(Sp)Reizend – Protokoll einer Troll-Begegnung

Wer bei Facebook nicht nur der offiziellen FILMLÖWIN-Seite folgt, sondern auch meinem privaten Account, hat in der letzten Woche vielleicht eine sich dort abspielende Diskussion über den Begriff Manspreading mitgelesen. Nun mag das auf den ersten Blick kein Thema für die FILMLÖWIN sein, aber erstens konnten die passionierten Kommentatoren der Versuchung nicht widerstehen, neben meiner Beobachtung von männlicher* Raumeinnahme in der S-Bahn auch meine Arbeit als feministische Filmkritikerin auf hochgradig respektlose Art und Weise zu zerpflücken, und zweitens gibt es zu diesem Trollangriff eine Pointe! Wer sich nicht auf die Folter spannen lassen möchte, kann natürlich die folgende Nacherzählung der Ereignisse überspringen und direkt bei “Die Pointe” weiterlesen. Aber das wäre nur der halbe Spaß!

Ich habe lange überlegt, in welcher Weise ich meine „Mitdiskutanten“ hier öffentlich machen sollte. Einerseits war die Diskussion inklusive Klarnamen für jede_n mitzulesen, andererseits muss ich zugeben, dass ich mich vor weiteren Drangsalierungen fürchte und auch wenn ich mich dagegen wehren möchte, Menschen wie diesen Macht über mich zu geben, habe ich mich doch für eine halb-anonyme Nennung entschieden. Deshalb spreche ich hier nur von Y. und R., die im Team arbeiteten und sich gegenseitig die Bälle zuspielten, um meinen Post ins Lächerliche zu ziehen und nebenbei noch zahlreiche sexistische, trans*feindliche und anderweitig beleidigende Kommentare von sich zu geben.

Zur Erklärung: Manspreading ist ein Begriff, der das Einnehmen von öffentlichem Raum, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, durch gespreizte Beine beschreibt. Dieses Verhalten wird in der Regel von Männern* an den Tag gelegt, da Frauen* wiederum in der Regel beigebracht wird, mit geschlossenen Knien zu sitzen, z.B. weil gespreizte Beine angeblich obszön wirken. Aber eben nur bei Frauen*.

Kleine Denkpause

Deswegen heißt es MANspreading und nicht WOMANspreading. Manspreading ist dabei das Symptom eines gesellschaftlichen Problems der Raumeinnahme durch Männer* in verschiedenen Situationen. Raumeinnahme kann auch durch Redezeit in einer Versammlung geschehen und muss nicht immer zwangsläufig durch eine vorübergehende physische Präsenz ausgeübt werden. Verschiedene Formen der Raumeinnahme und Verdrängung bzw. Marginalisierung von Frauen* ist Teil des strukturellen Sexismus, der unsere Gesellschaft auch heute noch prägt.

Um deutlich zu machen, dass ich von Cis-Männern rede, ohne den nicht allgemein bekannten Begriff “Cis” zu verwenden – rede ich von “männlich identifizierten Menschen mit Penis”. Allerdings beinhaltet meine Aussage in keinster Weise, dass ich JEDEN Cis-Mann damit meine, sondern lediglich, dass Manspreading in der Regel von Cis-Männern performiert wird. Mein Post endet mit der offenen Frage danach, wie in derlei Situationen zu reagieren sei, nicht aber mit einem Aufruf zu einem bestimmten Verhalten, schon gar nicht zu irgendeiner Form von Aggression und auch nicht mit geschlechterbasierten Pauschalurteilen. Vielmehr plädiere ich in der anknüpfenden Diskussion mit Freundinnen wiederholt für ein diplomatisches Verhalten.

Y. aber ärgert sich trotzdem und möchte seinen Ärger umgehend mit R. teilen, den er in seinem Kommentar verlinkt, noch bevor er eine inhaltliche Aussagen trifft: Komm R., mach mit, hier können wir zusammen trollen! Er echauffiert sich über meine gendersensible Formulierung und zieht sie mit dem Vergleich “Toaster mit Radiofunktion” ins Lächerliche. Was schon mal überhaupt keinen Sinn macht, weil die Mehrzahl der Männer* einen Penis, die Mehrzahl der Toaster aber keine Radiofunktion hat. Aber drauf geschissen. Ich glaube ohnehin nicht, dass es Y. hier um Logik geht.

