Schluss mit lustig – Eine Kampfansage gegen die Happy Vergewaltigung
Es ist jetzt ungefähr ein Jahr her, da motivierte mich der Tatort: Kartenhaus zu einer kritischen Betrachtung von sexualisierter Gewalt im deutschen Fernsehen. Nur kurze Zeit später bestätigte der Dreiteiler Ku’damm 56 meine These der Bagatellisierung und voyeuristischen Darstellung von Vergewaltigung in unseren Fernsehsendungen. Bereits in der ersten Folge werden wir hier Zeug_innen mehrerer Fälle von sexualisierter Gewalt. In der dritten Episode geht die Heldin ein auf gegenseitigem Einverständnis beruhendes sexuelles Verhältnis mit ihrem Vergewaltiger aus Folge 1 ein. Absurd? Nun, die Nominierungskommission des Grimme-Preises fand das offensichtlich ganz normal, denn sie belohnte Ku’Damm 56 mit einer Nominierung für jenen Fernsehpreis, der den Bildungsauftrag des deutschen Fernsehens betonen soll. Ich kritisiere meine ehemaligen Kommissionskolleg_innen wirklich äußerst ungerne, aber in diesem Fall scheint mir ein unbedingt konstruktiv zu verstehender Wink mit dem Zaunpfahl einfach notwendig.
Was ist eigentlich eine Vergewaltigung?
In der aktuellen Ausgabe des Missy Magazine erzählen drei Frauen* von Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, die für viele Menschen vermutlich nicht in die Kategorie “Vergewaltigung” fallen. Hier wird die enorme Grauzone deutlich, die diesen Begriff umgibt. In feministischen Diskursen wird dann von sexualisierter Gewalt gesprochen, wenn eine beteiligte Person zu den Handlungen nicht ihre ausgesprochene Einwilligung gegeben, also keinen sogenannten „Consent“, englisch für Einwilligung, ausgesprochen hat. Manche Feminist_innen definieren eine Vergewaltigung sogar ausschließlich mit dem Empfinden der betroffenen Person, das heißt, dass trotz ausgesprochener Einwilligung von sexualisierter Gewalt gesprochen werden kann, beispielsweise wenn diese bei einer Weigerung von einer Gefahr für ihr Leben ausgehen muss und deshalb Consent “vorspielt”. Achtung: Es geht hier nicht um eine Schuld-, sondern um eine Definitionsfrage! Aus feministischer Sicht liegt die Deutungshoheit des Ereignisses, die Frage, ob von einer Vergewaltigung gesprochen werden kann/muss oder nicht, ausschließlich bei der betroffenen Person (egal welchen Geschlechts übrigens) und nicht bei dem_r Täter_in und schon gar nicht bei unbeteiligten Zuschauer_innen.
Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr eine große EU-weite Studie zum Thema geschlechtsspezifischer Gewalt durchgeführt – mit erschreckenden Ergebnissen: Ein drittel aller Frauen* hat Gewalt am eigenen Leib erlebt. Mehr als 50% kennen sexuelle Belästigung aus eigener Erfahrung. Eine von 20 Frauen* gab an, vergewaltigt worden zu sein. Noch verstörender: ein beträchtlicher Teil der Befragten war der Meinung, sexualisierte Gewalt könne in bestimmten Situationen gerechtfertigt werden. Bei den abgefragten entlastenden Umständen handelte es sich um die Klassiker: Rauschzustände, aufreizende Kleidung, fehlende Gegenwehr, usw. Und weil das so wichtig ist, noch mal zusammengefasst: Mehr als ein Viertel aller Europäer_innen glauben, dass Vergewaltigung in Einzelfällen okay sei!
Der komplexe Diskurs um den Begriff Vergewaltigung, die multiplen Definitionen und Abstufungen, vor allem aber die zentrale Position der Betroffenen und ihrer Perspektive innerhalb dieser Diskussionen zeigen, wie schnell ambivalente Darstellungen von sexualisierter Gewalt zu Täter-Opfer-Verdrehungen und anderen Realitätsverzerrungen führen können. Eine eindeutige und verantwortungsvolle Position von Film und Fernsehen ist in Hinblick auf dieses Thema also von besonderer Wichtigkeit. Filme und Serien, die sexualisierte Gewalt thematisieren, sollten zum einen die klare und eindeutige Aussage treffen, dass Vergewaltigung niemals, aber wirklich NIEMALS in irgendeiner Form auch nur akzeptabel ist, und zum anderen die Definitionsmacht in den betroffenen Figuren ansiedeln, also ihre Perspektive in den Vordergrund stellen.
