Blockbuster-Check: Avengers: Infinity War

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

Achtung: Auf Grund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein

Held_innen

In Avengers: Infinity War kommt ein atemberaubendes Ensemble an Superheld_innen zusammen. Dabei ist es jedoch kein Geheimnis und deshalb auch nicht sonderlich überraschend, dass die Frauen*quote in dieser illustren Runde zu wünschen übrig lässt. Ohne die Guardians of the Galaxy mit immerhin zwei weiblichen* Crewmitgliedern und die Heldinnen in Wakanda sähe die Bilanz in dieser Kategorie rein zahlenmäßig ziemlich traurig aus.

Also ja, es gibt ein paar Frauen*figuren, die offiziell den Namen Heldin, ja sogar „Superheldin“ tragen. Was sie allerdings noch lange nicht zu Heldinnen der Geschichte macht, wie der folgende Blockbuster-Check Kategorie für Kategorie zeigen wird. Aus meiner Sicht gibt es in Avangers: Infinity War nur eine einzige Frauen*figur, die tatsächlich als Heldin fungiert: Scarlot Witch (Elizabeth Olsen). Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kolleginnen sind Scarlot Witch nämlich echte Heldinnenmomente vergönnt, also Szenen, in denen sie ihre Kräfte und ihren Mut in einer pathetischen Inszenierung unter Beweis stellen kann. Mehrfach rettet sie ihren Partner und Mitstreiter Vision (Paul Bettany), sie wird vor eine schwierige moralische Entscheidung gestellt, die sie heldinnenhaft zu treffen weiß. Sie entbehrt jedoch wie jede andere Frauen*figur in diesem Film einer eigenen Mission, ist lediglich Mitläuferin der von Männern* losgetretenen Handlung und ihre Heldinnentaten bleiben weitgehend konsequenzlos. Doch dazu später mehr.

© Marvel Studios

Die zweite Anwärterin auf die Auszeichnung als Heldin ist Gamora (Zoe Zaldana), die vom Skript jedoch auf geradezu schändliche Weise zum Objekt degradiert wird. Ihr sind kaum kraftvolle Momente vergönnt, das initiative Handeln der Figur beschränkt sich auf ein Minimum und stattdessen bleibt ihre Funktion für die Geschichte vornehmlich über Männer* definiert – Partner Starlord (Chris Pratt) und Stiefvater Thanos (Josh Brolin).

ACHTUNG: BESONDERS STARKER SPOILER

Im Zuge einer leider nur allzu klassischen Wendung der Geschichte, wird Gamora der Märtyrerinnenauftritt verwehrt, nur damit sie später durch die Hand eines männlichen* Charakters unfreiwillig geopfert wird. Diese Vorgehensweise ist ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie Heldinnentum in Blockbuster-Filmen durch die Erzählung unterminiert wird und ist in meinen Augen der größte feministische Wermutstropfen dieses Films.

SPOILER ENDE

Grundsätzlich fällt auf, dass Körperkraft auch im Superheld_innen-Universum der Avengers noch immer vornehmlich männlich* definiert ist. Die übersinnlichen Kräfte der weiblichen* Avengers sind oftmals nicht-körperlicher Natur, wie beispielsweise die „energetischen“ Kräfte von Scarlet Witch oder auch die psychologisch-empathischen Tricks von Mantis (Pom Klementieff ). So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass körperliche Größe und somit Raumeinnahme ebenfalls männlichen* Figuren vorbehalten ist. Hier sind in erster Linie der gigantöse Thanos und Hulk (Mark Ruffalo) zu nennen, auch wenn letzterer in diesem Film mit anhaltenden „Potenzproblemen“ zu kämpfen hat. Die Kamera betont die physischen Unterschiede zwischen Männern* und Frauen* noch zusätzlich, wie beispielsweise in einer Szene zwischen Starlord und Gamora, in der die eigentlich in jeglicher Hinsicht überlegene Frau* neben ihrem Partner und Kollegen übertrieben zierlich erscheint. Hier wird der entmächtigende Umgang des Films mit dieser Frauen*figur eindrucksvoll in die Bildsprache übersetzt.

© Marvel Studios

Andere Heldinnen wie Black Widow (Scarlett Johansson), Nebula (Karen Gillian) und Okoye (Danai Gurira) dürfen sich zwar in Actionszenen bewehren, verfügen jedoch über keine nennenswerte eigene Storyline und dienen maximal, wie im Fall von Nebula, als Katalysatoren der natürlich viel wichtigeren Geschichten über Männer. Auch Shuri (Letitia Wright) erleidet das Schicksal der Bedeutungslosigkeit. Erscheint sie zunächst noch als Hoffnungsschimmer am Horizont einer Welt, in der ausschließlich Männer* geniale Eingebungen haben können, wird auch der blitzgescheiten Wissenschaftlerin aus Wakanda hier jeglicher Heldinnenmoment verwehrt.

Grundsätzlich ist Avengers: Infinitiy War geschlechterübergreifend ein immens pessimistischer Film, in dem auch die Helden oft hilflos und ihre Handlungen letztlich vergebens erscheinen. Nichtsdestotrotz sind sie es, die die Geschichte und ihren Verlauf dominieren und damit ein weitaus empowernderes Identifikationspotential bieten als ihre Kolleginnen.

Gegenspieler_innen

Wie es sich für das Superheld_innen-Genre gehört, haben Frauen* auf der Seite des Bösen nichts zu suchen. Einzig Proxima Midnight (Carrie Coon), die als solche jedoch nicht namentlich genannt wird, tritt im Gefolge von Thanos als eindeutig weiblich* lesbare Figur auf. Sie bleibt jedoch eine anonyme Handlangerin ohne eigene Agenda und ist damit ihren Widersacherinnen auf der Seite des Guten gar nicht so unähnlich.

