Filmkritik: Am Ende ein Fest

Wann ist ein Leben lebenswert? Und haben wir als Menschen das Recht, ein vermeintlich nicht lebenswertes Leben zu beenden? Um diese und andere ethische Fragen kreist die aktuelle Euthanasie-Debatte. Ein ernstes Thema, an dem sich die Geister scheiden und das schon in so manchem Drama (Das Meer in mir, MieleHin und Weg) auf der Kinoleinwand verhandelt wurde. Das israelische Regie-Duo Tal Granit und Sharon Maymon wählt für dieses ernste Thema jedoch einen ganz anderen Ansatz und erzählt in Am Ende ein Fest (OT: Mita Tova) eine überraschend lustige Geschichte zum Thema Sterbehilfe.

© Neue Visionen

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Das Ehepaar Yehezkel (Ze’ev Revach) und Levana (Levana Finkelstein) lebt in einer Seniorenresidenz. Die Nachbarn sind schon lange zu engen Freunden geworden. Man unterstützt sich mit Trost und Zuspruch ebenso wie mit Taten. Als der schwerkranke Ehemann einer Bekannten um Erlösung bittet, erklärt sich der ehemalige Ingenieur Yehezkel daher dazu bereit, ihm durch die Konstruktion einer Sterbehilfemaschine in den Tod zu helfen. Trotz emsiger Bemühungen, diese riskante Aktion geheim zu halten, macht die Nachricht schnell die Runde und immer mehr Menschen wenden sich in ihrer Verzweiflung an Yehezkel und seine Mitstreiter_innen, um einem geliebten Menschen ein sanftes Dahinscheiden zu ermöglichen. Im Trubel der Ereignisse jedoch droht Yehezkel die fortschreitende Demenz seiner Ehefrau völlig zu unterschätzen.

Tal Granit und Sharon Maymon inszenieren ihre Geschichte von der ersten Minute an sichtbar als Komödie. Der Film beginnt mit einer alten Dame, die tröstende Telefonanrufe Gottes erhält, hinter denen sich jedoch der fürsorgliche Yehezkel verbirgt. Bereits diese erste Szene ist reich an jenem sanften und respektvollen Humor, der sich fortan durch die gesamte Geschichte zieht. Dabei sind es auch die Bildkompositionen, die Komik erzeugen. Mit viel Gefühl für Farbe, Form und Symmetrie erschaffen Granit und Maymon ironisch wirkende Tableaus, die dem Zuschauer trotz aller Tragik der Handlung ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. Die humoristische Brechung der Geschichte bietet zudem eine willkommene Distanz von den bedrückenden Ereignissen. Es ist wohl die größte Stärke von Am Ende ein Fest, dass der Film trotz aller Komik niemals Gefahr läuft, sein Thema zu verlachen. Granit und Maymon bewahren sich den Respekt vor ihren Charakteren, nehmen ihre Probleme, Sorgen und Sehnsüchte durchweg ernst und ermöglichen es damit auch dem Publikum, sich in die Situation der Protagonisten einzufühlen. So kann Am Ende ein Fest trotz des hohen Alters seiner Figuren auch ein junges Publikum unterhalten und berühren.

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Der Umgang mit dem Thema Alter geschieht hier sehr respektvoll. Am Ende ein Fest benennt die Hürden im Alltag der Senior_innen, ohne sie übertrieben hilflos oder überfordert wirken zu lassen. Vor allem im Umgang der Eheleute miteinander offenbart sich beeindruckende Zärtlichkeit und Intimität. Dabei schrecken die Regisseur_innen auch vor der Sichtbarmachung gealterter Körper nicht zurück, was ihrer Inszenierung besondere Kraft und zugleich Natürlichkeit verleiht.Am Ende ein Fest ist ein durchaus mutiger Film, in dem alte Männer homosexuelle Neigungen entdecken und ausleben und sich Senioren mit Marihuana und Freikörperkultur gegenseitig aufmuntern. Der Blick der Kamera ist bei all dem niemals voyeuristisch, sondern stets beobachtend und rahmend. Yehezkel und seine Freunde sind nicht lächerlich, sondern vor allem unglaublich liebenswert.

Tal Granit und Sharon Maymon beziehen mit ihrem Film sehr eindeutig Stellung und fordern damit anders denkende Zuschauer_innen heraus, ihre Position zum Thema Sterbehilfe noch einmal zu überdenken. Das ist insbesondere hinsichtlich des Ausgangs der Geschichte problematisch, da dieses die Frage nach der Legitimität von Euthanasie noch einmal beträchtlich ausweitet. Dass Am Ende ein Fest damit einen kleinen Schritt zu weit geht, ist bei einem derart gelungenen Film jedoch leicht zu verschmerzen.

Kinostart: 24. September 2014

Sophie Charlotte Rieger
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