Nebensache Vergewaltigung – Schwamm drüber statt Aufschrei
Der Status Quo allerdings ist ein ganz anderer. Insbesondere das deutsche Fernsehen, viel stärker als deutsche Kinoproduktionen, bedient sich an sexualisierter Gewalt als wäre es der einzig wahre Plotpoint für so ziemlich jeden Krimi und jedes Drama, ergeht sich dabei in ambivalenten Darstellungen, Euphemismen oder tatsächlichen Täter-Opfer-Verdrehungen. Gremien und Institutionen, wie die beispielsweise obig genannte Nominierungskommission des Grimme-Preises, betrachten die Darstellung von Gewalt gegen Frauen* offenbar noch immer nicht als Bewertungsgrundlage für mediale Inhalte. Ein Bewusstsein für die Verschränkung von realer Gewalt, wie durch die EU-Studie nachgewiesen, und ihrer medialen Repräsentation, scheint zu fehlen.
Ich war zwei Jahre lang Mitglied der Nominierungskommission „Fiktion“ für den Grimme-Preis. Im letzten Durchgang war ich nicht mehr dabei. Gründe dafür wurden mir leider nicht genannt. Darüber – sowohl über mein Ausscheiden aber auch das Ausbleiben einer Erklärung – war ich, milde gesagt, unglücklich. Nicht weil ich mit der Kommissionsarbeit reich und berühmt würde oder das Sichten eines deutschen Fernsehjahres eine solche Freude wäre, sondern weil es mir ein Anliegen war und ist, feministische Argumente in die Preisdiskussion einzubringen, eine Perspektive, die in Anbetracht der Nominierung von Ku’Damm 56 im vergangenen Durchgang ganz offensichtlich gefehlt hat. Ich hätte bis zum Letzten gegen diese Entscheidung gekämpft und bin daher sehr dankbar, dass die Jury den ZDF-Mehrteiler leer ausgehen ließ.
Der Tatort: Nachbarn und die Happy Vergewaltigung
Nach meinem Ausscheiden aus der Sichtungskommission hat sich mein Fernsehkonsum stark verändert und auf ein Minimum reduziert. Aber vor etwa zwei Wochen habe ich dann doch mal wieder den Tatort angeschaltet – ein großer Fehler.
Für diejenigen, die diesen Höhepunkt der Gewaltverherrlichung verpasst haben, hier eine kleine Zusammenfassung: Der Tatort: Nachbarn erzählt von einem Mord im Milieu der Vorstadt. Die Familie im Fokus der Ermittlungen besteht aus Stiefvater Leo, Stieftochter Sandra und deren Tochter Mira, aus drei Generationen also. Etwa in der Mitte des Films stellt sich heraus, dass Mira auch die Tochter und nicht etwa die Enkelin des Stiefvaters ist. Angeblich handelt es sich um eine, auf Grund des Altersunterschieds völlig missverstandene, Liebesgeschichte zwischen den gleichberechtigten Erwachsenen Leo und Sandra. So richtig koscher aber ist das alles nicht: Sandra wirkt schwer traumatisiert, ihr angeblicher Lebensgefährte bzw. Stiefvater Leo übergriffig. Als Sandra sich schließlich als Mörderin ihrer Mutter entpuppt (nicht der zentrale Kriminalfall dieses Tatorts, sondern ein Rückblick), bleibt unklar, ob die Traumatisierung der jungen Frau in diesem Erlebnis wurzelt oder aber andersherum diese Tat eine Folge des mit Leo verbundenen Missbrauchstraumas darstellt. Bis zum Ende des Films klärt sich nicht, ob Sandra die sexuelle Beziehung zu ihrem Stiefvater freiwillig eingegangen ist und in welcher Form sich diese in der Gegenwart fortsetzt!
