Berlinale: Queen of the Desert

Frauen in der Wildnis – das scheint das Motto der diesjährigen Berlinale zu sein. Erst Juliette Binoche im ewigen Eis in Isabel Croixets Nobody Wants the Night, nun Nicole Kidman als Queen of the Desert unter der Regie von Werner Herzog. Und wieder bietet sich der Vergleich mit dem Wilden Westen an, die Wildnis als rechts- und moralfreier Raum. Gertrude Bell (Kidman) reist jedoch nicht wie Binoches Charakter einem Mann hinterher, sie rennt vor einem davon (ganz ohne Motivation durch einen Mann scheint es also nicht zu gehen). Tief getroffen durch den Verlust ihrer großen Liebe Henry Cadogan (James Franco) begibt sie sich in der Wüste des zerfallenden osmanischen Reiches auf eine Sinnsuche, die in der Begegnung mit den Beduinen ihre Erfüllung findet.

Getrude ist gebildet. Das ist ihr großes Manko. Schon als junge Frau wird sie von den Eltern instruiert, potentiellen Ehemännern gegenüber lieber tiefzustapeln, denn kluge Frauen sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weniger in Mode als heutzutage. Doch Gertrude denkt gar nicht daran, sich in das enge Korsett der englischen Oberklasse zu fügen. „I feel so domesticated“, spricht sie wie ein echter Westernheld und bittet ihre Eltern, sie doch ins Ausland zu schicken. In Teheran trifft sie den Sekretär Henry, mit dem sie eine tiefe Liebe zu persischer Literatur verbindet (ja, das ist genauso kitschig wie es klingt).

© 2013 QOTD Film Investment Ltd. All Rights Reserved

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James Franco fungiert von seinem ersten Auftritt an als eindimensionaler Eye-Candy. Er ist durch und durch ein männliches Objekt der Begierde, das nur auf Grund seiner Seltenheit, nicht aber wegen der Übertreibung komödiantisch wirkt. Frauen nämlich spielen diesen Part seit Generationen und dieser Geschlechterrollenwechsel gehört zu den großen Stärken von Herzogs Film. Wie die Figur des überromantischen Liebhabers, ergeht sich auch die Liebesgeschichte in kitschigen Übertreibungen und seelenlosen aber ach so pathetischen Dialogen auf Groschenromanniveau, die nicht das Herz erwärmen, sondern Lachsalven provozieren. In der ersten halben Stunde wirkt Queen of the Desert wie die Persiflage eines epischen Bio-Pics. Die Männer erscheinen durch die Bank als minderbemittelte Deppen, über die sich die Zuschauer_innen lustig machen sollen, während Gertrude mit ihrer erhabenen, stets aufrechten Körperhaltung schon jetzt über ihnen thront wie eine Königin.

Doch das Konzept trägt nicht durch die zwei Stunden Film. Gertrude bleibt ein lebloses Konstrukt. So wie ihre Liebe zu Henry niemals spürbar wird, bleiben auch ihre Abenteuer seltsam blutleer. Einerseits ließe sich positiv erwähnen, dass Herzog auf die klassischen Dramatisierungen ihrer Forschungsreisen verzichtet. Es gibt hier keine leidende Heldin, die sich in einem schier vergeblichen Kampf gegen patriarchale Strukturen zur Wehr setzt. Andererseits lässt sich ohne Kampf eben auch kein Sieg erringen, was letztlich den Respekt für Gertrudes Errungenschaften schmälert. Weder erfahren wir näheres über ihr Studium in Oxford, noch werden uns Details über ihre archäologischen Forschungen offenbart. Ihre Fähigkeit, das Vertrauen der männlich dominierten Gesellschaft der Beduinen zu gewinnen, bleibt ein Zaubertrick, der keine Erklärung in ihren zwischenmenschlichen und fachlichen Kompetenzen findet.

Trotz der blutleeren Protagonistin gestaltet sich der erste Akt des Films durchaus vergnüglich. Doch mit James Franco verschwindet auch die bissige Komik. Was folgt ist eine Aneinanderreihung immer gleicher Wüstenexpeditionen, die stets als große Gefahr angekündigt werden, dann jedoch völlig spannungsfrei verlaufen. Die Erwartung einer großen Krise, einer Notlage oder eines Übergriffes durch einen der Stammesführer, wird nicht eingelöst, als wolle Herzog sein Publikum mit voller Absicht frustrieren.

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Bedauerlicher Weise geht diese Strategie jedoch vor allem zu Lasten der Hauptfigur, deren Stärke und Unabhängigkeit hierdurch reine Oberfläche bleiben. Herzog verweigert Gertrude jede Gelegenheit sich zu beweisen und fordert weder Ehrfurcht noch Bewunderung für die Heldin ein. Ohnehin scheint sich der Regisseur deutlich mehr für die Inszenierung von Sanddünen und Dromedaren zu interessieren als für die Charakterisierung seiner Hauptfigur. Die spaziert selbstbewusst in eine Konfrontation nach der nächsten, ignoriert straffrei Geschlechternormen und befreit sich aus jeder Problemsituation in Windeseile. So einfach ist das nämlich mit der Emanzipation: Man muss einfach nur sagen, dass man verheiratet sei, dann wird man auch nicht länger belästigt.

Was Herzog mit dieser Art Heldin bezweckt, erschließt sich mir nicht, aber immerhin konnte ich im Nachhinein die Besetzung von Maskengesicht Nicole Kidman nachvollziehen, die – vermutlich auf Grund der x-ten Botoxbehandlung – auch in historischen Outfits immer ein wenig wie ein seelenloser Androide wirkt. Doch einer Sache bin ich mir sicher: In Queen of the Desert geht es um Vieles, aber ganz sicher nicht um eine starke Frau!

Aufführungstermine bei der Berlinale 2015

Sophie Charlotte Rieger
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