Blockbuster-Check: Kong: Skull Island
Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.
Achtung: Auf Grund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein!
Held_innen
Die Frage, wer hier di_er eigentliche Held_in von Kong: Skull Island ist, lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Auf männlicher* Seite jedoch gibt es deutlich mehr Kandidaten für diese Position als auf der weiblichen*. Dabei nimmt der Film eine erfrischend kritische Position zu den klassischen Kriegshelden ein und unterstreicht mit einer – leider nicht ganz durchdachten, aber doch deutlich anvisierten („Er war stets bemüht“) – pazifistischen Haltung, dass es im Krieg niemals Gewinner_innen, sondern nur Verlierer_innen geben kann.

© Warner
Die Frau*, die einer Heldin am nächsten kommt, ist Fotografin Mason Weaver (Brie Larson). Sie begibt sich aus eigenem Antrieb und im vollen Bewusstsein eventueller Gefahren auf die Expedition und ist dabei weder übertrieben taff, noch als Damsel in Distress am laufenden Band in Lebensgefahr. Sie kann echte Heldinnentaten vollbringen und in Momenten der Überforderung trotzdem nach der Hand eines Mannes* greifen. Dabei möchte ich schon hier hervorheben, dass sich trotz der recht demonstrativ angelegten Love Story zwischen Mason und James Conrad (Tom Hiddleston) kein romantischer Subplot ergibt.
Nichtsdestotrotz kann Mason den männlichen* Figuren hier nicht das Wasser reichen. Inmitten der Soldaten, Wissenschaftler und Abenteurer trägt sie mit ihrer Kamera zum Gelingen der Expedition nicht wirklich etwas bei und fungiert im Grunde hauptsächlich als Dekoration und Sehnsuchtsobjekt – allerdings weniger für James als für den eigentlichen Helden der Geschichte: Kong.

© Warner
Gegenspieler_innen
Es gibt in Kong nur zwei Frauen*figuren und keine davon befindet sich auf der Seite des Bösen. Die Monster der Geschichte sind ebenfalls klar männlich* konnotiert, auch wenn ihr Geschlecht nicht explizit benannt wird und auch nicht auf der Basis biologischer Merkmale zu identifizieren ist. Woraus sich übrigens für mich die Frage ableitet: Wieso hat King Kong eigentlich keinen Penis? Wer eine Antwort darauf hat, möge sie gerne in den Kommentaren hinterlassen.
Geschlechterrollen allgemein
Neben Mason gibt es in Kong: Skull Island nur noch eine weitere Frauen*figur, nämlich die Wissenschaftlerin San (Tian Jing), die im gesamten Film nur sechs Sätze spricht (ich habe gezählt!). Keiner davon richtet sich übrigens an Mason, so dass Kong: Skull Island völlig unnötiger Weise komplett durch den Bechdel-Test rasselt. Es wäre doch so einfach gewesen, San einfach ein wenig mehr Dialog oder vielleicht sogar eine tragende Rolle in der Geschichte zu verleihen. Stattdessen handelt es sich hier um die vielleicht lächerlichste Frauen*figur seit Anbeginn des Hollywoodkinos. Sie ist eindeutig allein für die Quote in das Skript geschrieben worden – und zwar sowohl für die Quote der Frauen* als auch die der Asiat_innen. Wie praktisch! Im gesamten Film tut sie wenig mehr als traurig und sprachlos wie bestellt und nicht abgeholt ins Leere zu schauen. „Ich habe keine Ahnung, was ich hier eigentlich soll!“ sagt uns dieser Blick. Und vermutlich hat sich Schauspielerin Tian Jing am Set genau das gedacht.

Das „Wir bemühen uns um ethnische Vielfalt“-Filmstill @ Warner
Zugegeben: Es gibt noch ein paar mehr Frauen* in diesem Film, nämlich unter den Angehörigen eines indigenen Stammes. Sie sind selbstredend namen- und auch sprachlos – allerdings trifft das auch auf die männlichen* Mitglieder dieser Gemeinschaft zu. Warum auch den primitiven „Indianern“ einen Charakter verleihen? Da verlören wir am Ende noch die exotistische Perspektive!
Weit weniger sprachlos sind die männlichen* Protagonist_innen aus der westlichen Welt. Sie sind entweder mutige Krieger – unterschiedlich moralisch integer, aber dabei immer mutig, denn der Soldat an sich ist männlich* und der Mann* an sich ist mutig – oder Wissenschaftler. Und wenn sie Wissenschaftler sind, sind sie natürlich nicht mutig, denn Wissenschaftler sind nicht so wirklich männlich*. Deshalb sterben sie in dieser Geschichte auch fast vollständig aus. Bis auf den einen, der am Ende dann doch zur Waffe greift und ein Krieger wird. Denn nur Männer* mit Waffe überleben – so viel zur pazifistischen Botschaft.
Im Gegensatz zu den ausschließlich durch egoistische Interessen geleiteten Männern* der Geschichte, ist Mason als „Antikriegsreporterin“ ganz Frau*. Ihr geht es nicht um Geld oder Macht, sondern um eine bessere Welt. Sie sucht nicht den Konflikt, sondern die Harmonie, die Kooperation statt des Wettstreits. Kurzum: Die Geschlechterkonstruktion in Kong: Skull Island entspricht etwa dem des vorletzten Jahrhunderts.