Hier findet also die oben angesprochene ambivalente Darstellung von sexuellem Missbrauch statt, die für das deutsche Fernsehen so typisch ist. Das Publikum darf sich ganz frei aussuchen, ob es in Ordnung ist, die damals nur knapp volljährige Stieftochter zu schwängern und anschließend nicht als gleichberechtigte Partnerin, sondern als unmündiges Kind zu behandeln und damit auch zu kontrollieren. Dabei wird Stiefvater Leo insbesondere gen Ende des Films mehr und mehr zum Sympathieträger, darf sogar herzzerreißend weinen und als selbstloser Retter Sandras auftreten – all das, ohne dass die Frage nach seiner Übergriffigkeit gegenüber der Stieftochter jemals geklärt würde.
Aber es kommt noch besser. Während sich also über die Beziehung zwischen Stiefvater Leo und Stieftochter Sandra leider diskutieren ließe, bleibt ein anderes Ereignis sexualisierter Gewalt eindeutig: Das Mordopfer im Zentrum dieses Krimis, ein Nachbar, hatte Sandra mit dem Wissen um ihre düstere Vergangenheit erpresst und die junge Frau* auf diesem Wege wiederholt zum Beischlaf genötigt. Und weil das deutsche Fernsehen derlei Szenen so gerne mag, bekommen wir einen bildlichen Eindruck von den Ereignissen – natürlich mit der Kamera auf Sandras Gesicht statt einer Darstellung ihrer Sicht der Dinge. Es findet keinerlei Übernahme von Sandras Perspektive statt, allerdings glücklicherweise auch kein voyeuristischer Umgang mit ihrem Körper. Dennoch: Wie oben ausgeführt ist das Empfinden der Betroffenen, ihre Sicht der Dinge, entscheidend für die Einordnung der Situation. Diese Sicht aber enthält Tatort: Nachbarn seinem Publikum vor. Aber nicht nur das: Sandra beichtet den Kommissaren zwar den Mord aus Notwehr, den ihr liebevoller (oder abusiver?) Stiefvater freundlicher (eigennütziger?) Weise vertuscht hat. Doch im direkten (!) Anschluss trällert der Song Happy von Pharrell Williams über eine Montagesequenz des idyllischen Vorstadtlebens. Das Erleben von sexualisierter Gewalt, das Trauma, die Hilflosigkeit, der Schmerz, die Wut – all das wird mit erschreckender Rücksichtslosigkeit unter dem Gedudel von „Gute Laune“-Musik begraben. Vergewaltigung als vergnügliche Abendunterhaltung. Danke für nix, liebes deutsches Fernsehen!
Es geht auch anders: Die Lösungen sind schon da!
Wie schrecklich unnötig all dies ist – die Ambivalenzen, die fehlende Perspektivübernahme, das visuelle Ausschlachten der Darstellung sexualisierter Gewalt – zeigt beispielsweise die US-Serie Hannibal. Obwohl so ziemlich in jeder Episode ein brutaler Mord geschieht, verzichtet Showrunner Bryan Fuller auf die Darstellung jedweder Form von Vergewaltigung – und das dezidiert als Gegenreaktion zur inflationären Inszenierung von Missbrauch in anderen TV-Serien wie beispielsweise Game of Thrones.
Auch ist es mitnichten notwendig, sexualisierte Gewalt vor der Kamera auszuagieren um sie zu erzählen. Kirsi Liimatainens Drama Festung zum Beispiel erzählt von häuslicher Gewalt, ohne sie ein einziges Mal zu zeigen, und auch Paul Verhoeven arbeitet in seinem Film Elle mit einigen sehr gelungenen indirekten Darstellungen (wenn ich auch hier die Ambivalenzen der Geschichte stark kritisiere). Eine andere Herangehensweise an die filmische Narration sexualisierter Gewalt zeigt Jane Campion in ihrer Serie Top of the Lake, die sich vollends der emotionalen Erlebniswelt der Heldin verschreibt und dementsprechend die fragmentarischen Rückblicke auf die Tat durch ihre Augen und nicht die der Täter abbildet.
Die Lösungen sind da, aber ihre Anwendung setzt voraus, dass das Problem als solches erkannt wird. Die Antworten sind da, aber um sie zu verstehen, muss zunächst die Frage zugelassen werden.
