Der Blockbuster-Check: Fantastic Four

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

© Constantin

© Constantin

Held_innen

Wie der Filmtitel aufmerksamen Zuschauer_innen bereits verrät, präsentiert Fantastic Four gleich vier Held_innen. Das Geschlechterverhältnis zwischen Frauen und Männern ist hier trotz der geraden Zahl ein klassisch ungerechtes von 1:3. Dass die „Quotenfrau“ im Falle dieses Films gar System hat, werden wir später noch erfahren. Doch zunächst zu den vier zentralen Protagonist_innen der – anbei bemerkt äußerst dünnen – Geschichte.

Da wäre zum einen der geniale Nerd Reed (Miles Teller), der Draufgänger Johnny (Michael B. Jordan), der treudoofe Ben (Jamie Bell) und die sanfte Sue (Kate Mars). Obwohl Letztere eindeutig zu den klügeren Teammitgliedern gehört, geht der Film auf die Spezifika ihrer Forschung leider nicht ein. Während Reed und der spätere Bösewicht Victor (Toby Kebbell) die entscheidenden zündenden Ideen für die Dimensionen-Reise liefern, ist Sue vornehmlich das ausführende Organ. Ihre intellektuellen Kapazitäten sind wie es sich für eine Frau gehört sozialer Natur: Sie entdeckt Muster und Zusammenhänge nicht nur in der Wissenschaft, sondern vor allem im Verhalten von Menschen und kann somit deren nächsten Schritte erahnen. Wir könnten sie auch einfach empathisch nennen.

Im wahrsten Sinne wie die Jungfrau zum Kinde (siehe auch Dramaturgie) gelangt schließlich immerhin auch sie zu Superkräften. Und während die Männer Feuerbälle werfen, mit steinernen Muskeln dem Hulk Konkurrenz machen oder ihre Physis den aktuellen martialischen Ansprüchen anpassen, kann sich die Frau unsichtbar machen. Wie praktisch, denn so verschwindet das ohnehin lächerliche Quotenweibchen endlich ganz von der Bildfläche! Ok, Sue kann mit Hilfe ihres Energiefeldes auch fliegen und Menschen beschützen, doch bleiben ihre Kräfte im Kontrast zu den externalisierten, expressiven Fähigkeiten der männlichen Kollegen dabei auffällig unkörperlich und internalisiert.

Das passt zur Konstruktion der weiblichen Persönlichkeit, die hier vollkommen passiv geraten ist. Sue führt Befehle aus, besitzt aber keine eigenen Ziele. Sie ist das passive Love Interest, das Objekt in einer angedeuteten Dreiecksbeziehung, hat jedoch keine eigenen romantischen oder gar sexuellen Ambitionen. Das engelsgleiche von blondem Haar gekrönte Gesicht ist das einer Kindfrau. Mit einer wahren Heldin hat all das wenig zu tun.

© Constantin

© Constantin

Gegenspieler_innen

An dieser Stelle kann ich mich sehr kurz fassen. Es ist gibt – mal wieder – nur einen männlichen Bösewicht, den schon zuvor erwähnten Victor. Seine arrogante Verachtung für den Rest der dummen Menschheit steigert sich durch den Unfall im Paralleluniversum zur blinden Zerstörungswut eines frustrierten Gottes. Frauen gibt es auf der Seite des Bösen nicht. Frauen sind eben lieb und engelsgleich. Ist doch klar!

Geschlechterrollen allgemein

Schauen wir uns alle Figuren des Films an, könnte Fantastic Four vielleicht mit der schlechtesten Frauenquote aller Marvel-Filme aufwarten. Die Welt der Wissenschaft und der Armee ist eine rein männliche. Einige wenige Quotenfrauen stehen nutz- und sprachlos im Hintergrund herum, doch selbst die Komparsinnen sind hier rar. Selten hat ein Blockbuster die weibliche Spezies derart marginalisiert wie dieser. Da ist es auch kein Wunder, dass Fantastic Four schon an der ersten Stufe des Bechdl-Tests scheitert (keine zwei Frauen mit Namen).

