FFMUC 2019: Late Night – Die Show ihres Lebens

Katherine Newbury (Emma Thompson) ist die einzige Late Night Show Moderatorin der USA. Und über 50. Und nicht in den sozialem Medien aktiv. In Anbetracht dieser Kombination ist es nicht weiter verwunderlich, dass ihr trotz allgemeiner Beliebtheit nun das Karriereende droht. Also was tun? Ein paar Veränderungen müssen her, wie beispielsweise eine weibliche* Autorin im sonst rein männlichen* Writer’s Room. Da kommt die indischstämmige Molly Patel (Mindy Kaling) gerade recht, denn sie ist ja immerhin nicht nur eine Frau*, sondern auch noch eine Person of Color. Womit jedoch keine_r gerechnet hat: Molly ist vor allem auch begabt und verhilft der Show trotz heftigen Gegenwinds innerhalb des männlich* und weiß dominierten Teams zu neuem Ruhm. Bis Katharine mit einem Sexskandal in der Klatschpresse landet…

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© FILMFEST MÜNCHEN 2019 / Emily Aragones

Es ist sicherlich kein Zufall, dass Hauptdarstellerin Emma Thompson mit ihrem kurzen blonden Haar an Ellen Degeneres erinnert, eine der bekanntesten US-amerikanischen Talkshow-Moderatorin und Comediennes. Im Unterschied zu dieser realen Person ist Katherine jedoch heterosexuell: Sie führt eine liebevolle Ehe mit ihrem an Parkinson erkrankten Ehemann Walter (John Lithgow). Dass es sich hier im Gegensatz zu Degeneres nicht um eine queere, sondern aus jeglicher Perspektive privilegierte Person handelt, hat innerhalb des Filmkonzepts jedoch System, denn genau darum geht es: Privilegien und wie mit ihnen verantwortungsvoll umgegangen werden kann.

Allerdings hebt Late Night – Die Show ihres Lebens hier weniger den moralischen Zeigefinger, um Diversität in der Fernsehbranche zu postulieren, sondern wählt geschickter Weise den Weg des ökonomischen Arguments. Denn es ist gerade Mollys Perspektive, geprägt durch ein Leben als Woman of Color in einer weißen und männlich* dominierten Gesellschaft, die das strauchelnde Showkonzept wieder erfolgreich macht. „Diversität lohnt sich auch finanziell!“, so der implizite Werbeslogan dieses Films von Regisseurin Nisha Ganatra.

Aber Ganatras Film liefert nicht nur eine wertvolle Botschaft, sondern ist auch außerordentlich unterhaltsam. Drehbuchautorin und zweite Hauptdarstellerin Mindy Kaling (Ocean’s 8) liefert herrliche Dialoge, die immer wieder treffgenau auf Sexismus und Rassismus in der Branche verweisen. Dass hier hinter der Kamera zwei Personen of Color gearbeitet haben, ist dem Film insofern deutlich anzumerken, als dass auch das Motiv des „White Saviors“ direkt adressiert und durch den Film reflektiert wird. So ist Katherine eben nicht die Retterin der aufstrebenden Autorin Molly, sondern eher andersherum, die junge Autorin Retterin der weißen Frau*. Katherine erkennt im Laufe der Geschichte nicht nur ihren eigenen Rassismus, sondern auch ihren Sexismus, der sich beispielsweise in ihrem heterogen männlichen* Team ausdrückt. Ganz ohne Klischees kommt diese Entwicklung dann aber leider nicht aus, denn wie die meisten beruflich erfolgreichen Frauen* im Film wird auch Katherine als verknöcherte und – von ihrer Ehe einmal abgesehen – einsame Person eingeführt, die ihr Team mit einem strengen wie auch unpersönlichen Zepter führt. Ihre Entwicklung hin zu mehr Menschlichkeit konsolidiert somit eine Idee von Weiblichkeit*, die untrennbar mit Empathie und Emotionalität verknüpft ist.

© FILMFEST MÜNCHEN 2019 / Emily Aragones

ACHTUNG SPOILER

In Anbetracht des Regie- und Drebuchteams ist der Ausgang der Geschichte dann überraschend bis enttäuschend, findet doch letztlich keine echte Revolution des Status Quo statt. Katherine darf ihre Show behalten und bleibt somit im Rampenlicht. Damit sind die Verhältnisse trotz des inzwischen divers besetzten Writer’s Room im Grunde immer noch dieselben: Die weiße Person bleibt an der Spitze der Hierarchie, auf der sie nur durch die Zuarbeit von Personen of Color thronen kann. An dieser Stelle fehlt Nisha Ganatra und Mindy Kaling die letzte Konsequenz, um ein kraftvolles Statement für eine diversere Medienwelt zu formulieren.

SPOILER ENDE

© FILMFEST MÜNCHEN 2019 / Emily Aragones

Wir könnten Katherine aber natürlich auch als Alliierte begreifen, als eine weiße Frau*, die ihre Privilegien erkennt und dazu nutzt, für eine gleichberechtigte Gesellschaft einzustehen. Dabei lässt sich darüber streiten, ob dieses Engagement zwangsläufig auch die Aufgabe ihrer eigenen Karriere beinhalten muss oder ob ihre Prominenz und Öffentlichkeitswirkung als TV-Moderatorin nicht gerade den Schlüssel ihrer positiven Einflussnahme darstellt.

Late Night – Die Show ihres Lebens gibt uns also neben einem immens vergnüglichen Kinoerlebnis auch jede Menge Stoff zum Denken mit und zeigt vor allem, dass sich das eine mit dem anderen verbinden lässt. Auch feministische beziehungsweise gleichstellungspolitisch motivierte Filme können lustig sein und vielleicht sollten sie es sogar.

Kinostart: 29. August 2019

Sophie Charlotte Rieger
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