Der zermürbende Kampf um einen Diskurs
Während der vergangenen Berlinale saß ich mit Filmfrauen* und Vertreter_innen der Europäischen Kommission an einem runden Tisch, um über Gewalt gegen Frauen* und ihre Darstellung in Film und Fernsehen zu beraten. Alle waren sich in der Dringlichkeit der Sache einig: Es muss sich etwas ändern! Und zwar sofort! Mein Bericht über die Grimme-Nominierung von Ku’damm 56 und den Umgang der Miniserie mit sexualisierter Gewalt sorgte durchweg für vor Fassungslosigkeit herabfallende Kinnladen.
Das Absurde und besonders Vertrackte an der Situation ist jedoch, dass diese Einigkeit keine gesamtgesellschaftliche Stimmung abbildet. Deshalb können wir bedauerlicher Weise nicht mit Lösungen beginnen, sondern müssen mit den Fragen vorliebnehmen. Im ersten Schritt müssen Menschen, die Film und Fernsehen gestalten und bewerten, lernen die richtigen Fragen an ihre Arbeit zu formulieren. Und niemand weiß besser als ich, wie groß sich allein die Hürde für diesen ersten Schritt gestaltet, musste ich mir doch als feministische Stimme der Grimme-Kommission so manch unnötige Diskussion liefern und bekam dafür im schlimmsten Fall noch einen Herrenwitz als Belohnung. Aber ich wäre keine Löwin, wenn ich mich davon einschüchtern ließe.
Ich werde mich also weiterhin für dieses Thema engagieren, mir weiterhin hitzige bis schmerzhafte Diskussionen liefern und mich überall dort, wo mir Gehör geschenkt wird, für einen sensiblen Umgang mit sexualisierter Gewalt in Film und Fernsehen einsetzen. Denn auch das sehe ich als Teil des Projekts FILMLÖWIN: Unter dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ werde ich immer wieder auf das Thema zurückkommen, in der Hoffnung, damit irgendwann diejenigen zu erreichen, die über unsere Medieninhalte entscheiden beziehungsweise diese gestalten. Wer sich diesem Vorhaben anschließen möchte: Teilt diesen Artikel, stoßt in eurem privaten und beruflichen Umfeld Gespräche an oder unterstützt ganz einfach die FILMLÖWIN. Gemeinsam sind wirk stark – das ist keine Phrase, sondern die Realität. Darauf ein kraftvolles RRRROOOOAAAARRRR!!!
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- FFHH 2024: The Assessment - 2. Oktober 2024
[…] Die Filmlöwin sagt: Schluss mit lustig und Schluss mit der Verharmlosung sexualisierter Gewalt im TV: Eine Kampfansage gegen die „happy“ Vergewaltigung. […]
Vielen vielen Dank für diese Analyse! Und auch für deinen alten Text zu diesem Thema. Ich habe mich immer wieder mal gefragt, warum gerade die Tatort Darstellungen von sexualisierter Gewalt so unerträglich sind, obwohl das in so vielen Filmen und Serien passiert. Aber ja, die Frauen im Tatort sind einfach immer nur Opfer ohne eigene Handlungsfähigkeit. Sie sprechen nicht, sie handeln nicht, selbst das Töten wird ohne eigenes Handeln dargestellt, was völlig absurd ist. Klar könnte der Kontrast der happy Vorstadt mit der tatsächlichen Gewalt gut funktionieren. Tut er aber nicht, weil die Frau nur traumatisiert und nicht handelnd ist. Und das ist im deutschen Fernsehen, besonders im Tatort, ständig so.
Also nochmal danke für deine Kontextualisierung und den Einsatz für andere, weniger Gewalt reproduzierende Darstellungen – wo die Gewalt zur Gewalt der Täter wird, und nicht zur Vorführung und Erniedrigung derer, die sie erfahren müssen.
Danke für diesen Artikel! Nachdem ich viel Lob für Kudamm 56 gehört hatte, sah ich mir die Serie an und war entsetzt über die Tatsache, dass sich die Darstellerin tatsächlich in ihren Vergewaltiger verliebt. Noch entsetzter war ich aber, als ich in keiner einzigen Rezension zumindest eine Reflexion dieser Absurdität fand, geschweige denn Kritik. Offenbar für die meisten ein logischer Handlungsverlauf, der zu keinerlei Irritationen führte. Danke deshalb für Ihre Arbeit, die ganz offenkundig noch immer enorm wichtig ist!
