Drei Gedanken zu: Challengers
Achtung: Dieser Text enthält Spoiler!
Tashi (Zendaya) ist der nächste Star am Tennishimmel. Art (Mike Faist) und Patrick (Josh O’Connor) sind unzertrennlich und spielen ganz annehmbar Tennis. Dreizehn Jahre später sind die drei immer noch miteinander verbandelt. Allerdings spielt Tashi nach einer Verletzung kein Tennis mehr, coacht dafür aber Art und hat ihn geheiratet. Patrick lebt in seinem Auto. Bei einem Challenger-Turnier treffen die Ex-Freunde (jetzt: Rivalen) aufeinander. In Challengers inszeniert Regisseur Luca Guadagnino diese Dreiecksbeziehung / Sportfilm gewohnt ästhetisch und mit einer ordentlichen Prise Melodrama.___STEADY_PAYWALL___
Das Internet ist außer Rand und Band: Challengers hier, Challengers da. Noch nie war Tennis so aufregend, so spannend, so sexy. Wo das Internet Recht hat, hat es Recht.
Kaugummi kauen, Churros essen, einen Aufschlag ausführen – jede Geste, jeder Satz, jede Einstellung ist doppeldeutig. Es ist übertrieben, es ist aufregend, es macht Spaß. Ein bisschen wie der Soundtrack: yeah, yeah, yeah, y-y-yeah, yeah, y-y-yeah.
Challengers ist sexy und albern – und tragisch. Er erzählt von festgefahrenen Rollen, von beklemmender Monogamie und davon, wie es sich anfühlt, wenn es im Leben nur eine Laufbahn gibt.
Noch keine Tragödie: Rivalität und Anziehung
Die klassische Dreiecksbeziehung im Film ist so floskelhaft wie langweilig und eigentlich auch kein richtiges Dreieck, es hat nämlich in der Regel keinen Boden (∧). Zwei Männer, freundschaftlich verbunden, kämpfen um die Gunst einer holden Maid. Die kann sich zwischen den beiden nicht entscheiden, was eigentlich auch egal ist, weil sie eh nur Objekt der Begierde, fleischgewordene Trophäe ohne eigene Bedürfnisse ist.
Nicht so in Challengers. Von Anfang an ist klar, wofür Art und Patrick dreizehn Jahre und unzählige Tennisturniere brauchen: Sie schmachten nicht nur der gleichen Frau hinterher, sondern auch einander.
Damit macht Challengers explizit, was in unzähligen Sportfilmen als Subtext mehr oder minder unter der Oberfläche herumwabert: die Verbindung zwischen Sport, Rivalität und homoerotischem Begehren. Wenn Patrick in der Sauna – verschwitzt, Handtuch nachlässig über dem Schritt platziert – zu Art sagt, dass er gerne mit ihm spielen würde, dann redet er nicht (nur) von Tennis. Wenn Art – nachdem er seinen Kaugummi in Patricks wartend-ausgestreckte Hand gespuckt hat – unbedingt wissen muss, ob Patrick inzwischen Sex mit Tashi hatte, dann ist er nicht nur eifersüchtig auf seinen Freund, sondern auch auf Tashi. Rivalität und Anziehung sind untrennbar miteinander verbunden. Die Performance, die Inszenierung von Dominanz und Männlichkeit ist ein wechselseitiges Balzritual, ein Wettbewerb umeinander.
The Name of the Game: (Hetero-)Normativität und Melodrama
Auf den ersten Blick ist Challengers vor allem eins: oberflächlich. Hinter der Fassade von Reichtum und Schönheit, die hier so liebevoll-fetischistisch inszeniert wird, versteckt sich scheinbar nichts als gähnende Leere. Und dann, mit jeder Minute, jedem Flashback, jeder weiteren Verstrickung die Frage: Wieso? Wieso das Drama, wieso die Selbstentbehrung? Denn ja, die drei Hauptfiguren haben Privilegien im Überfluss – auch Patrick, der in seinem Auto schläft und den erfolglosen Tennisprofi mimt. Und trotzdem sind sie unglücklich. Tashi und Art stecken in einer lieblosen Ehe fest, in ihren Werbeverträgen und dem Erfolg, der am Ende doch nie außerordentlich war. Patrick spielt halbherzig die Rolle des Charmeurs. Sein süffisantes Lächeln reicht dabei nie ganz bis zu den Augen – eine Maske.
