe zu tun.

© Studiocanal

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Aber auch Pemberton kommt nicht gut weg in dieser Logik, hat er sich doch ganz offensichtlich mit der taffen Serena für die falsche Frau entschieden. Seine ehemalige Liebhaberin und das gemeinsame, uneheliche Kind im Stich zu lassen, ist eine Sünde, für die er büßen muss. Er ist eben doch gar kein ganzer Kerl, sondern ein ziemlich rückratloser Möchtegern-Westerner, der nicht wahrhaben will, dass sich die Welt verändert, weiterentwickelt und er als Holzhändler an der Vernichtung der „jungfräulichen Natur“ höchstselbst einen entscheidenden Anteil hat. Peinlich. Eigentlich ist er ja selbst der letzte Puma, der durch eine Wildnis streift, die eigentlich schon lange keine mehr ist. Und so muss die Jagd nach dem wilden Tier auch seine eigene bedeuten.

In Serena gibt es jede Menge Verlierer_innen, aber keine Gewinner_innen. Vielleicht noch am ehesten Rachel und ihr Sohn, die das einzig Richtige tun und den Nicht-Ort des Geschehens – die Westernstadt, die keine ist – verlassen, ohne ein einziges Mal zurückzublicken.

All das tröstet aber nicht über die Eindimensionalität der hysterischen Hauptfigur hinweg, ein wandelndes bösartiges Klischee der „männlichen“ Frau, vor der sich letztlich alle zu Recht gefürchtet haben. Liebe Susanne Bier: Muss das sein?

DVD-Verkaufsstart: 7. Mai 2015

Sophie Charlotte Rieger
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