Hi, ich habe in der Emma eine nachvollziehbare Analyse zum Film „Elle“ gelesen und sie könnte ebenso als negativ Beispiel unter „Nachbarn“ stehen. Das ist dann wohl der Spielraum der 1/4 EuropäerInnen*.
Ich glaube nicht, dass man die Interpretation eines so komplexen Films wie „Elle“ wie mit einem Tatort vergleichen kann. Und noch weniger glaube ich, dass diese Interpretationen direkt mit der EU Umfrage verglichen werden können, in der es ja nicht um Filmanalyse, sondern die Beurteilung realer Gewaltsituationen geht. Die Positionierung ausgerechnet der Emma zu „Elle“ würde mich aber sehr interessieren. Gibt’s den Artikel auch online?
[…] nicht ohne explizite Darstellung sexualisierter Gewalt aus. Warum das oft nervig ist, könnt ihr hier z.B. nachlesen. Trotzdem unterscheiden sich die Darstellungen von der hintergrundmusikartigen […]
[…] Ja! – Im folgenden Text des Blogs „Filmlöwin“ geht es zwar in erster Linie um Filme (ein paar Serien werden später auch genannt), aber das Thema ist wichtig und auch für Serien relevant: die Darstellung von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt im deutschen Fernsehen. Da hat sich nämlich längst noch nicht so viel getan wie bei einigen amerikanischen Produktionen, die das Thema angemessener darstellen. „Schluss mit lustig – eine Kampfansage gegen die happy Vergewaltigung“ […]
[…] Dies ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil das Thema sexualisierte Gewalt einen wichtigen Nebenschauplatz der Handlung darstellt. Wo die Beziehung zwischen Hans und Anna schon allein auf Grund des Titels klar im Mittelpunkt steht, bringt die Geschichte der Schwestern Nico und Kim die Themen Vergewaltigung und Inzest in ungekannt nüchterner und doch niemals verharmlosender Weise aufs Tablett. Dabei vermeidet es Julia C. Kaiser gekonnt, ihre Heldinnen in eine Opferposition zu rücken und inszeniert sie durchgehend als Überlebende, deren seelische Narben auf eine Weise zu Tage treten, die Mitgefühl statt Mitleid ermöglicht. Kaisers Blick ist respektvoll, verzichtet stets auf eine Sexualisierung der Frauen*körper wie auch auf einen Rückblick in die schmerzhafte Vergangenheit der Figuren. An dieser filmischen Bearbeitung des Themas sexualisierte Gewalt könnte sich das deutsche Fernsehen gerne ein Beispiel nehmen! […]
[…] seit meinem persönlichen Aufschrei gegen die Darstellung sexualisierter Gewalt im Tatort: Nachbarn schenke ich dem Thema bzw. seiner Inszenierung in Film und Fernsehen besondere Aufmerksamkeit. Und […]
[…] sexualisierter Gewalt geht. Aufbauend auf meine eigenen Überlegungen, wie im Frühjahr in meinem Artikel zum Tatort: Nachbarn dargelegt, und natürlich Julias neuem Film, haben wir uns in einem Berliner Biergarten für eine […]
[…] von (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen im Deutschen Fernsehen echauffiert, eindringlich auf den Zusammenhang zwischen dem statistisch belegten Ausmaß sexualisierter Gewalt in Europa und ihrer Dar… hingewiesen, ich habe mich mit Regisseurin Julia C. Kaiser intensiv darüber unterhalten, wie und […]
[…] die FILMLÖWIN ging es in diesem Monat auf Grund meines Artikels zur „Happy Vergewaltigung“ im Tatort: Nachbarn mächtig rund. Mein Text wurde durchweg positiv aufgenommen, viel geteilt und zog so weite Kreise, […]
[…] Die Tabuisierung der weiblichen* Sexualität, die mit der Unsichtbarkeit weiblicher* Genitalien einher geht, habe ich schon vor recht langer Zeit im Zusammenhang mit Lars von Triers Nymphomaniac thematisiert. Und sie beschäftigt mich noch immer, zieht sie sich doch motivisch durch die Film und Fernsehwelt und bildet einen Grundstein unserer rape culture, mit der ich mich ebenfalls intensiv auseinandersetze. […]
