PFF 2015: Schnick Schnack Schnuck

Ich habe noch nie eine Langkritik über einen Porno geschrieben. Aber irgendwann ist ja bekanntlich immer das erste Mal. So auch für die Schauspieler_innen von Schnick Schnack Schnuck, für die mit zwei Ausnahmen sowohl das Schauspiel als auch Sex vor der Kamera eine komplett neue Erfahrung waren. Regisseurin Maike Brochhaus, die schon mit ihrem letzten Film Häppchenweise das Publikum begeistert hatte, castete hier ganz bewusst Laiendarsteller. Die zuweilen gestelzt wirkenden Dialoge haben also System, denn Brochhaus versucht in Schnick Schnack Schnuck den Porno der 70er Jahre wieder aufleben zu lassen: Eine Spielfilmhandlung, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt, mit expliziten Sexszenen.

© KalkPostPornProduction

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Die Geschichte ist simpel, so wie es sich für einen Porno gehört. Felix lässt seine Freundin Emmi übers Wochenende alleine, um mit seinem besten Kumpel Kai auf ein Festival nach Amsterdam zu fahren. Dort kommen sie allerdings niemals an, da sie zu sehr damit beschäftigt sind, sich mit ihren neuen Bekanntschaften Steffi und Anke sexuell zu entfalten. Aber auch Emmi ist kein Kind von Traurigkeit und vergnügt sich mit ihrer polyamor lebenden Schulfreundin Magda. Am Ende treffen sich alle zufällig auf einer orgiastischen Party und feiern die freie Liebe.

Handlungselemente und Sexszenen stehen in Schnick Schnack Schnuck in einem guten Verhältnis. Wo das Schauspiel manchmal ein bisschen hakt, wirkt der Sex umso authentischer. Hier wurde dokumentarisch gearbeitet, das heißt ohne Drehbuch, das Stellungswechsel und Stöhnlautstärke vorgibt. Stattdessen konnten die Darsteller_innen größtenteils ihren eigenen Leidenschaften nachgehen. Das stellt die Kameraleute vor eine große Aufgabe, wissen sie doch nie, was als nächstes passiert. Und so gibt es mindestens zwei Momente, in denen eine Kamera die andere für einen Sekundenbruchteil mitfilmt.

© KalkPostPornProduction

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Die kleinen Patzer sind jedoch ohne Weiteres zu verschmerzen, denn Schnick Schnack Schnuck ist nicht nur sexy, sondern auch ziemlich witzig. Außerdem beinhaltet der Film diverse Metagespräche über Sexualität und alternative Beziehungsformen und hat damit zudem einen Bildungsaspekt. Wie auch der grundsätzlich sichere und respektvolle Sex eine wichtige Botschaft sendet.

Zu kritisieren wäre vielleicht die Heteronormativität der Geschichte, die zwar zum Ende ein wenig aufgeweicht wird, dennoch aber den Film eindeutig dominiert. Wir sehen heterosexuelle Paare, die zwar für Sexperimente mit dem eigenen Geschlecht offen sind, sich letztlich aber brav in die binär konstruierte Heterobeziehung zurückkehren. Geschlechterrollen sind klar definiert und Queerness ist bedauerlicher Weise kaum Thema.

Lobenswert und unbedingt zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang jedoch die Wandlung des Frauenhelden Kai, der sich im orgiastischen Finale vornehmlich mit Männern vergnügt. Damit bricht Maike Brochhaus ein gängiges Klischee und ermutigt hoffentlich auch die „coolen Jungs“ mal über den sexuellen Tellerrand zu schauen.

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Klar, nicht jede_r mag Pornographie, was auch immer die Zweifel und Argumente sein mögen. Ich möchte aber noch einmal, wie schon im Zusammenhang mit dem PorYes-Award, betonen, dass feministische und alternative Pornos uns eine gleichberechtigte Sexualität zeigen, die selbst im Mainstreamkino selten vorkommt und die uns für das eigene Sexualverhalten sensibilisiert, Möglichkeiten aufzeigt, informiert. Damit will ich niemanden überreden Pornos zu gucken… Obwohl… Bei Schnick Schnack Schnuck lohnt sich das wirklich!

Wie der Vorgängerfilm Häppchenweise ist auch Schnick Schnack Schnuck mit Hilfe von Crowdfunding entstanden und wird vorerst nicht auf DVD oder BluRay erscheinen, sondern per Download zu erwerben sein:

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Sophie Charlotte Rieger
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