Y.s Kumpel R. ist sofort Feuer und Flamme und spielt als “Radio mit Toasterfunktion” gleich mit – auch das natürlich jenseits jeder Logik, weil Radios selten Tosterfunktion haben… Diese Kommentare aber sind nicht nur unlogisch, sie sind auch trans*feindlich, weil sie die Differenzierung von Mann* und Penis als unnötig erachten. Für Y. und R. haben alle Männer* einen Penis und wer keinen Penis hat, ist eben kein Mann*. Diese Position schließt Trans*menschen aus und ist diskriminierend.

Nachdem Y. und R. Trans*menschen verarschen, verarschen sie Feminist_innen, indem sie den Begriff „Sexist_in“ aus dem feministischen Diskurs entleihen und – genau – ins Lächerliche ziehen. “Hör auf die Beine zu spreizen, Du abartige(r) Sexist_In” – diese Äußerung macht mehrere Dinge gleichzeitig: Sie karikiert geschlechtergerechte Sprache und erklärt sie dadurch für überflüssig. Und sie setzt Menschen, die in der Bahn die Beine spreizen mit Sexist_innen gleich – eine Aussage, die in meinem Post nicht einmal im Ansatz enthalten war. Aber um das zu verstehen, müsste sich eins mit dem Begriff „Sexismus“ einmal intensiver beschäftigt haben…

Denkpause

Das Adjektiv “abartig” suggeriert zudem, ich hätte den fotografierten Menschen in der Bahn mit vergleichbaren Worten beschrieben, was ebenfalls nicht der Fall ist. Was hier passiert ist das Folgende: Y. und R. nehmen eine (aus literaturwissenschaftlicher Sicht ziemlich miserable) Interpretation meiner Worte vor, aus der sie dann wiederum ihre Wut und Antipathie ableiten. Der Witz daran ist: Ich habe all das nicht nur nie gemeint, sondern vor allem auch nie gesagt! Das spielt aber auch keine Rolle, weil es ohnehin weniger um mich als um sie und ihre Profilneurose geht.

Nachdem Y. und R. meine Aussage verfälscht haben, sägen sie nun an meiner Glaubwürdigkeit. Sie schnappen sich einen Aspekt meines Lebens, der hier eigentlich gar keine Rolle spielt, nämlich meine berufliche Tätigkeit und – ja, ihr ahnt es schon – ziehen sie ins Lächerliche. Dafür nehmen sie sich meine feministische Analyse von Alien: Covenant vor, beschränken sich aber nicht auf diesen Text, sondern verurteilen die gesamte Artikelreihe Blockbuster-Check und schließlich den Blog selbst, bzw. meine alternative Persona “Filmlöwin”. Und damit auch kein Zweifel an ihrer Trans*feindlichkeit aufkommt, schiebt Y. gleich noch einen entsprechenden Kommentar hinterher. Dabei wussten wir das doch schon, Jungs. Haben wir doch am Anfang schon verstanden!

Damit es nicht langweilig wird mit dem Geschreibe, postet Y. nun ein Musikvideo, in dem halbnackte Game-Avatars mit Brustpelz und homoerotischem Anklang ihre Männlichkeit* besingen und dabei rhythmisch mit den Hüften stoßen. Was genau das mit unserer aktuellen Diskussion zu tun hat, erschließt sich mir nicht, aber die in der steten Widerholung von „We are manly men“ inhärente identitäre Verzweiflung zaubert mir dennoch ein Lächeln ins Gesicht. Als könnte die männliche* Geschlechtsidentität nur mehr durch mantrische Repetition konsolidiert werden. Ich empfinde fast Mitleid.

