Blockbuster-Check: Ant-Man and the Wasp

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

Achtung: Auf Grund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein

Held_innen

Ant-Man and the Wasp beginnt unfassbar vielversprechend mit einer Rückblende auf die Backstory von Dr. Hank Pym (Michael Douglas) und seiner Ehefrau Janet (Michelle Pfeiffer), die hier das tun darf, was sonst allen Filmheldinnen verwehrt bleibt: zur Rettung der Welt ihr Leben opfern. Dieser langersehnte Durchbruch in der Filmgeschichte des Blockbuster-Kinos wird aber leider umgehend relativiert, wenn Hank und seine Tochter Hope (Evangeline Lilly) in der Gegenwartshandlung darüber beraten, mit welchen wissenschaftlichen Spielereien sie die verschollene Mutter aus dem Quantenraum befreien könnten. Das war’s dann also: Janet verliert nicht nur ihren Märtyrerinnen-Status, sie muss nun auch noch von einem Mann* gerettet werden. Doch dazu später mehr.

Grundsätzlich ist es nämlich zu allererst jubelnden Applaus wert, dass die in Ant-Man so stiefmütterlich an den Rand gedrängte Hope nun endlich auch zur Superheldin Wasp werden darf, die Ant-Man nicht nur durch ihre Flügel, sondern vor allem durch ihre Fachkenntnis haushoch überlegen ist. Denn während Scott (Paul Rudd) von Physik, Quantenmechanik und der darauf basierenden Technologie nicht mehr Ahnung hat als ich, ist Hope eine beeindruckende Wissenschaftlerin. Doch damit nicht genug: Der Film schenkt ihr auch zahlreiche kraftvolle Actionszenen, in denen sie als Superheldin so richtig brillieren kann. Warum sie dennoch auffällig oft durch Ant-Man gerettet werden muss, erschließt sich mir dabei allerdings nicht.

©Marvel Studios 2018

Was die Hierarchie zwischen Ant-Man und Wasp angeht, ist in diesem Film über Mini-Held_innen ironischer Weise das Thema Größe problematisch. Es gibt eine Szene, in der sich Ant-Man und Dr. Bill Foster (Laurence Fishburne) darin duellieren, wer von ihnen im Superheldenanzug die beeindruckendere Vergrößerung vollzogen hat, was Hope ebenso zynisch wie treffend mit einem Freud’schen Seitenhieb kommentiert. Gleichzeitig aber bleibt der weiblichen* Heldin über den gesamten Film eben jene Fähigkeit verwehrt, statt außerordentlich zu schrumpfen eine überlebensgroße Form anzunehmen, während Ant-Man im Laufe der Geschichte vielfach „über sich hinaus wächst“. Dafür gibt’s von mir einen fetten Punktabzug.

Ebenso enttäuschend gestaltet sich die Verteilung der Held_innenmomente. Die gefährlichen Missionen, wie die Reisen in den Quantenraum, bleiben ebenso Männern* vorbehalten wie die rettenden wissenschaftlichen Geistesblitze. Mit Hope alias Wasp verhält es sich ein bisschen wie mit Frauen* im 21. Jahrhundert ganz allgemein: Offiziell sind sie gleichgestellt, aber bei genauerer Hinsicht lässt sie struktureller Sexismus regelmäßig an gläserne Decken stoßen.

©Marvel Studios 2018

Bösewicht_innen

Bei den Bösewicht_innen findet sich eine ähnlich oberflächliche Emanzipation. Denn ja, mit Ava alias Ghost (Hannah John-Kamen) gibt es eine Gegenspielerin, die nicht nur ziemlich garstig ist, sondern auch aus einer eigenen Motivation und nicht als verlängerter Arm eines Mannes* agiert. Im Gegensatz zum männlichen Gegenspieler, Sonny Burch (Walton Goggins), muss der Films für Avas Bösartigkeit aber eine Erklärung finden, die sie schließlich wieder zu einer bemitleidenswerten Opferfigur macht. Und da haben wir ihn wieder, den Blick des scheuen, angeschossenen Rehs, der mich schon bei Wonder Woman’s Dr. Poison auf die Barrikaden steigen ließ. Schlussendlich ist Ava hier nämlich eigentlich nur ein kleines vom Leben gebeuteltes Mädchen*, das vor allem von den starken Armen eines Mannes* aufgefangen werden muss. Sonny Burch hingegen bleibt bis zum Schluss das Arschloch, als das er eingeführt wurde. Also ja, es gibt eine Bösewichtin, aber ihre Charakterisierung bleibt bedauerlicher Weise sexistischen Klischees verhaftet.