Als besonders abstoßend gestaltet sich hier der scheinheilige Versuch, in jedem Setting mindestens eine Quotenfrau, vornehmlich eine Quotenschwarze einzubinden. Sue ist die Quotenfrau der Fantastic Four, eine anonyme Afroamerikanerin ist die Quotenfrau in den Reihen der „Wirtschaft“. Und dann gibt es hier und da noch ein paar andere Quotenfrauen. Allesamt namenlos. Allesamt stumm. All diese Frauen sind nicht mehr als der halbherzige Versuch, die „unwichtigen 50% der Weltbevölkerung“ zu repräsentieren, um sich dem Vorwurf der Diskriminierung zu entziehen. So unter dem Motto: Hey, bei uns gibt es nicht nur eine Frau in einer Machtposition. Sie ist sogar schwarz!

Na herzlichen Glückwunsch…

Dresscode und Sexappeal

In puncto Sexappeal sind die Männer hier genauso arm dran wie die Frauen. Fantastic Four ist insgesamt phänomenal unsexy. Kein halbnackter Halbgott, bei dessen Anblick den Frauen das Wasser im Munde zusammenläuft. Und auch kein im Ledereinteiler neckisch gepushter Busen. Es könnte uns gütig stimmen, dass Sue in diesem verzichtigen Kontext niemals zum visuellen Sexobjekt wird. Tatsächlich aber beraubt der Film sie und ihre Kollegen komplett dem sexuellen Persönlichkeitsanteil. Ob das nun wirklich erfreulich ist, überlasse ich euch.

© Constantin

© Constantin

Dramaturgie

Fantastic Four ist im Kern die Geschichte von Reed. Mit ihm beginnt der Film. Die Reise in die andere Dimension ist sein persönlicher „Quest“, seine heroische Aufgabe. Er ist die tragische Figur als die Ereignisse aus dem Ruder laufen. Sein Schuldkomplex bewegt uns und lädt zur Empathie und Identifikation ein. Aber nicht nur Reed, auch die anderen Männer treiben die Handlung voran und lassen ihre Kollegin dabei außen vor.

Der Schlüsselmoment in dieser Hinsicht ist ein kollektives Besäufnis, das den entscheidenden Wendepunkt der Storyline einleitet. Die jungen Forscher sind frustriert, denn soeben wurde ihnen mitgeteilt, dass nicht sie, sondern Astronauten der NASA in die andere Dimension reisen werden. Also machen die Jungs das was Jungs eben tun: Sie betrinken sich. Keiner kommt dabei auf die Idee, Sue miteinzubeziehen, die ja ebenso gefrustet sein müsste. Aber die sexistische Absurdität der Handlung vermag sich noch zu steigern: Als Reed, Johnny und Victor beschließen, auf eigene Faust in die unbekannte Dimension zu reisen, dafür aber noch eine vierte Person suchen, fällt die Wahl nicht auf ihre Kollegin Sue, sondern auf Ben! Sue, die über Jahre an dem Projekt gearbeitet und entscheidende Elemente beigetragen hat, wird aus dem Abenteuer komplett ausgeschlossen! Sie hat damit auch keinerlei dramaturgische Macht: Der große Wendepunkt, die Transformation der vier jungen Menschen in Superheld_innen, geschieht ohne ihr Zutun, wird ihr von außen „angetan“. Fantastic Four gelingt in dieser Hinsicht etwas ganz Besonderes: Die Heldin ist ein Opfer!

Botschaft

Wenn einem derart seichten Film wie Fantastic Four überhaupt eine Botschaft unterstellt werden kann, dann vielleicht diese hier:

Im Kampf Gut gegen Böse sind weibliche Superkräfte maximal ein unvermeidlicher Kollateralschaden.

Gesamtwertung: 2

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

 

Sophie Charlotte Rieger
Letzte Artikel von Sophie Charlotte Rieger (Alle anzeigen)