An dieser Stelle beschließe ich, mich zu Wort zu melden, weniger um mich selbst zu verteidigen, als um auf die Trans*feindlichkeit der Kommentare hinzuweisen. Und auch darauf, dass das Verhalten von Y. und R. im Grunde das beste Beispiel für die Relevanz des Gendersdiskurses ist. Denn eben jene Art und Weise, mit der sie mich und den Queerfeminismus angreifen, ist ein primär cis-männliches Verhalten und hat nicht zuletzt auch etwas mit Raumeinnahme zu tun. Die Diskussion nämlich, die ich ursprünglich angestoßen hatte, also wie am besten in einer solchen Situation in der S-Bahn zu reagieren sei, bricht umgehend ab. Y. und R. haben selbstverständlich einen Raum eingenommen, sich die Diskussion vollkommen zu eigen gemacht. Die weiblichen* Diskutierenden ziehen sich UMGEHEND zurück – so wie die Frau* auf meinem Foto machen sie nicht einmal einen Versuch, den Gesprächsraum zurückzuerobern. Die Bühne gehört nun alleinig Y. und R. Und mir.

Ein Freund fragt mich zu genau diesem Zeitpunkt, warum ich mich auf das Gespräch überhaupt einlasse und rät zu einer defensiven Strategie der Ingoranz, da mein Verhalten die Trolle aufwiegeln würde. Die Antwort auf die Frage, warum ich zurückpöbele, ist diese: Ich will Y. und R. den Raum (noch) nicht überlassen und ebenso wenig möchte ich höflich Platz machen. Ich werde angegriffen. Ich wehre mich. Zu argumentieren, dadurch würde ich das Gegenüber nur aufwiegeln, ist eine ziemliche Verdrehung: Nicht mein Verhalten ist zu kritisieren, sondern Ihres! Soll ich wegen dieser Menschen etwa aufhören, gesellschaftliche Probleme öffentlich anzusprechen? Außerdem: Mir die Verantwortung für deren Respektlosigkeit überzuhelfen, gibt mir statt den Angreifern die Schuld am Angriff.

Denkpause

Aber zurück zu Y. und R. Y. lässt nun keinen Zweifel mehr daran aufkommen, dass er sich über einen ernsten politischen Diskurs lustig macht und nennt meine geschlechtersensible Formulierung “witzig”. Meine Kritik am Manspreading beschreibt er als Erste-Welt-Problem, also als überflüssig und nichtig. Nur “gepamperte Babys” (ich kopiere seinen Orthografie-Fehler jetzt mal nicht), also verwöhnte Menschen, würden sich dafür interessieren.

Das geht in dieselbe Richtung wie der sehr viel später fallende Kommentar einer dritten männlichen Person, K., die meint: “Eure Probleme hätte ich gerne” (?). Ja, K., ich hätte es auch sehr gerne, dass Du mal einen Tag als Frau* oder Trans*mensch erlebst – mit allen damit verknüpften Herausforderungen.

Y. und K. glauben aber, Frauen* und Trans*menschen hätten gar keine besonderen Probleme, sondern seien einfach nur weinerlich. Beide glauben, das aus ihrer privilegierten Außenposition beurteilen zu können. Obwohl beide weder Frauen* noch Trans*personen sind und sich nicht eingehender mit den Lebensrealitäten dieser Gruppen beschäftigt haben. Mansplaining heißt das übrigens: Männer* erklären die Welt – auch jenen Teil, in dem sie sich nicht auskennen.

R. findet das alles übrigens wieder total witzig und macht gleich noch einen Trans*witz: Hubschrauber mit Penis. Ich glaube, er sagt einfach gerne Penis. Ich glaube, R. lacht auch über Filme von Matthias Schweighöfer.

Ich mache noch einen zweiten halbherzigen Versuch, auf die in diesen Äußerungen inhärente Trans*feindlichkeit aufmerksam zu machen. Weniger weil ich mir einbilde, ich könnte Y. und R. überzeugen, und mehr um allen Mitlesenden klar zu machen, dass ich für diesen Subtext sensibel bin und ihn aufs schärfste kritisiere. Das ist mir wichtig! Dafür stehe ich ein!