[…] Filmjournalistin und Filmlöwin-Bloggerin Sophie Charlotte Rieger schrieb kürzlich zu diesem Thema Schluss mit lustig – eine Kampfansage gegen die happy Vergewaltigung. Das hat aber nichts mehr mit der Duschszene zu tun, also weiter zum nächsten […]
Der komplette Film hätte – der Logik folgend – so nicht gezeigt werden dürfen: Die Geschichte fußt auf einem erbärmlichen Umgang mit Frauen in jener Zeit (von jenen dominanten Persönlichkeiten wie Caterina Schöllack, die sich rücksichtlos bereichert hat und streng und hart ist wie eine Magda Goebbels es war – gewaltsam genug, ihre Kinder zu vergiften), und er erfüllt somit nicht keinen „Bildungsauftrag“. Literatur und Filme zeigen eine Wirklichkeit fernab der erwünschten Realität mit ihren Rechtsnormen – und oft sind Leben und Wirklichkeit noch absurder als Autoren sich Geschichten auszudenken vermögen. Ist von Literatur und Film erwünscht, eine Scheinwelt vorzugaukeln – so, wie wir sie uns wünschen, in Moral und Recht?
Wir sehen eine Vergewaltigung, denken (als gesunde Menschen): „Dieses miese Schwein!“, sind wütend über das Ausbleiben jedweder Sanktionen, und verfolgen dann eine Geschichte weiter, die uns verwirrt, vor den Kopf stößt und grübeln lässt über die erfundenen Akteure, deren Charakter, Reflexionen, Veränderungen – und es bleiben meist Mutmaßungen. Darin besteht der Reiz in Literatur – ob in Schrift- oder Bildform.
Wir fordern – zu Recht! – Rechtstaatlichkeit, Gewaltlosigkeit, Gleichberechtigung… und schauen Actionfilme oder Liebesschnulzen, die nur so strotzen vor Gewalt, Rechtlosigkeit und absurder Rollenspiele. Darin liegt wohlmöglich ebendiese menschliche Ambivalenz, die Autoren darzustellen versuchen, um von der noch irrsinnigeren Realität des Menschseins überrumpelt zu werden – und wir lassen uns als selbstbewusste emanzipierte Menschen darauf ein: Wir schauen auf das Leben, das Unrecht, all die menschliche Inkonsequenz.
Vielleicht gibt es einen Grat, auf dem wir wandern – zwischen der berechtigten Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft und der Freiheit, uns undogmatisch auf die Kunst der GeschichtenerzählerInnen einzulassen. Und wer die o.g. Geschichte anschaut und darin Entschuldigungen für das eigene brutale Verhalten sucht, ist dermaßen schachmatt, dass er zum einen nicht dem typischen Publikum solcher Kleinserien angehören dürfte und zum anderen mit aller Härte unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses und unseres Rechtstaats konfrontiert würde.
[…] Originaltext ist zuerst auf Die Filmlöwin erschienen. Wir freuen uns, dass wir ihn auch hier veröffentlichen […]
Bagatellisierung – so ein absoluter Unsinn. Die Serie zeigt ganz klar, wie absurd diese Entwicklung ist. Außerdem wird hier ganz geschickt unbeachtet gelassen, wie kritisch dieSerie auch mit anderen Gewalttaten von ekligen Männern (Fassbinder, Moser) umgeht.
Das ist eine history Serie – soll sie auch gleichzeitig ein Bildungsroman sein?
Warum trauen Sie den Zuschauern nicht ein bisschen Geist zu, dass sie das richtig einordnen und verstehen können?
[…] Filmjournalistin und Filmlöwin-Bloggerin Sophie Charlotte Rieger schrieb kürzlich zu diesem Thema Schluss mit lustig – eine Kampfansage gegen die happy Vergewaltigung. Das hat aber nichts mehr mit der Duschszene zu tun, also weiter zum nächsten […]