©Marvel Studios 2018

Geschlechterrollen allgemein

Das mit Abstand ärgerlichste an Ant-Man and the Wasp ist das „Schlumpfine-Syndrom“. Neben der Heldin, der Gegenspielerin und der – wenn auch mit außerordentlich wenig Screentime bedachten – Heldinnen-Mutter, gibt es KEINE weiteren für die Handlung relevanten Frauen*figuren. Sämtliche Nebenrollen von Polizisten über Wissenschaftler bis hin zu bösen Handlangern sind männlich* besetzt. In vielen Gruppenszenen ist das Geschlechterverhältnis so offensichtlich unausgeglichen, dass es eigentlich allen Menschen, die an diesem Film beteiligt waren, hätte auffallen müssen – auch oder insbesondere Regisseur Peyton Reed.

©Marvel Studios 2018

Dresscode und Sex-Appeal

Die hochgeschlossenen Anzüge der Insekten-Superheld_innen unterscheiden sich kaum voneinander, und auch in Alltagskleidung sieht Hope erfrischend durchschnittlich aus. Der einzige Blick auf einen nackten Körper zeigt übrigens weder Hope noch Ava, sondern Scott und seinen perfekt durchtrainierten Sixpack.

Wie immer liegt aber auch in dieser Kategorie der Teufel im Detail und zwar einmal mehr im von mir schon öfter beschriebenen „Drei Wetter Taft-Effekt“.

ACHTUNG SPOILER

Wenn Janet nämlich nach dreißig Jahren den Quantenraum verlässt, beeindruckt sie nicht nur durch ihr Überleben in dieser abstrakten und unwirtlichen Welt, sondern vor allem auch durch ein perfektes Augenmakeup. Da sie ansonsten der Zeitspanne entsprechend gealtert ist, kann es sich hierbei übrigens nicht um die Schminke vom Tag ihres Verschwindens handeln. Somit bleiben also nur noch zwei Erklärungen: 1. Im Quantenraum gibt es eine Drogerie. Oder 2. Sie hat im Quantenraum eine_n Maskenbildner_in kennengelernt. Oder es gibt noch eine dritte Erklärung wie – einfach mal so spontan aus der Luft gegriffen – das sexistische Stereotyp, dass Frauen*, egal was sie durchgemacht haben, ob sie wild vögeln, gegen ganze Armeen kämpfen oder durch ein explodierendes Raumschiff rennen, immer perfekt aussehen!?!?

SPOILER ENDE

©Marvel Studios 2018

Dramaturgie

So viel Power die Frauen*figuren in Ant-Man and the Wasp auch in einzelnen Szenen ausagieren dürfen, so wenig Macht besitzen sie auf dramaturgischer Ebene. Der Plot des Films wird zu großen Teilen von den Männern* angetrieben: Sie haben die zündenden wissenschaftlichen Ideen und entwerfen die darauf aufbauenden Pläne. Insbesondere Wasp bleibt in dieser Hinsicht absolut passiv, beschreitet stets den von ihrem Vater vorgegebenen Weg, begegnet somit auch keinem Konflikt und kann keine Entwicklung vollziehen. Anders verhält es sich mit Ava, die sich aus der Vormundschaft von Dr. Foster vorübergehend befreit, um eigene fiese Wege einzuschlagen. Damit trägt sie dann auch gehörig zum Spannungsaufbau und der Entwicklung der Geschichte bei. Und von allen Charakteren des Films ist ihre Entwicklung, so bedauerlich harmlos die Bösewichtin dadurch auch wird, die umfassendste.

Botschaft

Alle Geschlechter sind gleich. Aber manche sind gleicher.

Gesamtwertung: 7

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

Kinostart: 26. Juli 2018

Sophie Charlotte Rieger
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