The Bling Ring
Was gelangweilte Teenager aus gutem Hause so treiben, um ihrem gleichförmigen Leben ein wenig Pepp zu verleihen, habe ich selbst erlebt und rückblickend bin ich verdammt froh, dass es zu meiner Zeit noch kein Facebook oder Twitter gab. Denn diese Online-Institutionen, und ich glaube Sofia Coppola würde mir da zustimmen, tragen maßgeblich zu den Ereignissen in ihrem neuen Film The Bling Ring bei. Bei uns wurden nur Poster aus Bushaltestellen geklaut oder Kaugummis aus dem Kiosk. Genau kann ich das aber nicht sagen, denn ich war eigentlich nie cool genug, um bei solchen Ereignissen dabei zu sein. Man könnte es aber auch anders formulieren: Ich hatte Besseres zu tun.
Das können die Protagonist_innen bei Coppola von sich nicht behaupten. Von Wissenszuwachs durch Schulbildung halten sie wenig, stattdessen dreht sich ihr ganzes Leben um Mode und Celebritys. Immerhin leben sie in L.A. und können in ihrem Lieblingsclub Paris Hilton beim Feiern beobachten. Berufliche Ziele haben sie keine, aber berühmt wollen sie sein, vielleicht ein Parfüm kreieren oder ein Lifestyle-Label… Die Oberfläche hat die Substanz vollends ersetzt. Was zählt ist die Verpackung und ihre Präsentation. „Ich mit meiner neuen Prada-Tasche“ könnte die Unterschrift eines klassischen Facebook-Fotos einer der Hauptfiguren sein. Ständig halten sie ihre gespitzten Schnuten in die Kamera, um ihre Abenteuer für die ganze Welt sichtbar zu verewigen. Mit ihren nächtlichen Raubzügen prahlen sie, denn Ruhm ist Ruhm. Negative Publicity gibt es eben nicht – das ist ja nichts Neues. Stolze acht Mal brechen sie des Nachts in die Villa von Paris Hilton ein, feiern wilde Partys und bedienen sich an Kleidung, Schuhen und Schmuck wie in einem Kaufhaus. Nur ohne zu bezahlen natürlich.
Das Erschreckende an diesem Szenario ist, dass die vier Mädels und ihr schwuler Freund keinerlei Gewissensbisse zu haben scheinen. Paris und Co. haben doch schließlich genug Geld! Dass ein Einbruch immer eine Verletzung der Privatsphäre, vielleicht gar des persönlichen Schutzraums darstellt, kommt ihnen nicht in den Sinn. Gibt es wirklich derart hohle Social-Media-Zombies? Ich mag es nicht glauben. Auf der anderen Seite: Wenn Promi-Magazine und Reality-TV den einzigen intellektuellen Input darstellen – was soll schon anderes dabei heraus kommen?
Ich würde die ganze Geschichte ohne mit der Wimper zu zucken mit filmischer Fiktion abtun, doch so einfach ist es nicht. Denn The Bling Ring basiert auf einer wahren Begebenheit und Sofia Coppola hat ihre Figuren anhand von Aussagen der wahren Täter_innen konstruiert. Paris Hilton hat nicht nur ihre Villa als Drehort zur Verfügung gestellt. Sie gehört auch wirklich zu den Prominenten, die von den Jugendlichen einst ausgeraubt wurden. Schwer zu glauben, dass es ein paar verzogenen Gören gelingt, in fremde Villen einzusteigen. Ob Paris Hilton ihren Schlüssel wirklich unter der Fußmatte versteckt, konnte ich leider nicht herausfinden.
Aus mir unerklärlichen Gründen zieht Sofia Coppola die Geschichte ausgerechnet anhand des einzigen männlichen Ensemble-Mitglieds auf. Mark (Israel Broussard) ist neu an der Schule und findet in Rebecca (Katie Chang) eine lang ersehnte beste Freundin. Der wenig selbstbewusste Junge ist zunächst skeptisch und fürchtet, ertappt zu werden. Doch je mehr teure Modeartikel er anhäuft, je mehr Drogen er nimmt, je mehr exklusive Partys er besucht, desto besser gefällt ihm dieses Leben auf der Überholspur.
Emma Watson, die als prominentestes Cast-Mitglied in der Vermarktung des Films eine besonders große Rolle spielt, taucht nur in einer Nebenrolle auf und es ist, als würde sich Sofia Coppola bei dieser Entscheidung ein wenig ins Fäustchen lachen. Zumindest hoffe ich das, denn vor dem Hintergrund ihrer Filmhandlung wäre es sonst paradox, auf so ziemlich jedem offiziellen Bild eine Nebenfigur in den Mittelpunkt zu stellen, nur weil diese einen großen Wiedererkennungswert birgt. Ohnehin wirkt Emma Watson in dem Ensemble ein wenig deplatziert. Mich hat es stark irritiert, dass der Harry Potter Star auf der Leinwand noch immer Schulmädchen verkörpert. Wer soll ihr das denn abnehmen? Ich jedenfalls nicht! Ich vermute, dass es ihr eben niemand wirklich abnehmen soll, sondern dass uns diese Besetzung unsere eigene Blasiertheit verdeutlichen will, mit der wir einen Film nicht auf Grund seines Themas, sondern der Hauptdarsteller:innen mit dem größten Glamour-Faktor aussuchen.
Sofia Coppola foppt uns noch in einer anderen Hinsicht. Ihre Geschichte ist langweilig. Dass sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen absichtlich strapaziert, glaube ich aus verschiedenen Gründen. Zum einen traue ich ihr nach ihren bisherigen Filmen schlichtweg mehr zu. Zudem habe ich Marie Antoinette ähnlich empfunden. Auch in dieser außergewöhnlichen Historienverfilmung gehört die Langeweile zum Programm. Das Leben der Hauptfigur ist leer. All der Reichtum, all die vermeintlichen Vergnügungen eines royalen Alltags, entpuppen sich als hohl und gänzlich sinnbefreit. Und ebenso ergeht es den Figuren in The Bling Ring. Im Grunde ist die Handlung unerträglich repetitiv. Immer wieder dieselben Bilder von Luxusbehausungen, Klamotten, Schmuck, Schuhen, Handtaschen. Immer wieder dieselben Handy-Selbstportraits. Immer wieder dieselbe Party-Location. Es ist die ewige Wiederkehr des Gleichen. Und es ist langweilig. Es ist langweilig, weil es keinen Inhalt hat, sondern nur eine Oberfläche, unter der einfach nichts stattfindet. Keine nennenswerte Charakterentwicklung, kein Plot, kein gar nix. Ich glaube nicht, dass Sofia Coppola hier versagt hat. Ich glaube, sie hat alles richtig gemacht. Denn nur so kann sie uns den Geist ihrer Geschichte vermitteln, den ich am besten mit „Vanitas“ umschreiben kann.
In meinen Augen ist The Bling Ring somit ein guter, wenn nicht gar ein sehr guter Film. Unterhaltsam macht ihn das jedoch nicht. Aber auch das passt für mich wieder in das Gesamtkonzept. Es geht eben nicht immer nur um den Spaßfaktor. Manchmal geht es eben auch um Substanz. Wer The Bling Ring nicht mag, weil er langweilig ist, hat den Film nicht verstanden!
Kinostart: 15. August 2013
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