Ex Machina – Die Rache der Frauen

© Universal

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Ein Blick auf das zeitgenössische Kino legt den Gedanken nahe, dass die Menschen sich dieser Tage wieder besonders stark mit der Idee der künstlichen Intelligenz auseinandersetzen. Dabei stehen die Maschinen nicht mehr als potentielle Unterdrücker und Aggressoren im Vordergrund, wie dies in den 80ern und 90ern in Terminator oder Matrix der Fall war, sondern zunehmend als emotionale Wesen. Die Geschichten handeln nicht nicht mehr nur von künstlicher Intelligenz, sondern vor allem von künstlichen Gefühlen beziehungsweise der Frage nach der Beschaffenheit und Reproduzierbarkeit von Emotion. So ging zum Beispiel Her der Frage nach, ob ein körperloses, rein virtuelles Wesen der Liebe fähig sein könne. In Chappie wurde unter anderem die durch ein Trauma beeinflusste Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes im sozialen Brennpunkt anhand des titelgebenden Roboters nachvollzogen. Und nun widmet sich Ex Machina dem emotionalen Potential eines weiblichen Roboters.

Ein junger Mann von der Sorte „sozial marginalisierter Nerd“ (Domhnall Gleeson als Caleb) gewinnt in einer Mitarbeiterlotterie und darf Nathan (Oscar Isaac), seinen Boss und Erfinder einer weltberühmten Suchmaschine (ohne Frage ein Google-Abbild), persönlich kennenlernen und bei einem streng geheimen Forschungsprojekt unterstützen. An der künstlichen Intelligenz „Ava“(Alicia Vikander) soll Caleb einen Turing-Test durchführen, also untersuchen, ob die Roboter-Frau ein menschliches Denkvermögen besitzt.

Aber Ava ist nicht nur ein Roboter, sondern auch eine Frau. Ihre sexuelle Identität wirkt sich stark auf die Handlung aus und ist keinesfalls beliebig. Denn es geht in Ex Machina nicht nur um die Unterscheidbarkeit von künstlicher und menschlicher Intelligenz, sondern auch um das Verhältnis zwischen Schöpfer und Schöpfung, zwischen Voyeur und Objekt sowie zwischen Mann und Frau.

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Ava besitzt ein Gesicht, sowie Hände und Füße. Ihre sekundären Geschlechtsmerkmale sind bedeckt, doch Gliedmaßen und Bauchraum gestalten sich transparent und erlauben direkte Einsicht in ihr maschinelles Innenleben. Der Blick der beiden Männer, die sie begutachten, so wie der des Kinopublikums kann so auf unangenehme Weise in Ava eindringen und wenn sie sich schließlich mit Kleidung zu bedecken beginnt, wirkt dies geradezu erleichternd. Denn es steht ihr zu, sich zu bedecken, sich vor Blicken zu schützen, eine Grenze zwischen sich und den anderen zu errichten. Sich als Subjekt zu definieren.

Doch Ava ist nicht nur durch ihre physische Transparenz das Objekt männlicher Blicke. Sie befindet sich auch in einem gläsernen Gefängnis, in dem sie zusätzlich per Videoüberwachung ständig von Nathan und Caleb beobachtet werden kann. Sie besitzt keine Privatsphäre und keine Freiheit. Sie existiert ausschließlich für die Blicke der Männer, für ihre Forschung, für ihren wissenschaftlichen Triumph. Vielleicht gar für ihr sexuelles Vergnügen?

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Ich glaube nicht, dass die Figurenkonstellation auch andersherum, mit zwei Forscherinnen und einem männlichen Roboter, funktionieren würde, weil das Bild des Schöpfers noch immer männlich konnotiert ist, weil das sehende Auge noch immer der Mann, das angeschaute Objekt in der Regel noch immer die Frau ist. Es sind diese patriarchalen Strukturen, die Ex Machina uns im Gewand eines Science Fiction Szenarios sehr deutlich vor Augen führt.

Aber da ist noch etwas anderes: Ava ist nicht nur das hilflose Opfer. Es geht von ihr auch eine diffuse Bedrohung aus. Ist der künstlichen Intelligenz wirklich zu trauen? Hat sie tatsächlich Gefühle oder ist sie nur besonders gut darin, diese vorzutäuschen? Ihre Fähigkeit zur Manipulation wäre letzten Endes nicht nur der ultimative Beweis ihrer „Menschlichkeit“, sondern auch die Zementierung eines weiblichen Stereotyps der Intriganz und Täuschung. Aus der Angst vor der Maschine in Matrix und Terminator ist hier also die Angst vor der Frau bzw. eines stereotypen weiblichen Prinzips geworden. Diese Angst existiert jedoch nicht im luftleeren Raum. Die Frau ist nicht per Definitionem ein bösartiges Wesen, dessen Freiheit eine Bedrohung für den Mann bedeutet. Es ist viel mehr ihre berechtigte Rache, vor der Mann sich fürchtet. Die Rache für Freiheitsberaubung, Missbrauch und Objektifizierung. Für das jahrelange (jahrhundertelange?) Machtungleichgewicht und den Machtmissbrauch des Patriarchats. Für die männliche Arroganz, sich der Frau stets überlegen zu fühlen und daraus ein Naturrecht auf Unterdrückung abzuleiten. Für die Anmaßung, die Welt ausschließlich an männlichen Maßstäben und mit Hilfe männlicher Paradigmen zu messen und zu beurteilen.

Im Kern ist Ex Machina deshalb eine ziemlich clevere Rape Revenge Fiction, der ich hiermit mein Prädikat „emanzipatorisch wertvoll“ verleihe.

Kinostart: 23. April 2015

Sophie Charlotte Rieger
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