Lesestoff: MIRAJ Special Issue „Feminisms: Women artists and the moving image“

© MIRAJ

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Das MIRAJ Magazin (Moving Image Review & Art Journal) widmet sich den verschiedenen Formen des Bewegtbilds, also nicht nur Film, sondern auch Video und Installationen. Daher ist bei MIRAJ auch deutlich mehr Raum für experimentelle Filmkunst als dies beispielsweise hier bei der FILMLÖWIN der Fall ist, die sich vor allem dem Kinofilm verschrieben hat.

Im vergangenen Jahr erschien MIRAJ in einer Doppelausgabe zum Thema Feminism: Women artists and the moving image, um sich mit den spezifischen Themen, Anliegen, aber auch Techniken der weiblichen* Filmproduktion auseinanderzusetzen. Das heißt, es geht den Artikeln über die Werke verschiedener Künstlerinnen nicht nur um deren inhaltliche Verhandlung von Weiblichkeit* oder der Rolle der Frau* in der Gesellschaft, sondern auch um eine filmwissenschaftliche Analyse der hierzu verwendeten Mittel. So betrachtet Elizabeth Cowie in ihrem Artikel The difference in figuring women now Feminismus als ein ästhetisches Projekt, das sich mit der Frau* als „das Andere“, mit ihrem Körper und mit der Konstitution ihre Subjektstatus künstlerisch auseinandersetzt. Anhand von drei Werken – Giving It All That von Emma Hart, Al-Khawaga and Johnny Stories und In Search of a City (in the papers of Sein) von Hala Elkoussy, Perestroika von Sarah Turner – wirft Cowie einen Blick auf den Versuch, weibliches* Erleben audiovisuell zu übersetzen.

Artikel wie die von Elizabeth Cowie setzen durch ihre Komplexität nicht nur eine umfassende Kenntnis der englischen Sprache, sondern auch kultur- und filmwissenschaftliches Grundwissen voraus. Es handelt sich nicht um eine leichte Lektüre für die U-Bahn, sondern um anspruchsvolle Analysen, die eines vielleicht auch mehr als einmal lesen muss, um sie in ihrer Gänze zu erfassen. Dafür aber eröffnen die Texte neue Denk- und Interpretationsansätze, die insbesondere für Filmfrauen* spannend sein dürften.

Etwas einfacherer liest sich der zweite Teil des Magazins. Dort findet sich beispielsweise ein Interview mit Laura Mulvey, das MIRAJ Gründerin Catherine Elwes mit der legendären feministischen Filmtheoretikerin im Jahr 2015 geführt hat und in dem es vor allem um eine selbstkritische Bilanz des „Filmfeminismus“ der vergangenen Jahrzehnte geht. Mulvey blickt auf die feministische Beschäftigung mit dem Medium Film damals und heute und setzt diese in Bezug zu gesellschaftlichen Entwicklungen. Und so viel sei verraten: Ihr Fazit ist ziemlich ernüchternd.

Ebenfalls enthalten in der Doppelausgabe von MIRAJ ist ein persönlicher Nachruf des Kurators Michael Mazières für die im vergangenen Jahr verstorbene Chantal Akerman sowie das Transkript einer Diskussion zum Thema Women’s Images of Men bei der gleichnamigen Ausstellung in London 1980 (!). Die Fußnote erklärt: „The is an edited transcript of the original discussion, which was on an audio cassette tape and languished in a drawer for 35 years. Miraculously, it still played (…).“

Kurzum: Die „Feminismus-Ausgabe“ von MIRAJ ist ein Fest für alle, die tiefer in die feministische Filmproduktion und -analyse einsteigen wollen sowie quasi ein Muss für all jene, die sich zum Beispiel in ihrem Studium auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Thema beschäftigen. Das Magazin oder auch einzelne darin enthaltene Artikel könnt ihr online bestellen beziehungsweise herunterladen.

Sophie Charlotte Rieger
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