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Übrigens ist auch Kong selbst als Männer*figur in die Betrachtung der Geschlechterkonstruktionen mitaufzunehmen, da er als Person, als Charakter fungiert. Er bekommt eine nahezu menschliche persönliche Geschichte und damit auch Handlungsmotivation zugeschrieben. Wenn auch zunächst als Bedrohung erlebt, wird Kong zum gottgleichen Beschützer, aber eben auch zum Idol. Wenn er sich brüllend mit den riesigen, haarigen Fäusten auf die Brust haut, müssen wir unwillkürlich an die – zugegebener Maßen durchtrainierten, aber dennoch nicht mehr als „niedlichen“ – Hühnerbrüste der Soldaten denken. Kong ist der wahre Kerl, alle anderen sind nur Möchtegerns.
Dresscode und Sexappeal
In dieser Kategorie kann Kong: Skull Island unerwartet einige Punkte gut machen. Die beiden Frauen* im Expeditionsteam tragen ebenso funktionale Kleidung wie ihre Mitstreiter, niemals werden sie durch die Kamera oder Kommentare anderer Figuren sexualisiert oder objektifiziert. Es gibt keine Nacktaufnahmen und auch sonst keine Einstellungen, die zum voyeuristischen Blick auf die Frauen*figuren einladen würden.
Interessanter Weise verhält es sich mit den Männern ganz anders, denn diese stehen insbesondere mit ihrer Körperlichkeit viel stärker im Rampenlicht. Nicht zuletzt durch das Kameraauge der Fotografin Mason werden die Männer immer wieder auch Anschauungsobjekt – manchmal sogar mit einer erotischen Note. Dabei ist das durch den Film konstruierte stereotype Bild von Maskulinität auf körperlicher wie auf charakterlicher Ebene durchaus problematisch. Es ist kein Zufall, dass sich Mason nicht für den Schönling entscheidet, der ihr hier wie auf dem Tablett serviert wird, sondern stattdessen zu Kong, dem Gorilla, der Apotheose der Virilität, eine Art emotionaler Bindung eingeht.

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Dramaturgie
Mason mag so etwas wie eine eigene Weltverbesserungsagenda verfolgen, doch zum tatsächlichen Handlungsverlauf kann sie nichts beitragen. Dieser wird ausschließlich durch männliche* Figuren vorgegeben, die Inseln entdecken oder Rache üben wollen. Obwohl der Film subtil eine innere Verbindung zwischen Kong und Mason andeutet, ist es schließlich nicht sie, sondern James der zur Rettung des Riesengorillas aufruft. Richtung und Wendepunkte der Handlung werden allein durch männliche* Figuren vorgegeben. Die Frauen* schließen sich den Ideen der Männer* an, oder aber auch nicht, verfügen also über einen gewissen Entscheidungsspielraum, bringen aber nie eigene Ideen ein und lenken damit maximal das eigene Schicksal, nicht aber das der anderen.
Botschaft
Gorillas sind die besseren Männer*.
Gesamtwertung: 3
von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)
Kinostart: 9. März 2017
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[…] anders sein, hier der Außerirdische, das Andere, das Fremde. Dabei handelt es sich wie schon in Kong nicht um eine dieser Lebensform inhärente Bösartigkeit. Vielmehr erhält der außerirdische […]
Inzwischen hatte ich Gelegenheit den Film zu sehen und ich wage zu widersprechen – die 3 hat er nicht verdient. Ich würde ihm noch mindestens einen Punkt abziehen. Die Rollenklischees und die militaristische (männliche) Weltsicht sind für mich nahezu unerträglich. Sicher wird der Colonel als „durchgedreht“ dargestellt, für eine Kritik am Militarismus reicht das aber nicht. Er ist schließlich die Ausnahme, grundsätzlich ist das alles okay. Seiner Aussage, dass die Bilder Masons den Rückhalt in der Heimat gekostet hätten, wurde zudem nicht widersprochen. Die Vietnam-Hubschrauber-Ästhetik und die Darstellung der „Krieger“ lässt keinen Zweifel an der militaristischen und guten Weltsicht aufkommen. Und am Ende dürfen dann – wie oben geschrieben – nur jene überleben, die auch zur Waffe gegriffen haben. Ohne die Militärhelden würden es die Wissenschaftler*innen nicht mal zur Insel schaffen. Es wird viel getan die Krieger sympathisch wirken zu lassen: Die Loyalitäts-Kameraden-Rettungs-Logik, die Briefe nach Hause … der Gedanke, dass der ganze Mist nicht nötig wäre, wenn man(n) zu Hause bliebe statt Krieg zu führen, wird nicht aufgeworfen. Zudem erinnern mich viele Einstellungen wie z.B. die Hubschrauber-Formationen sehr stark an Propagandafilme.
In der Tat zum Ärgern war die Rolle der Biologin. Da laufen sie alle über eine Insel voller biologischer Wunder und sie steuert nichts bei – doppelt verpasste Chance! Die Szene in der sie mit dem Messer die Dose aufmachen darf wirkt dann wie eine lächerliche Alibi-Aktion. … „vielleicht lächerlichste Frauen*figur seit Anbeginn des Hollywoodkinos“ … da stimme ich vorbehaltlos zu.
Das mit dem Dresscode sehe ich etwas anders. Warum trägt Mason ein Trägerhemd und kein T-Shirt? Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem ein schulterfreies Kleid der Präsidenten-Gattin noch einen Skandal wert ist, ist ihr Outfit nicht so neutral wie es vielleicht schon in Europa wahrgenommen wird.
Und zu guter Letzt hat die Frau des Weltkrieg-Fliegerhelden all die Jahrzehnte auf ihren heimkehrenden Helden gewartet.
Der Film transportiert unterschwellig eine gewaltverherrlichende, machoide Weltsicht. Selbst Kong definiert sich letztendlich über die Gewalt. Die minimalen im feministischen Sinn positiven Aspekte dienen nur der Tarnung.
Gut gebrüllt! Ich freu mich ja immer ein bisschen, wenn Menschen Filme noch kritischer sehen als ich. ?