Blockbuster-Check: Indiana Jones und das Rad des Schicksal

Weil der Bechdel-Test zwar cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehmen wir im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

Achtung: Aufgrund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein!

Spiel’s noch einmal, Harrison! Im Alter von 80 Jahren nimmt Harrison Ford noch einmal Hut und Peitsche in die Hand und schlüpft in seine neben Star Wars zweite ikonische Rolle, Indiana Jones. Und das obwohl 2008 der Versuch der Filmreihe nach 20 Jahren Pause mit Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels weder bei Kritiker*innen noch Fans gut ankam. Indiana Jones und das Rad des Schicksals, der fünfte und 295 Millionen Dollar Budget mit Abstand teuerste Teil, wagt erneut den Ritt auf der aktuellen 1980er Jahre-Nostalgiewelle. Ob das funktioniert und vor allem aus feministischer Sicht noch zeitgemäß ist untersuchen wir im Blockbuster-Check.

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Held:innen

Trotz seines fortgeschrittenen Alters bleibt Harrison Fords Indiana Jones die Hauptfigur des Films. Ähnlich wie schon bei ihrem Mitwirken am letzten James Bond Film – dort am Drehbuch, hier als Schauspielerin – erhofften sich viele eine progressive, sogar feministische Note durch Phoebe Waller-Bridge. Und auch wenn sie eine etwas aktivere Rolle als die Frauenfiguren in bisherigen Indiana Jones Filmen hat, changiert ihre Figur Helene Shaw hauptsächlich zwischen Plot Device und Helferlein. An der Oberfläche wird zwar so getan, als ob sie eine Heldin wäre, aber kratzt man ein bisschen am Lack, zeigt sich wenig Substanz dahinter. Ihre Charakterentwicklung von opportunistischer Diebin zur aufopferungsvollen Teamplayerin erinnert nicht nur stark an Fords Han Solo aus dem ersten Star Wars Film, ihr bleibt ein tatsächlicher Heldinnen-Moment verwehrt.

Indiana Jones (Harrison Ford) sieht besorgt in Richtung Kamera © 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

Als Indiana Jones zum Finale des Films gefangen genommen wird, setzt sie zwar alles daran, ihn zu retten. Aber am Ende befreit er sich doch von selbst und er ist derjenige, der die Schurken besiegt. Helenas Hauptfunktion zeigt sich dann auch kurz darauf: Sie muss Jones aus seiner Lebenskrise herausholen. Sie ist diejenige, die ihn ins Abenteuer zurückholt und sie ist diejenige, die ihn am Ende davon abhält aufzugeben. Der Film inszeniert Helena Shaw also nur scheinbar als Heldin.

Gegenspieler:innen

Gegenspieler:innen sind mal wieder die NAZIs und gab es bei Indiana Jones und der letzte Kreuzzug noch eine Frau unter deren Reihen, sind es dieses Mal ausschließlich Männer. Angeführt von Mads Mikkelsen, dessen Dr. Voller den Nationalsozialisten bereits im zweiten Weltkrieg diente. Zusammen mit den Neo-Nazis Hauke (Olivier Richters) und Klaber (Boyd Holbrook) werden die Antagonisten leidlich stereotyp dargestellt.

Schurke Dr. Voller (Mads Mikkelsen)© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

Zwar hätte Shaunette Renée Wilsons Figur Mason, die für den us-amerikanischen Geheimdienst arbeitet, ausreichend Möglichkeiten geboten, eine komplexere, interessante Antagonistin ins Spiel zu bringen, aber sie wird nach knapp der Hälfte des Films dauerhaft beiseite gelegt.

Geschlechterrollen allgemein

Allgemein fällt zunächst auf, dass es deutlich mehr Männer als Frauen in Sprechrollen gibt. Das schränkt die Möglichkeiten schon stark ein, festgefahrene Geschlechterrollen aufzubrechen. Allerdings dürfen diese wenigen Frauenfiguren dann emanzipatorischer Auftreten als in bisherigen Indiana Jones-Filmen. Dass mit Mason eine Schwarze Frau Ende der 1960er Jahre im Dienst der CIA gezeigt wird, ist dabei ungewöhnlich positiv, allerdings wird sie in ihrer Rolle ständig von den NAZI-Schergen übergangen, ignoriert und ausgegrenzt.

Helena sticht in einigen Momenten durchaus positiv hervor. Als selbstständige, unabhängige Frau mit einem breiten Wissen an historischen und archäologischen Fakten wirkt sie kompetent. Als moralisch ambivalente Diebin und Schmugglerin entspricht sie weder den positiven noch negativen Klischees der meisten Frauenfiguren in Abenteuer-Actionfilmen im allgemeinen und ist eine willkommene Abwechslung zu bisherigen Frauenfiguren im Indiana Jones Franchise im Speziellen. Diese waren entweder tollpatschige Damsels in Distress oder Schurkinnen.

Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) umringt von zwielichtigen Gestalten und Indiana Jones© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

Dennoch läd auch Helena Shaw zu Kritik ein. Denn der Film verdeutlicht in seinem späteren Verlauf, dass sie trotz ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten nicht besonders kompetent bei ihren kriminellen Aktionen ist und sich teilweise maßlos überschätzt. Warum kehrt sie ausgerechnet in die Stadt zurück, in der sie einen mächtigen Verbrecherboss getäuscht hat? Die Reliquie hätte sie auch an einem anderen Ort verkaufen können. Und obwohl sie körperlich und geistig deutlich fitter ist als Jones, bleibt sie hinter ihm zurück und ist nie vollkommen auf Augenhöhe mit ihm.

Intersektionalität

Im Ensemble der jeweiligen Indiana Jones-Filme scheint es auf den ersten Blick seit jeher recht durchmischt zuzugehen. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass Figuren bzw. deren Besetzung immer äußerst männlich und weiß gewesen sind. Schwarze Personen kamen in den 1980er-Filmen nicht vor, außer Ke Huy Quans Shorty gab es asiatische Menschen nur als klischeehafte Randbemerkungen und der wiederkehrende arabische Freund Indys, Sallah, wird weißgewaschen von einem Waliser (John Rhys-Davies) gespielt.

CIA-Agentin Mason (Shaunette Renée Wilson) schaut frustriert© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

Letzterer tritt auch in Indiana Jones und das Rad des Schicksals wieder auf. Mit Mason gibt es zwar eine schwarze Frau, diese wird aber wie schon erwähnt schnell beiseite geschoben. Ähnlich verhält es sich mit Antonio Banderas, der lediglich einen Kurzauftritt hat. Lediglich Teddy (Ethan Isidore), stellt eine dauerhafte Person of Color dar. Bis auf zwei Szenen bleibt er jedoch im Hintergrund und hat wenig Einfluss auf die Handlung. Seine Hintergrundgeschichte als Straßenkind bleibt sehr oberflächlich und wir erfahren wenig über ihn. Die Funktion seiner Rolle erinnert an die von Shorty in Tempel des Todes   Allgemein ist der Film sehr weiß, sehr männlich und heteronormativ.

Dresscode & Sexappeal

In Sachen Kleidung bedient sich der Film, wie bei so vielen anderen Elementen, der Herangehensweise der Vorgänger. Männer tragen pragmatische Kleidung, Frauen eher aufreizende. Helena Shaw wechselt während der Handlung recht häufig ihr Outfit. Kleidet sie sich bei ihrem ersten Auftreten noch hochgeschlossen und unauffällig, um an der Universität nicht aufzufallen, ändert sich das deutlich, sobald die Reise beginnt. In Tanger trägt sie eine auffällige rote Seidenbluse, bei der sie sich nach einem Scharmützel die Ärmel abreißt und somit noch mehr Haut zeigt. Später in Syrakus trägt sie eine weiße Kurzarmbluse, die sie sich sexy am Bauch eng zusammen knotet. Immerhin, den männlichen Blick der Kamera gibt es nicht.

Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) und Indiana Jones (Harrison Ford)© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

Im Gegensatz dazu trägt Indiana Jones selbst die meiste Zeit sein klassisches Abenteurer Outfit mit robuster Hose, Hemd und Jacke. Sexappeal versprüht Ford in seiner Rolle nicht mehr, im Gegenteil, der Film zeigt anfangs schonungslos seinen gealterten Körper, ohne diesen jedoch zu werten. Sexszenen gibt es keine, lediglich einen Kuss aus respektvoller Entfernung zwischen Indiana Jones und seiner Exfrau.

Dramaturgie

Wie schon angedeutet, dreht sich in erster Linie alles um die titelgebende Hauptfigur. Von Anfang bis Ende erleben wir die Geschichte aus der Perspektive von Jones, nur in einer kurzen Action-Sequenz verfolgen wir Helenas Route. Somit ist es auch Jones, der nach dem inciting incident (auslösendes Moment) durch Helenas Besuch immer wieder die Handlung vorantreibt. Er crasht die Auktion in Tanger, er findet die antike Wachstafel und damit den zweiten Teil des Artefakts, er löst das Rätsel in Archimedes Grab, er erkennt Vollers Fehlkalkulation. Helena bleibt dabei der Sidekick und darf nur ein einziges Mal eine relevante Entscheidung treffen.

Indiana Jones (Harrison Ford) und Teddy (Ethan Isidore)© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen.

Neben dem Plot des Films geht es auch primär um Jones‘ persönliche Geschichte. Wir erleben ihn zu Beginn des Films als desillusionierten Archäologieprofessor, der gerade in Rente geht, aber die Freude am Leben gänzlich verloren hat. Sein Sohn ist im Militärdienst gestorben, seine Frau hat ihn verlassen, zu Freund:innen hat er den Kontakt abgebrochen. Indiana Jones ist ein gebrochener, umfassend kapitulierender Mann. Nachdem die Welt gerettet ist, erleben wir sein persönliches Happy End – und auf dieser Note endet auch der Film.

 

Botschaft: Nostalgische Altherren-Helden retten die Welt, alle anderen dürfen großzügigerweise helfen.

Gesamtwertung: 3

Indiana Jones und das Rad des Schicksals läuft seit dem 29. Juni im Kino