Die Gärtnerin von Versailles – Klischees im Kostüm

© Tobis

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Juchei: Eine Landschaftsgärtnerin im 17. Jahrhundert. Das kann ja nur emanzipatorisch wertvoll werden, oder?! So einfach ist das leider nicht. Die Gärtnerin von Versailles zeigt sehr eindrucksvoll, welche Stolpersteine einer wahrhaft emanzipierten Geschichte im Weg stehen.

Da wäre zum einen die sehr überdeutliche Gegenüberstellung von Kultur und Natur. Überhaupt hat Regisseur Alan Rickman ein deutliches Faible für Dichotomien. Doch dazu später mehr. Hauptfigur Sabine de Barra (Kate Winslet) ist eine Gärtnerin, die für ihre „chaotischen“ Entwürfe bekannt ist. Ihren Zeichnungen fehlt die männliche Ordnung der Kollegen. Die Gärtnerin von Versailles verknüpft hier binnen weniger Minuten den Raum der Natur mit Weiblichkeit, den der Kultur mit Männlichkeit. Sabine glaubt nicht daran, dass der Natur eine Ordnung aufgezwungen werden könne und lebt als selbstständige und alleinstehende Landschaftsgärtnerin, die sich auch gerne mal selbst in den Matsch schmeißt, auch privat außerhalb der gesellschaftlichen Konventionen.

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Ordnung und Chaos (der Originaltitel lautet A little Chaos), Kultur und Natur, der Hof und der Garten – das sind die Dichotomien, mit denen Alan Rickman spielt wie ein Kind mit Duplo-Steinen. Während Sabine über ihre Gärten herrscht, steht König Louis XIV (Alan Rickman himself) an Spitze des durch männliche Hierarchieprinzipien strukturierten Hofes. Geht es im Garten um Kooperation, wird im Schloss intrigiert und getuschelt. Im Grünen glaubt Sabine im königlichen Gärtner André (Matthias Schoenaerts) die große Liebe gefunden zu haben, am Hofe herrscht oberflächliche Wollust. André selbst führt eine lieblose Ehe. Seine Frau betrügt ihn mit einem jüngeren Liebhaber, den sie für seine sexuellen Dienstleistungen gar zu entlohnen pflegt.

Da wäre auch schon die nächste Dichotomie des Plots. Es gibt böse Frauen und gute Frauen, aber recht wenig dazwischen. Das Heiligen-Hure-Paradigma glänzt hier wie zu seinen Hochzeiten im klassischen Hollywoodkino. Sabine ist wenig überraschend die Reinheit in Person, die – wie es sich für eine Heilige geziemt – im Grunde über keinerlei Sexualität verfügt. Und so bleibt ihre Romanze mit André selbst in den Sexszenen frappierend lustbefreit. Ganz anders gestaltet sich das Leben zu Hofe, wo die armen Männer von ihren dominanten Frauen terrorisiert werden. Böse Frauen, die ihre eigenen Liebschaften pflegen oder ohnehin als Mätresse um die erotische Gunst des Königs buhlen.

Ein paar wenige Lichtblicke immerhin gibt es in dieser üppig kostümierten Zementierung sexistischer Rollenklischees dennoch. Da wäre zum Beispiel die auf gegenseitiger Zuneigung und Respekt basierende Poly-Triade aus Gräfin, Graf und dessen schwulem Liebhaber. Oder eine Szene weiblicher Solidarität und körperlicher Zärtlichkeit, in der die höfischen Damen an einem Rückzugsort in aller Intimität zueinander kommen. Diese weibliche Sphäre unterscheidet sich fundamental vom männlichen Diktat der Rivalität und Hierarchie außerhalb des Schutzraumes. Doch auch das ist wieder eine Dichotomie, sind zwei Pole an gegenüberliegenden Enden, zwischen denen es keinen Kompromiss und keinen fließenden Übergang zu geben scheint.

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Was die weibliche Heldin angeht, so leidet auch diese unter den Klischees, an denen sich Rickman recht unreflektiert bedient, als habe er blindlings in die Hollywood-Werkzeugkiste für einen romantischen Plot gegriffen. Sabine mag zwar als Gärtnerin taff und unabhängig sein, doch muss freilich auch sie im Moment der Not in einem höchst dramatischen Akt von ihrem Liebsten gerettet werden. Zudem unterminiert Rickman die Bedeutung seiner Hauptfigur, wenn er den Film nicht mit ihr, sondern mit sich selbst in der Rolle König Louis XIV beginnen lässt – eine Szene, deren einzige Funktion zu sein scheint, die Königin als kindlich-debiles Geschöpft zu entlarven. Letztlich ist die Wahl der Eingangssequenz irgendwie konsequent, verfügt der König doch über einen weitaus komplexeren Charakter als Sabine, die durch den traumatischen Verlust ihrer Familie trotz all ihrer Fähigkeiten schließlich in eine reine Opferposition gerückt wird.

Nein, das war nun wirklich nichts mit der emanzipatorisch wertvollen Inszenierung. Und in Anbetracht des lustfeindlichen, gänzlich emotionsbefreiten Kostümreigens, in dem die Kulissen stets als solche erkennbar bleiben und auch die englische Sprache unangenehm mit dem vermeintlich französischen Setting kollidiert (was aber ohnehin als solches niemals überzeugt), sollte Alan Rickman wirklich lieber vor der Kamera bleiben und das Regiehandwerk anderen überlassen.

Kinostart: 30. April 2015

Sophie Charlotte Rieger
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