Drei Gedanken zu: Maleficent – Mächte der Finsternis

Mit Maleficent – Mächte der Finsternis findet der “Emanzen-Porno” Maleficent – Die dunkle Fee, wie Filmlöwin Sophie ihn bezeichnete, seine Fortsetzung. Aurora (Elle Fanning) ist erwachsen geworden, sie regiert ein Königreich und ist mit einem Prinzen liiert, der sich nun sogar mit ihr verloben möchte. Mit Maleficent (Angelina Jolie) hat sich Autora ausgesöhnt und die im Zuge ihrer Traumabewältigung in Teil 1 nun nicht mehr ganz so dunkle Fee als Mutterfigur angenommen. Kritiker:innen bemängelten unter anderem auf Grund dieser Charakterwende der einstigen Bösewichtin, die Fortsetzung sei schwach, doch darum soll es hier nicht gehen.

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Die folgenden drei Gedanken zu Maleficent – Die dunkle Fee bieten einen kritischen Blickwinkel auf einzelne Motive und Narrative des Films. Anders als eine klassische Rezension will der Textk keine Empfehlung aussprechen, sondern zum Nachdenken anregen. Wer sich den Weg zum Happy End dieses Märchenfilms nicht spoilern lassen möchte, sollte zunächst den Film sehen und dann weiterlesen. Eine weitere Vorbemerkung: Maleficent – Mächte der Finsternis ist ein Fantasyfilm, seine Macher:innen und Rezipient:innen jedoch sind Teil menschlicher (oder auch unmenschlicher) Gesellschaften, weshalb er zwingend im Kontext dieser Gesellschaften betrachtet werden muss. Aus feministischer Perspektive sind selbstverständlich Geschlechterverhältnisse, sowie Rollenbilder relevant. Versteht eins Feminismus weiter gefasst als eine Kritik von Ungerechtigkeit und Herrschaftsverhältnissen, sind zudem die Bezüge zu antikolonialen Kämpfen interessant.

Mutterschaft: Der Widerspenstigen Zähmung

Die Boshaftigkeit Maleficents wurde in Maleficent – Die dunkle Fee dekonstruiert. Ihr Wechsel aus der alten Rolle als dunkle Fee in die neue Rolle als Mutter reproduziert die Zweiteilung von Geschlecht in den starken, mächtigen Mann auf der einen und die liebevolle, fürsorgliche, mütterliche Frau auf der anderen Seite. Die Entwicklung Maleficents ist in diesem Sinne keine Emanzipation durch die Überwindung ihrer Traumata, sondern eine Zähmung. In diesem Narrativ ist die rebellische Frau erst dann glücklich, wenn sie ihrer gesellschaftlichen Bestimmung folgt und die Rolle einer Mutter übernimmt. Doch Mutter ist nicht gleich Mutter.

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Nachdem der erste Film Männer zum einzigen wahren Übel erklärt hat, bekommt Maleficent nun eine weibliche Antagonistin: Königin Ingrith (Michelle Pfeiffer). Diese soll nun Auroras Schwiegermutter werden. Bei der Familienzusammenführung provoziert sie Maleficent mit der Aussage, die ehemals böse Fee sei keine echte Mutter. Damit zielt Ingrith einerseits darauf ab, dass die Fee trotz ihrer neuen Rolle die Erwartungen an eine Mutter nicht erfüllt. Die Königin selbst inszeniert sich nämlich als idealtypische Mutterfigur, die sich fürsorglich für ihre Familie aufopfert. Diesem konservativen Bild von Mutterschaft steht Maleficent gegenüber, die erst eine Beziehung zu Aurora aufbauen musste und darüber auch nicht ihre Eigenständigkeit oder Eigenwilligkeit einbüßte. Gleichzeitig geht es der Königin also auch darum, sich selbst als bessere, weil biologische Mutter darzustellen. Glücklicher Weise löst Maleficent – Mächte der Finsternis das durch Ingrith verkörperte konservative Bild von Mutterschaft und Familie durch deren Verrat  und die starke Loyalität zwischen Aurora und Maleficent auf.