© Marvel Studios

Geschlechterrollen allgemein

Es dauert verdammt lange, bis in Avengers: Infinity War die erste Frau* auftritt. Und es ist ausgerechnet Pepper (Gwyneth Paltrow) in ihrer ersten und letzten Szene, in der sie – wie sich das halt für Frauen*figuren gehört – mit Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.) über die von ihm angestrebte Familienplanung diskutiert. Anschließend verschwindet Pepper im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche und tritt nur noch ein einziges weiteres Mal als Stimme auf, wenn sie als besorgte domestizierende Ehefrau* Tony im Zuge seiner Weltrettungsmission anruft und bittet, zu ihr zurückzukehren. Damit erinnert Pepper verdächtig an Frauen*figuren im klassischen Western, die ebenfalls ausschließlich dazu dienen, den wilden und mutigen Mann* in die böse, entmännlichende Zivilisation zu locken.

Insgesamt ist wahrlich keine detaillierte Aufstellung von Cast und Statist_innen notwendig, um beurteilen zu können, dass auch in Avengers: Infinity War ein immenses Übergewicht männlicher* Figuren herrscht. Die Armee von Wakanda ist in dieser Hinsicht geradezu tröstlich und mensch fragt sich, warum Black Panther eigentlich der einzige Marvel-Film ist, in dem Frauen* die Hälfte der Gesellschaft darstellen. „Frauen* und andere Minderheiten“ kommt mir dabei immer den Sinn…

Auch auf der Handlungsebene hat Avengers: Infinity War eine klare Geschlechterpolitik, die Männern* mehr Bedeutung zukommen lässt. Bösewicht Thanos sucht nach magischen Steinen, die ihm die vollkommene Macht über das Universum verleihen und einige dieser Schätze sind in Besitz von Figuren mit Superkräften. Und wie sollte es auch anders sein, handelt es sich dabei nur um Männer*. Wer würde auch einer Frau* die Teilverantwortung für das Universum übertragen? Is doch Quatsch.

© Marvel Studios

Dresscode und Sex-Appeal

Objekte der Begierde, im romantischen und nicht im objektifizierend erotischen Sinne, sind in Avengers: Infinity War sowohl männlich* wie auch weibich* besetzt, wobei Liebe hier eine ziemlich untergeordnete Rolle spielt. Dass Starlord um seine entführte Gamora fürchtet, gleicht das Drehbuch damit aus, dass Scarlet Witch den gesamten Film wieder und wieder Vision zur Hilfe eilen und um seine Sicherheit fürchten muss. Aber für richtige Liebesgeschichten ist in diesem überaus dramatischen Superheld_innenfilm ohnehin kaum Platz.

Ein eindeutiger Unterschied zwischen männlichen* und weiblichen* Figuren besteht aber in dem von mir liebevoll „Drei Wetter Taft“-Syndrom getauften Umstand, dass nur Superhelden durch ihre Taten körperlich zerstört wirken. Egal wie viele Schlachten Frauen* sich liefern, sie sehen – wie die Dame aus der alten „Drei Wetter Taft“-Werbung – immer aus wie gerade erst der Maske entsprungen. Besonders stark tritt das in Hinblick auf den nun einäugigen Thor (Chris Hemsworth) zu Tage, dem die vorgehenden Kämpfe und Abenteuer mehr als deutlich anzusehen sind. Auch Bruce Banner alias Hulk sieht in seinen ersten Auftritten stark mitgenommen aus und Peter Dinklage tritt als gebrochener überdimensionierter „Zwerg“ (hier Selbstbezeichnung) auf, dessen Charakternamen ich leider nicht mitgeschnitten habe.

Selbiges lässt sich von den Superheldinnen leider nicht behaupten. Lediglich Nebula ist vorübergehend „demontiert“, allerdings nicht als Folge großer Heldinnentaten, sondern als Folge einer männlichen* Fremdeinwirkung. Klar. Was sonst.

© Marvel Studios

Dramaturgie

An dieser Stelle wird es jetzt richtig interessant, denn obwohl das Ensemble ja doch einige Frauen*figuren zu bieten hat, besitzt KEINE von ihnen nennenswerten Einfluss auf den Verlauf der Handlung. Die strukturelle Macht liegt allein in den Händen der Männer * – im Guten wie im Schlechten. Dabei wird insbesondere Gamora, wie oben erwähnt, die dramaturgische Einflussnahme explizit durch ein männliches* Gegenüber verwehrt. Jegliche handlungsweisenden Ideen gehen von Männern* aus und es sind auch ausschließlich Männer*, die die einzelnen Arme der weit verzweigten Storyline anführen. Schließlich ist auch Vorzeigestaat Wakanda männlich* regiert. Heldinnentaten, wenn in Avengers: Infinity War überhaupt erzählt, bleiben letztlich ohne Konsequenz für den Verlauf der Dinge. Das gilt insbesondere für Scarlet Witch und Shuri.

Die einzigen weiblichen* Figuren mit einer eigenen Geschichte sind Gamora und Scarlet Witch – doch auch in diesen Handlungssträngen stehen bei genauerer Hinsicht Männer* im Fokus, während Frauen* lediglich die Dekoration bilden. Auch in dieser Kategorie kann Avengers: Infinity War also keine Punkte für sich verbuchen.

Botschaft

Selbst ein „impotenter“ Held* ist immer noch spannender als jede noch so starke Heldin. Für Frauen* und andere Minderheiten gibt es ja Wakanda. Und das reicht doch! Echt mal!

Gesamtwertung: 3

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

Kinostart: 26. April 2018

Sophie Charlotte Rieger
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