Jetzt zieht Y. den Joker. Hat er sich bis hierhin aufgehoben und freut sich sichtlich, ihn mir endlich vor die Nase halten zu können: “Ich bin ja auch benachteiligt!” Warum seine Benachteiligung als prekär lebender Mensch mit Migrationsgeschichte im Widerspruch zu meiner Benachteiligung als Frau* steht, erschließt sich mir nicht. Aber Logik… wir hatten das ja schon. Und wo er schon dabei ist, erklärt er “meinen Diskurs”, nämlich den über männliche* Raumeinnahme, noch einmal dezidiert für überflüssig. Hätte ich mir selbst erfunden, weil ich keine echten Probleme hätte… Ach, Y.…

R. – insgesamt etwas mehr für die humoristische Note dieses Schauspiels zuständig – postet gleich noch ein witziges Foto über “womanspreading”, weil er nicht kapiert, dass es nicht um einen singulären Fall, sondern ein strukturelles Problem der Gesellschaft geht. Wie gesagt, ich glaube, R. schaut gerne Filme von Matthias Schweighöfer. (Sorry, lieber Matthias!)

Aber Y. ist über Humor längst hinaus. Es wird ihm bitterernst. Geschickt verschiebt er den Diskurs von Sexismus zu Rassismus, weil letzterer nämlich ihn angeht und damit der einzig legitime Aufreger dieser Welt ist. Er bedient sich der beliebten “Ich bin ja kein ____, aber”-Rhetorik und belehrt uns, dass die Kritik männlicher* Raumeinnahme und feministische Filmkritik nichts mit der Gleichberechtigung von Mann* und Frau* zu tun hätten. Y. weiß das, weil Y. weiß einfach alles.

Y. entscheidet, was eine legitime und eine illegitime Diskussion, was echte Diskriminierung ist und welche nur eingebildet ist. Wenn wir Y. nicht hätten, dann müssten wir uns bei der Frage nach Diskriminierung auf die Aussagen der betroffenen Personen verlassen. Und wo kämen wir da nur hin?

Denkpause

Es schaltet sich ein Alliierter ein, also jemand, der für mich Partei ergreift. Das zieht bei R. die Humorbremse, denn Männer* will er offenbar ernster nehmen als Frauen* (aber ein Sexismus-Problem hat er natürlich nicht). R. glaubt jetzt auch, dass ein Problem das andere verdrängt. Ergo: Weil Flüchtlingsheime brennen, können wir kein Sexismusproblem haben. Oder besser: Wenn Flüchtlingsheime brennen, ist Sexismus unwichtig. Dass es vielleicht einen Zusammenhang zwischen patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und Fundamentalismus gibt, hält er für ausgeschlossen. Witziger Weise nennt er sogar “soziale Ungerechtigkeit” und “Altersarmut” als “echte” Probleme und eins muss nun wirklich kein_e Radikalfeminist_in sein um zu wissen, dass vornehmlich Frauen* von Altersarmut betroffen sind. Wegen sozialer Ungerechtigkeit, die Frauen* betrifft und so. Aber ich sehe schon ein: Zusammenhänge herstellen ist einfach so viel anstrengender als dumme Sprüche machen. Dazu gibt es dann noch eine kleine Liebeserklärung an R. Aber irgendwas sagt mir, dass Y. und R. auch zum Thema Homosexualität ein paar diskussionswürdige Meinungen vertreten…

Gestärkt durch die Intervention des Allierten traue ich mich, R.s Argumente als populistische Phrasen zu entlarven und gleichzeitig meinen Rückzug aus dieser Diskussion zu verkünden. Es reicht ja jetzt auch eigentlich mit dem Verbaldünnschiss.

Und jetzt passiert etwas ganz interessantes: Ich werde zum ersten Mal gesiezt! Sogar mit groß geschriebenem Sie. Ich führe das auf die Intervention des männlichen* Allierten zurück, der die Diskussionskultur hier vorübergehend sichtbar beeinflusst hat. Das Thema wird vorübergehend nicht mehr ins Lächerliche gezogen und ich werde gesiezt.

Für alle Männer* da draußen: Schreitet in solch einer Social Media Situation gerne einmal ein. Und wenn ihr zögert, weil ihr nicht 100% meiner Meinung seid: Es geht gar nicht darum, die Meinung der angegriffenen Person nachzuplappern, sondern sich für einen respektlosen Umgang zwischen Menschen auszusprechen. Zivilcourage quasi. Außerdem: Was ist wichtiger? Die Schnittmenge mit meiner Position oder die Schnittmenge mit der Position von Y. und R.? Welches Anliegen ist für euch unterstützenswerter? Wen wollt ihr stärken?

