FFHH 2024: Good One – Kurzkritik

In ihrem Langfilmdebüt Good One erzählt India Donaldson wie ein gemeinsames Wanderwochenende die Beziehung zwischen Sam (Lily Collias) und ihrem Vater Chris (James Le Gros) für immer verändert. Oder vielleicht auch nicht – vielleicht treten durch die Ereignisse auch nur Aspekte ihrer Beziehung zu Tage, die zuvor im Verborgenen, im Unbewussten lagen. 

Gemeinsam mit Chris‘ Freund Matt (Danny McCarthy) begeben sich Vater und Tochter auf eine Wanderung durch die US-amerikanische Wildnis. Mit Zelt, Campingkocher und Funktionskleidung sind Sam und Chris bestens gerüstet, während Matt in diesem Setting ein wenig fehl am Platz wirkt. Sam, die demnächst aufs College gehen wird, wohnt den Dialogen der beiden älteren Männer bei, die sich wahlweise um zurückliegende Abenteuer oder Ex-Frauen drehen, und bleibt vornehmlich in der Rolle der Beobachterin. Es schwingt eine ganz leise Misogynie mit, so leise, dass sie gut zu überhören ist. Überhaupt ist Good One ein leiser Film, dessen Handlung ereignisarm dahinplätschert und der sich einen Großteil seiner 90 Minuten Laufzeit der Charakterisierung der Figuren und ihrer Beziehungen untereinander widmet. Das Publikum wandert mit Sam, Chris und Matt durch den Wald, lauscht ihren Gesprächen und beobachtet die im Grunde unspektakulären Vorgänge des Campinglebens. Und doch baut sich durch die leisen Zwischentöne mehr und mehr eine Spannung auf, die eigentlich erst dann richtig spürbar ist, als sie sich in einem nur wenige Zeilen umfassenden Dialog entlädt und dem Film eine völlig neue Richtung und Bedeutungsebene gibt. Plötzlich wirkt nichts mehr alltäglich und ereignisarm, plötzlich ist alles aufgeladen mit Sams Gewissheit, in einer sexistischen und misogynen Welt zu leben, zu der auch ihr Vater gehört. Und kaum haben wir als Publikum das verstanden, ist Good One auch schon wieder vorbei und hinterlässt uns mit eben jenem dumpfen Gefühl von Hilflosigkeit, das wir in den letzten Minuten auf Sams Gesicht ablesen konnten. 

Good One seht ihr beim Filmfest Hamburg 2024.

Sophie Charlotte Rieger
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