Blockbuster-Check: Black Panther: Wakanda Forever

Weil der Bechdel-Test zwar cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehmen wir im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

Achtung: Aufgrund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein!

 

Es ist der mittlerweile dreißigste Film im Marvel Cinematic Universe und der zweite Film des Black Panther-Franchises: Black Panther: Wakanda Forever von Ryan Coogler setzt sowohl die Geschichte des 2017 erschienen Black Panther fort als auch die Geschichtsschreibung im wohl umfangreichsten Film-Universum, das je existiert hat. Das sind Sätze, die über jeden Film des MCU geschrieben werden können und grundsätzlich setzen in der Beschäftigung mit dem Ultra-Franchise an jeder Ecke Ermüdungserscheinungen ein: Figuren und Figurenkonstellationen, Tropen und Narrative wiederholen sich, seit dem Beginn der sogenannten vierten Phase fehlt der große Konflikt- und Handlungsbogen und – vor allem – der MCU-Serienoutput glänzt eher durch Quantität als durch Qualität.

Nichtsdestotrotz lohnt sich der Blick auf den Blockbuster und sein Umfeld umso mehr, denn mit der quasi wahllosen Ausdifferenzierung des Universums geht im MCU an vielen Enden auch eine besonders vorbildliche Diversifizierung einher – die an vielen Stellen über die Realitäten der Comic-Vorlagen hinausgeht.___STEADY_PAYWALL___

Held:innen

Nachdem der ursprüngliche Darsteller des titelgebenden Superhelden Chadwick Boseman 2020 an einer Krebserkrankung gestorben ist, war lange unklar, in welcher Form diese Lücke gefüllt werden kann und wird. Ein Re-Casting stand im Raum, Gerüchte um die digitale Wiederauferstehung des Schauspielers machten die Runde und bis zum Kinostart machten Disney, Marvel und die Filmemacher:innen ein Geheimnis um die Frage, wer sich in Black Panther: Wakanda Forever den Anzug des Schwarzen Panthers anziehen wird. Jetzt wissen wir: Das Held:innen-Ensemble, inklusive der titelgebenden Figur, besteht in der Fortführung der Reihe komplett aus Women of Color. Letitia Wright spielt Shuri, Prinzessin des mächtigen Staates Wakanda und Nachfolgerin des Black Panther-Erbes, Angela Bassett spielt Königin Ramonda, Dana Gurira ist abermals als General Okoye zu sehen, an ihrer Seite kämpfen außerdem Michaela Coel als Aneka, Dominique Thorne als Riri Williams aka. Ironheart und Lupita Nyong’o als Nakia. Sechs schwarze Frauen in sechs wichtigen Rollen einer Mainstream-Comicverfilmung – Ausmaße, die in den Anfangsjahren des MCU noch unvorstellbar gewesen sind.

©

© Marvel Studios

Das Heldinnen-Gespann glänzt dabei außerdem durch eine Bandbreite an unterschiedlichsten charakterlichen Ausformungen und Tiefe. Vor allem Shuri, Ramonda und Okoye geben in Rollen als geniale Wissenschaftlerin, mächtige Königin und erbarmungslose Kriegsgenerälin eine Menge faszinierend authentischer Momente des Menschlich-Seins mit. Shuri hadert mit ihrer Forschung sowie ihrer Rolle als Thronfolgerin und weigert sich aktiv, über den Krankheitstod ihres Bruders hinwegzukommen. Sie fühlt sich zu Teilen verantwortlich für seinen Tod und der Prozess des Trauerns stellt für sie eine der großen Herausforderungen in ihrer Entwicklung im Film dar. Ramonda muss in ihrer Position die Interessen des mächtigen Staates Wakanda vertreten, der von der internationalen Gemeinschaft unter Druck gesetzt wird, die wichtige Ressource Vibranium mit der Welt zu teilen. Nach außen gibt sie sich als knallharte Herrscherin, während sie mit der Trauer, nicht nur um ihren Sohn, sondern auch noch um ihren Ehemann kämpft, der bereits zu Beginn des ersten Films ums Leben gekommen ist. Angela Bassetts Darstellung kann dabei wohl als eine der kraftvollsten der kompletten MCU-Geschichte angesehen werden. General Okoye hingegen muss sich erst im Laufe des Film, ihren Problemen stellen: Wo sie anfangs noch als ausnahmslos toughe Kämpferin und Beschützerin agiert, stößt sie an die Grenzen ihrer Identität, als Königin Ramonda ihr Rang und Vertrauen entzieht. Den Heldinnen wird also durchaus eine starke Emotionalität zugesprochen, ohne diese direkt an ihr Frau-Sein zu knüpfen. Grundsätzlich bestimmt das ‘Frau-Sein’ nicht die Identität der Heldinnen, sondern ihr Handeln, ihre Motive und ihre Funktion in der Gesellschaft, in der sie integriert sind.