Aber noch mal zurück zu meinen Trollen. R.s höfliche Anrede stand leider im Schatten von Beleidigungen, die mich – im Gegensatz zu meinem männlichen Vorredner – gezielt attackieren. Meine Einwände werden als “Bullshit” bezeichnet, mein Post zum Manspreading als “Schwachsinn”. Wir befinden uns im Stadium des Niveau-Limbo: Immer noch ein bisschen tiefer und tiefer und tiefer…

Weil Wiederholungen ja bekanntlich Aussagen wahrer machen, wiederholt R. noch einmal seine objektive Meinung zur Legitimation verschiedener Diskurse und der absoluten Zusammenhangslosigkeit von Gleichberechtigung und Raumeinnahme. Er will über Altersarmut und soziale Gerechtigkeit reden, aber bitte ohne Manspreading. Wir lernen: R. ist der bessere Feminist. Er weiß ganz genau, wie das Problem Ungleichbehandlung von Mann* und Frau* zu lösen ist oder doch zumindest wo damit zu beginnen wäre es zu lösen. Ich finde, R. sollte die Nachfolge von Manuela Schwesig antreten. Ein Glück ist Wahljahr!

https://youtu.be/BIC_steOCZA

Weil jetzt ja wieder mit mir und nicht mit dem Allierten gesprochen wird, darf auch wieder Niveau-Limbo gespielt werden. Um die Idiotie der Queer-Theorie zu illustrieren, entscheidet sich Y. für das Thumbnail eines Videos, das die Auflösung des binären Geschlechtermodells ins – ratet mal! – ins Lächerliche zieht und mit dem wenig freundlichen, wie auch grammatikalisch nicht ganz einwandfreien Zitat „Just because your mom says you’re special doesn’t mean you are“ endet. Ich finde, das würde als Slogan ganz gut auf T-Shirts für Y. und R. passen.

Es folgt die Intervention von zwei männlichen* Allierten, die sich unterschiedlich dezidiert auf meine Seite schlagen und gegen Y. und R. positionieren. Angegriffen werde im Folgenden aber nur ich, wieder in der Höflichkeitsform. Immerhin. R. bezeichnet mich als weinerlichen „Social Justice Warrior“ und beschuldigt mich, Menschen des Rassismus, Sexismus und der Intoleranz zu bezichtigen, was ich zu keinem Zeitpunkt in dieser Diskussion getan habe (obwohl es an einigen Stellen sachlich korrekt gewesen wäre). Er regt sich über den Kampfbegriff “Whataboutism” auf, den ich nicht ein einziges Mal verwendet habe und behauptet, wir würden auf derselben Seite stehen.

Nein, R.! Wir stehen nicht auf derselben Seite! Ich mache nämlich keine Witze über Menschen, denen in dieser unserer Gesellschaft weniger Privilegien zukommen als mir. Ich maße mir auch nicht an zu beurteilen, welche Probleme ernst zu nehmen und welche zu belächeln sind. Und – ganz anbei – ich beleidige auch nicht wildfremde Menschen im Internet. Wir beide haben nichts gemeinsam! Und wenn eine empfindlich ist, dann Du, lieber R. Denn obwohl ich Dich in keinster Weise mit meinem ursprünglichen Post angegriffen habe, hast Du initiativ einen kleinen Shitstorm losgetreten, weil Du Dich durch den Begriff Manspreading bedroht gefühlt hast. Merkste jetzt selbst, oder?!

„Aber ein begrenzter Verstand wie Ihrer ist nicht in der Lage, das zu erkennen.” – Das ist R.s letztes Wort in dieser Diskussion. Die Entscheidung, welcher Verstand sich durch seine Begrenzung auszeichnet, überlasse ich an dieser Stelle euch, liebe Leser_innen!

Die Pointe

Jetzt kommt das, worauf ihr alle gewartet habt: Die versproche Pointe und die damit verbundene Erklärung, weshalb dieser Text auf der FILMLÖWIN steht: Alle hier namentlich erwähnten Diskussionsteilnehmer haben etwas mit dem Thema Film zu tun.