Indigene sind keine Fabelwesen

Während der König von einer Versöhnung des Reichs der Menschen und der Feen träumt, betreibt seine Frau Ingrith eine geheime Waffenfabrik unter dem Schloss. Ziel der Königin ist nichts Geringeres als die Auslöschung der Feen. Wie schon im ersten Teil ist die Anspielung auf Kolonialismus wenig subtil. Der Vergleich der Feen mit kolonisierten Völkern unterstützt auf problematische Weise ein Othering, also eine Abgrenzung und Klassifizierung des “Fremden”, Andersartigen. Feen sind keine Menschen, eine Unterscheidung dieser Gruppen ist durchaus plausibel. Mit der Metapher von Kolonisierten als Fabelwesen verschleiert Maleficent – Mächte der Finsternis, dass die Unterscheidung zwischen der Eigen- und der Fremdgruppe eben nicht auf körperlichen Merkmalen wie der Hautfarbe oder – in der Filmwelt – Flügeln beruht, sondern durch gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnissen hervorgebracht wird. Rassistische Verfolgung trifft Menschen nicht, weil sie tatsächlich anders oder fremd sind, sondern weil eine überlegene Gruppe Menschen entscheidet, dass sie ungleichwertig seien.

Besonders schwierig ist die Szene des Giftgaseinsatzes in einer verschlossenen Kirche. Diese erinnert an Genozide im Kolonialismus oder den Holocaust. Eine solche Metaphorik muss vor dem geschichtlichen Hintergrund sensibel behandelt werden, da sie sonst Gefahr läuft, unfassbares, reales Leid zu verharmlosen. Die systematische Auslöschung ganzer Völker und Bevölkerungsgruppen kann nicht mit kunterbunten Feenwesen gleichgesetzt werden, die anmutig im Gas verpuffen und sich in Blumen verwandeln.

Das Happy End als Schlussstrich antikolonialer Kämpfe

In der finalen Schlacht bedient sich Maleficent – Mächte der Finsternis der Ästhetik des indigenen und antikolonialen Widerstands. Ganz im Sinne des Emanzen-Pornos werden die feeischen Krieger:innen zu “edlen Wilden” stilisiert. Im Gegensatz zu den Menschen kämpfen sie mit primitiven Waffen und tragen keine Rüstung. Ihre Kostüme entsprechen dem Stereotyp indigener Bekleidung mit Kriegsbemalung und Federschmuck. Sie sind naturverbunden und verfügen über mystische Kräfte. Damit knüpft Maleficent an ein in der europäischen Kunst und Literatur weit verbreitetes Klischee an. Dieses Klischee des “edlen Wilden” legt Indigene auf eine idealisierte Ursprünglichkeit fest und spricht ihnen jedwede Handlungsmacht oder Entwicklungsfähigkeit ab. Somit festigt es den Anspruch auf zivilisatorische Überlegenheit der weißen Europäer:innen.

Das Aufbegehren der Feen ist im Verhältnis zur Gewalt ihrer Unterdrücker:innen zudem auch vergleichsweise harmlos. Maleficent – Mächte der Finsternis gesteht den Unterdrückten Gewaltausübung nur im Sinne einer Selbstverteidigung zu. Mit dem Sieg über Ingrith verwirken die Feen das Recht auf Wiedergutmachung oder Rache. Statt hier das geschehene Unrecht, seine Folgen und Narben sichtbar zu machen und eine Aufarbeitung zu thematisieren, wird es durch den nahtlosen Übergang zum Happy End unter den Teppich gekehrt.

Bei all dem Potential feministischer und antikolonialer Befreiung stützt Maleficent – Mächte der Finsternis auf diese Weise schließlich das Narrativ der Herrschenden (sei es in rassistischen und/oder patriarchalen Strukturen), eins müsse die Vergangenheit ruhen lassen. Die Verbindung der beiden Reiche durch die Heirat des menschlichen Prinzen und Auroras, die als Mensch über das Reich der Feen herrscht, hinterlässt vor dem Hintergrund des kolonialistischen Subtext des Films als Happy End einen ziemlich bitteren Beigeschmack.

DVD-Veröffentlichung:27. Februar 2020

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