Die Zeichnung der Heldinnen kommt mit wenig Klischee aus, sondern präsentiert uns Frauen mit immenser Stärke, trotz nachfühlbarer Schwächen. Die Beziehung der Protagonistinnen untereinander ist von Wertschätzung und Ehrlichkeit geprägt und zusammen ergeben sie ein durch und durch feministisches Ensemble – agierend in einem faktischen Matriarchat. Künstlich problematisiert wird die Abwesenheit von ‚starken Männern‘ in diesem weiblich dominierten Komplex in keiner Form – ganz im Gegenteil: Die verbündeten Männer – allen voran M’baku (Winston Duke) und Everett Ross (Martin Freeman) – sind zwar wertvolle Unterstützer (und comic reliefs), aber niemals Schlüsselfiguren in der Handlung.

© Marvel Studios

Gegenspieler:innen

Schon im ersten Black Panther hatte das Franchise mit Eric Killmonger (Michael B. Jordan) einen Antagonisten, der sich weniger durch pure Bosheit, sondern eher einem radikal fehlgeleiteten Gerechtigkeitssinn ausgezeichnet hat. Namor (Tenoch Huerta), der in Black Panther: Wakanda Forever die Rolle des Gegenspielers übernimmt, steht diesem um nichts nach. Namor ist König und Kriegsherr der Unterwasserzivilisation Talocan, die Jahrhunderte isoliert von der Menschheit lebte. Die Suche der Menschen nach Vibranium im Ozean zwang ihn zum Handeln, denn auch Talocan ist abhängig von dem wertvollen Mineral.

Seine Rolle als Antagonist war für lange Zeit des Films nicht stark zementiert, wand er sich doch erst mit einem (zugegeben mörderischen) Hilfegesuch an Ramonda und Shuri. Letzterer zeigte er sogar sein Reich und erzählte ihr seine Geschichte: Während der Kolonialisierung Mittelamerikas flüchtete sein Maya-Stamm in den Ozean. Namor – als einziger Talokaner in der Lage, auch Luft zu atmen und zu fliegen – kehrte für die Beerdigung seiner Mutter an die Oberfläche zurück und musste mit ansehen, wie die mesoamerikanische Bevölkerung kolonialisiert und versklavt wurde. Sein Hass auf die Menschheit und sein Bedürfnis, fernab von der Einflussnahme der menschlichen Zivilisation zu leben, bestimmte fortan sein Handeln und lässt ihn wie Killmonger zu einem Antagonisten mit nachvollziehbaren Motiven werden. Mit dem Ende des Films ist Namors Geschichte außerdem noch nicht auserzählt, denn er entgeht dem Tod im letzten Kampf mit Shuri, indem er sich von ihr überzeugen lässt, ab jetzt ein Bündnis mit Wakanda für den Schutz des Vibraniums einzugehen. Ob nur zum Schein oder nicht, wird die Zukunft zeigen …

© Marvel Studios

Intersektionalität

Black Panther: Wakanda Forever ist wohl der am wenigsten weiße Film des kompletten MCU. Die Darstellung des afrofuturistischen Königreichs Wakanda und seiner Einwohner:innen lebt schon seit dem ersten Teil von einer respektvoller Auseinandersetzung und Nutzung von Ästhetiken und Bräuchen indigener afrikanischer Völker. Das Black Panther-Franchise gilt als wegweisend wenn es darum geht schwarze Narrative und Kultur auf der großen Leinwand zu feiern und ein Empowerment-Momentum für schwarze Communities weltweit anzustoßen.