Y., der feministische Filmkritik nicht nur für überflüssig, sondern gar für lächerlich hält, der mit dem Trans*diskurs ebenso wenig anfangen kann wie mit dem über Alltagssexismus, der wildfremde Menschen im Internet beschimpft, angreift, beleidigt und der gesellschaftspolitische Diskurse nur dann als relevant erkennen kann, wenn sie ihn selbst betreffen – dieser Mensch ist Redakteur bei Filmstarts.de, einer der größten Webseiten zum Thema Film im deutschsprachigen Internet. Früher gab es mal Community Manager, um Trolle in Schach zu halten. Heute werden Trolle offenbar engagiert. Interessante Entwicklung!

R. und K. sind Regisseure. Außerdem schreibt R., der Mensch, der keinen Zusammenhang zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Missständen herstellen kann, über benachteiligte Menschen lacht und sich für keine Beleidigung zu schade ist, für Moviepilot, die zweite der großen deutschen Filmseiten, die – hier sind wir nicht überrascht – zusammen mit Filmstarts unter dem Dach des Unternehmens Webedia steht. „Engaging Audiences With Passion“ ist deren Slogan. Naja, so lässt sich das Social Media Verhalten von Y. und R. natürlich auch mit einem Euphemismus tarnen.

K., der gerne mal die Probleme von Frauen* und Trans*menschen hätte, mich aber immerhin mal gebeten hat, sein Drehbuch feministisch zu lektorieren, ist kürzlich aus dem Autor_innenstamm von Filmstarts.de geflogen, schreibt aber nach wie vor an anderer Stelle Kritiken und kann nach eigener Aussage sogar davon leben!

In einem solchen Klima, in dem Autoren der „cineastischen Leitmedien“ Diskurse um Geschlechtergerechtigkeit und Trans*sexualität als Blödsinn deklarieren, braucht es eine Seite wie die FILMLÖWIN umso mehr: für feministische Filmkritik mit intersektionalem Ansatz. Als ein Medium, das sich gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung aller Menschen vor und hinter den Filmkameras einsetzt. Die FILMLÖWIN hat kein geldgebendes Dach wie die genannten großen Webseiten. Die Autorin (das bin übrigens ich!) kann nicht davon leben. Die FiLMLÖWIN ist auf die Unterstützung der Lesenden angewiesen, um zu wachsen, sich zu etablieren, ihre Reichweite zu vergrößern und ein Gegengewicht zu jenen Positionen zu bilden, wie sie die hier genannten männlichen* Kollegen vertreten.

Im Grunde muss ich Y. und R. dankbar sein. Sie haben den ultimativen Beweis dafür geliefert, dass der feministische Diskurs nicht gestrig, sondern hochaktuell ist. Und sie haben – unfreiwillig natürlich – die Bedeutung meiner Arbeit unterstrichen. Vielleicht überlegt sich ja di_er eine oder andere beim nächsten Mal, welche Webseite für euch die richtige Plattform ist und ob es sich vielleicht lohnt, kleine Blogs wie den meinen zu unterstützen und damit Stimmen zu stärken, die sich für eine gerechtere und damit auch bessere Filmwelt und nicht für das Portemonnaie ihrer Auftraggeber einsetzen.

Nachsatz

Einen Tag nachdem dieser Text online ging, bekam ich von Y. folgende Nachricht, die ich hier mit seinem Einverständnis veröffentliche:

„Hallo Sophie Charlotte Rieger, wir kennen uns bisher nur durch mein albernes Rumgetrolle. Durch deinen neuen Blogeintrag, hast du mir aber tatsächlich vor Augen geführt, dass ich es mit meinem infantilen Verhalten eindeutig zu weit getrieben habe und einen tiefen Eindruck mit meinen respektlosen Kommentaren hinterlassen habe. Dafür möchte ich mich hiermit (ohne Erklärung; denn die gibt es nicht) entschuldigen. Ich möchte aber deutlich machen, dass ich als Privatperson agiert habe und nicht im Namen einer Firma. Ich trage hier die volle Verantwortung und habe nicht für im Namen von jemand anderem agiert. Dass ich mir mit dieser respektlosen Aktion (zu Recht) deine Abneigung eingehandelt habe, verstehe ich natürlich total. Doch bitte ich Dich zwischen mir FILMSTARTS zu differenzieren. Ich habe mittlerweile alle Kommentare entfernt und mir Deine Worte aufrichtig zu Herzen genommen.“

Sophie Charlotte Rieger
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