Was sie einengt, sind die Rollen, die sie einnehmen. Das Spiel, von dem sie denken, das sie es spielen müssen. Dabei geht es um Normen und Erwartungen. Tashi ist eindrucksvoll, selbstbewusst und talentierter als Art und Patrick zusammen – natürlich muss einer sie gewinnen, sie sich einverleiben. Und natürlich muss Tashi zwischen beiden wählen – eine Dreierbeziehung kommt genauso wenig infrage, wie beide links liegen zu lassen.
„Ich vermisse es nicht, mit dir zu spielen. Ich bin dafür zu alt,” sagt Art zu Patrick und meint damit auch, dass er aus dem Alter der sexuellen Experimente raus ist. Wieso, fragt sich, muss es denn überhaupt eine Phase sein? Heterosexuelle, monogame Gesichtswahrung: Ausprobieren ist okay, solange am Ende des Wegs die Kernfamilie wartet. Challengers übertreibt das heterosexuelle Dilemma so maßlos, bis sich schließlich zeigt, wie absurd und unnötig es im Grunde ist
Die wahre Tragödie: Im Abseits
Und wieso gibt Tashi sich überhaupt mit Art und Patrick ab? Wieso heiratet sie einen von beiden, wenn sie so viel mehr vom Leben kriegen könnte? Die Antwort ist Tennis. Für Tashi ist Tennis ein religiöses, ein ekstatisches Erlebnis. Tennis ist, was sie vom Leben will. Sie initiiert die Dreiecksbeziehung, weil sie „verdammt gutes Tennis” sehen will. Am Ende ist Zusehen das Einzige, was ihr vom Sport bleibt. Sie verletzt sich bei einem Match und ihre Karriere ist vorbei. Was tun ohne Boden unter den Füßen, ohne Anker und Fixpunkt? Zerbrechen – und das tut Tashi; aber nur unter der Oberfläche. Sie heiratet Art, sie coacht ihn, sie spielt durch ihn Tennis – dessen sind sich beide bewusst. Natürlich ist es ungenügend und natürlich ist es eine Qual, auf der Tribüne sitzen zu müssen – aber was ist die Alternative? Kein Tennis jedenfalls nicht.
Im Gegensatz zu Art und Patrick weiß Tashi, welches Spiel gespielt wird. Sie begibt sich sehenden Auges in das Netz aus Ehe, Kind und Entweder/Oder. Das ist am Ende die eigentliche Tragödie in diesem Film: Dass Tashi frei sein könnte und es doch nicht ist, weil ihr der Sport das Herz bricht. „Sicher, dass du das wirklich willst,” fragt Patrick und meint: Willst du wirklich, dass Art gewinnt? Und Tashi sagt: „Was könnte ich sonst wollen?”
Es ist tragisch und es ist großartig. Denn Tashi hat, was im Sportfilm oft nur männliche Figuren haben: Tiefe, Komplexität und eine Einsicht, von der Art und Patrick meilenweit entfernt sind. Während ihre Anziehung den gesamten Film auflädt, ist Tashis innere Zerrissenheit subtil. Sie ist da in Justin Kuritzkes’ Drehbuch und in Zendayas Schauspiel, in der Müdigkeit, mit der Tashi Art in den Arm nimmt, in der Wut, mit der sie Patrick küsst. Tashi ist der Motor des Films, der Rest des Eisbergs unter der Oberfläche – so viel mehr als die Spitze des Dreiecks, die Trophäe, das Objekt.
- Ein Besuch bei queeren Filmfestivals in Görlitz und Ludwigslust - 13. Dezember 2024
- Witches – Kurzkritik - 22. November 2024
- Drei Gedanken zu: Gladiator II - 19. November 2024