Mit dem zweiten Teil öffnet sich das Franchise außerdem für mesoamerikanische Kultur und Identitäten. Die Entscheidung das Schicksal Namors an die Geschichte der Kolonialisierung Mittelamerikas anzuknüpfen, bringt die Möglichkeit der Identifizierung für eine weitere indigene und marginalisierte Gruppe mit sich, die sich in den Handlungen und Konflikten Namors und seines Volkes wiederfinden können. Ob und wie diese Repräsentation als respektvoll empfunden wird, wird der Diskurs um den Film in den nächsten Wochen und Monaten jedoch noch zeigen müssen.

Positiv ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der Black Panther: Wakanda Forever eine lesbische Partnerinnenschaft darstellt. Ohne große Problematisierung oder Markierung erschafft der Film damit eben jene Utopie einer Gesellschaft, wie sie sich viele wünschen: Gleichgeschlechtliche Liebe ist gleichberechtigt mit heterosexueller Liebe und keiner speziellen Erwähnung mehr wert.

© Marvel Studios

Dresscode & Sex-Appeal

Die Frauen Wakandas sind normschön und fit. Besonders ausgestellt wird dieser Fakt jedoch nicht. Ihre Kleiderwahl ist ihren Rollen angemessen – eine Melange aus traditioneller und futuristisch funktionaler Ästhetik sowie individuellem Stil. Ihre Erscheinung widerspricht an vielen Stellen einem westlichen Schönheitsideal. Eine Sexualisierung findet an den Heldinnen des Films nicht statt und auch die Fokussierung von Muskeln, wie sie in einigen der letzten Marvel-Produktionen vorgekommen ist, bleibt in einem angemessenen Grad.

Bei Namor sieht dies jedoch etwas anders aus: Nur bekleidet mit einer sehr kurzen Hose, steht seine Körperlichkeit im Film in einem klaren Fokus. Seine fließenden Bewegungen im Wasser und in der Luft, gepaart mit seiner imposanten Statur inszenieren den Bösewicht deutlich als sexuell begehrenswert, was man dem Film nur als billigen Trick auslegen kann, um Namor und seine Motive für das Publikum noch nahbarer zu machen.

© Marvel Studios

Dramaturgie

Handlungsweisend für den Film sind – wie könnte es auch anders sein – die weiblichen Heldinnen. Auffällig ist allerdings auch, dass sich die Geschichte nicht nur aus ihrer heldenhaften Motivik entwickelt, sondern zu großen Teilen auch aus ihren inneren Konflikten und Emotionen, mit denen sie hadern. Wenn Ramonda aus der Angst, ihre Tochter verloren zu haben, Okoye ihren Rang entzieht und diese dann mit dem Versagen ihrer Aufgabe klarkommen muss, oder wenn Shuri sich aktiv gegen die Rachegefühle wehrt, die sie sich vom Geist Eric Killmongers hat einreden lassen, dann entwickelt sich die Dramaturgie des Films nicht nur sehr organisch, sondern vor allem nachvollziehbar und wenig entlang von vorgefertigten Narrativen.

Verwundern tut in Black Panther: Wakanda Forever allerdings die Ausgangslage: Zu Beginn des Films muss sich Königin Ramonda vor einer UN-Versammlung für die Einbehaltung ihrer Vibranium-Ressourcen rechtfertigen, obwohl die Auflösung des Konflikts im ersten Black Panther-Film noch dem mittlerweile verstorbenen König T’Challa das Versprechen abrang, Vibranium mit der Weltgemeinschaft zu teilen. Für die Abkehr von dieser Entscheidung bietet der Film keine Erklärung an und so drängt sich der Verdacht auf, dass Marvel Wakanda wieder künstlich in die Isolation geschrieben hat, um eine Basis für die Handlung des Films zu schaffen. Dass der afrikanische Staat so natürlich wieder unnötig verfremdet wird für ein größtenteils westliches Publikum ist ein Nebeneffekt, den es nicht gebraucht hätte.

 

Botschaft:

„I don’t need a (white) man!”

 

Gesamtwertung: 8

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

 

Black Panther: Wakanda Forever läuft seit dem 10.11. im Kino.

Sophie Brakemeier