Filmfest Dresden 2021

2700 Einreichungen aus über 100 Ländern sind dieses Jahr beim Filmfest Dresden eingegangen; daran zeigt sich auch wie schon bei anderen Festivals, dass die Filmproduktionen auf gleichem Level weiterlaufen deutlicher Unterschied zu vorher allerdings die häufig sichtbaren Alltagsmasken. Bereits 2020 musste das Filmfest von seinem angestammten Termin im April verschoben werden: Das Programm war im März schon komplett geplant, als der Lockdown beschlossen wurde und fand dann in Hybrid-Form im September statt. Es sind jetzt, wie auch im vergangenen Jahr, digitale Angebote geplant, Co-Direktorin Sylke Gottlebe hat dabei aber immer betont, dass das Filmfest Dresden als klares Publikumsfestival nicht ausschließlich online stattfinden könne, dahinter stehe auch ein Gedanke der Solidarität an die Kinos. 

 370 Kurzfilme aus 64 Ländern werden Open Air und in den Kinosälen laufen. Die Preissumme von 70.500 Euro macht das Festival dabei zu einem der höchstdotierten Kurzfilmfestivals  in ganz Europa. Die Kategorie „voll politisch“ der Landeszentrale für politische Bildung ist neu hinzugekommen sowie die Auszeichnung durch den Verband der deutschen Filmkritik. Zum vierten Mal verliehen wird der LUCA-Filmpreis für GeschlechterGerechtigkeit, in diesem Jahr in der Jury dabei: Filmlöwin Sophie Brakemeier!

© DEFA Stiftung Helmut Krahnert

Neben den sechs internationalen und fünf nationalen Wettbewerbsprogrammen___STEADY_PAYWALL___ gibt es regionale Schwerpunkte, etwa in der 15. Jubiläumsausgabe Québec, und einen Fokus auf Aktivismus als künstlerische Praxis. Fortgesetzt wird die Retrospektive „Poetisch.Politisch.Renitent.“ aus dem Jahr 2020, die sich nun mit Regisseurinnen der DEFA, darunter Helke Misselwitz, und dem unabhängigen Film in der DDR beschäftigt. Erinnert wird außerdem an die 2020 verstorbene Animationsfilmkünstlerin Sieglinde Hamacher, die mit ihrem scharfsinnigen,  humorvollen Filmen häufig in Konflikt mit den Behörden geriet.

Aktivismus ist ein Wort, dass sich aus mehreren Perspektiven her einkreisen lässt, besonders aus einer Zeit des Stillstands kommend. Der Aufbruch brennt unter den Nägeln, aber wohin kann es gehen? Wenn dabei die inneren Bilder eines Roadtrips auftauchen, brausen die diesjährigen Filme eher eine nebelverhangene Straße in einem David Lynch-Film hinab, fasst Ricardo Brunn aus der Auswahlkommission die Stimmung zusammen. In einer weiten Bandbreite politisch und über sich selbst hinausreichend, wobei hier angenehm auffällt, dass Animations- neben Dokumentar- neben Spielfilm programmiert wird. Der Mensch als Veränderer taucht dabei oft mit dem Fokus auf eine technologisierte Zukunft auf. 

© Filmfest Dresden

Häufig sind hier Tiere schon ganz verschwunden: Elisa Gleize entwirft in Mex And The Animals etwa eine virtuelle Welt voll grober Rekonstruktion dessen, was einmal eine reiche Tier- und Pflanzenwelt gewesen ist. Durch sie wandelt Mex, ein Cyborg voller Sehnsucht nach diesen Wesen, die er nur aus dem Automaten kennt. Jeanne Meyer wird in BBQ noch eine Spur schärfer und skizziert einen dystopischen Überwachungsstaat, in dem es keine Tiere gibt und Menschen ihr Fleisch teuer verkaufen können „Hier“ ist Freiheit eine riskante Sache. Deshalb will Protagonist Alex nach „Dort“, wo alles anders ist,  der ganze Film ein wilder Mix aus Science-Fiction Referenzen, Computerspiel, Musical und Gesellschaftssatire.

Der nationale Wettwerb kreist etwas enger, oft geht es um Familienthemen, etwa die Balance von Care-Arbeit und Sorgeverantwortung mit dem Beruf, den eins liebt, im Fall von Vivien Hartmanns Elli ist das DJane. Die absurde Widersprüchlichkeit des Aktivismus bringt Anne Isensee in Dieser Film Heisst Aus Rechtlichen Gründen Breaking Bert fein gezeichnet auf den Punkt, die Hauptfigur wird ganz unvorbereitet zuhause durch eine zufällige Brecht-Lektüre mit der eigenen politischen Verantwortung konfrontiert, es gilt etwas zu tun! Zumindest um nicht auf der falschen Seite der Dinge zu landen.

© Filmfest Dresden

Die Sonderprogramme sind rund um den Schwerpunkt Aktivismus kuratiert: Aysun Bademsoy-Petzold thematisiert in vielen ihrer Filme den strukturellen Rassismus in Deutschland, sehr eindrucksvoll zum Beispiel in Spuren – Die Opfer Des NSU. In weiteren Werken beschäftigt sie sich mit Familienstrukturen und Gender Identitäten. Das Filmfest Dresden zeigt ihre kurze Dokumentation Ein Mädchen im Ring aus dem Jahr 1996, im Mittelpunkt steht die deutsch-türkische Schülerin Fikriye Selen aus Köln, die als einzige Frau im Sportstudio boxt. 

Die pointierte Themenauswahl des Filmfest Dresden beweist eindrücklich, dass trotz Corona die Auseinandersetzung mit aktivistischen und utopischen nicht enden darf. Das Filmfest findet vom 13.-18.07.2021 in den Kinosälen und Open Air statt.

 

 

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