Gut gebrüllt: Monika Kijas und Femmes Totales

Ab dem 24. November tourt die Filmreihe Femmes Totales durch Deutschland und erfreut verschiedene Städte mit einem Programm voller Filmlöwinnen. Diese Initiative finde ich natürlich großartig, weshalb ich ohne Zögern als Kooperationspartnerin mit eingestiegen bin und alle Filme hier schon einmal kurz vorgestellt habe. Aber wer steckt eigentlich hinter der Idee von Femmes Totales? Um das herauszufinden und das Projekt einmal näher zu beleuchten, habe ich Organisatorin Monika Kijas eingeladen, gut zu brüllen.

© Mona Walch

© Mona Walch

Filmlöwin: Was ist Ihr persönlicher Hintergrund? Wie haben Sie beruflich zum Thema Film gefunden?

Monika Kijas: Während meines Studiums der Szenischen Künste habe ich angefangen für Filmfestivals zu arbeiten und mich mit feministischer Filmtheorie auseinanderzusetzen. Nachdem dem Studium habe ich meine Arbeit für zahlreiche Festivals fortgesetzt bis ich mich dann letztes Jahr mit meinem Verleih (eksystent Verleih, Anm.d.Red.) selbstständig gemacht habe. Hier habe ich nun die Möglichkeit Filmen in die Kinos zu helfen, die ich für wichtig und gut halte.

Warum heißt die Filmreihe eigentlich Femmes Totales?

Es sind Filme von Frauen, die in den Mittelpunkt gestellt werden. Frauen total also.

Und woher kam die Idee dazu?

Schon seit langer Zeit ist es mir persönlich ein Dorn im Auge gewesen, dass es im Vergleich weniger Filme von Frauen auf die Leinwände schaffen. Mit Gründung eines eigenen Verleihs hatte ich dann die Möglichkeit, dahingehend was zu ändern – meinen Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten.

Wie haben Sie das Programm zusammengestellt?

Die Filme sollen die Diversität des filmischen Schaffens von Regisseurinnen zeigen, unter Beweis stellen, dass Frauen jegliche Art von Film machen können – von Komödie, sozialkritischer Dokumentation hin zum klassischen Genrefilm. Besonders hier wird Regisseurinnen ja oft die Fähigkeit abgesprochen, solche Filme zu machen. Natürlich können fünf Filme nicht die komplette Bandbreite abdecken, aber ich bin überzeugt, dass die Filme der Femmes Totales Filmtour einen interessanten Querschnitt bieten.

Und wie haben Sie die ausgewählten Filme aufgespürt?

Nachdem ja oft gesagt wird, es gibt nicht genug gute Filme von Frauen, habe ich mich auf eine schwierige Recherche eingestellt, musste aber schnell feststellen, dass das kompletter Unsinn war und ich schließlich vor einer großen Zahl toller Filme stand, die ich dann nach Genre, Land etc. ausgewählt habe – so dass in der Reihe ein breites Programm angeboten wird.

© Femmes Totales

Filmstill aus Hitzewelle © Femmes Totales

Auf Ihrer Webseite kritisieren Sie, dass Regisseurinnen bestimmte Genres nicht zugetraut werden. In Ihrem Programm fehlen aber ebenfalls Action- oder Horrorstoffe sowie beispielsweise eine Romantic Comedy. Wie kommt das, was sind die Gründe dafür?

Ich finde, dass Hitzewelle durchaus unter den Genrespekt fällt. Wie richtig bemerkt, gibt es in dieser Ausgabe auch keine Romantic Comedy, aber in der Reihe sind ja auch nicht alle Länder vertreten. Mit 5 Filmen kann man natürlich nicht den Anspruch haben, alle Genres aus allen Ländern abzubilden, sondern nur einen Einblick geben und Lust auf mehr machen!

Wie werden die Veranstaltungen von Femmes Totales ablaufen? Gibt es ein Rahmenprogramm?

Im Anschluss an viele der Filmvorführungen wird es Gespräche geben, mit ExpertInnen zu den jeweiligen Themen der Filme. Auch die Regisseurinnen werden an einigen Terminen anwesend sein. Zum Start der Tour wird Joyce A. Nashawati von Hitzewelle in Berlin zu Gast sein.

Aufbauend auf der Filmreihe aber auch Ihrer beruflichen Erfahrung: Gibt es Themen, die in Filmen von Frauen besonders stark vertreten sind, denen sich Regisseurinnen mehr annehmen als ihre männlichen Kollegen?

Ich möchte mit der Filmreihe zeigen, dass es keine zwingend thematische Zuordnung zum filmischen Schaffen von Frauen gibt. Die Idee, dass Regisseurinnen z.B. mehr für Filme mit Herz etc. zu haben sind, finde ich falsch. Femmes Totales soll ebenso einen Einblick in die Vielfalt geben, zeigen, dass Frauen eben nicht nur „Herzfilme“ oder klassisch weiblich konnotierte Filme machen können, sondern die ganze filmische Klaviatur spielen können, so wie ihre männlichen Kollegen eben auch.

Sind Filme von Frauen anders?

Nein, sind sie nicht in diesem Sinne. Jeder Mensch hat einen eigenen Blickpunkt auf die Dinge, der am Ende natürlich auch den Film beeinflusst. Frausein kann ein Teil dieses Blickwinkels sein, aber selten 100% ausmachen.

© eksystent

Filmstill aus Null Motivation © eksystent

Wie kommt es, dass im Jahr 2016 Frauen im Bereich Film und Fernsehen noch immer so stark benachteiligt sind? Was müsste/könnte sich ändern, um hier mehr Gleichberechtigung zu erreichen?

Ähnlich wie in der freien Wirtschaft denke ich, dass die Quote ein sinnvolles Instrument sein kann, um die strukturelle Benachteiligung zu beheben. Außerdem sind auch die Frauen gefragt – eine gegenseitige Unterstützung ist unerlässlich und hilft uns jetzt sowie auch den folgenden Generationen. Laut einer Studie wird die wirtschaftliche Gleichstellung erst in 170 Jahren erfolgt sein – bleibt also noch viel zu tun.

Warum ist der Diskurs hierüber scheinbar schwerer zu führen bzw. in die Öffentlichkeit zu tragen als der über andere Bereiche der Geschlechterdiskriminierung, beispielsweise in Chefetagen von Unternehmen?

Für uns ist das natürlich präsenter, da wir in der Materie unterwegs sind, für die Öffentlichkeit ist es aber nur ein kleiner Bereich ihres Lebens. Wahrscheinlich können sich Menschen eher mit anderen Bereichen identifizieren, die diskutiert werden und mit denen sie auf täglicher Basis zu tun haben.

femme-totalEine feministische Filmfee, vermutlich in Gestalt einer Löwin, schenkt Ihnen drei Wünsche. Was wünschen Sie sich?

  1. mehr Akzeptanz von Filmen, die mit Untertiteln gezeigt werden
  2. unendlich viele Filme von Kelly Reichardt
  3. ein immer größer werdendes Rudel von Löwinnen

Ich bedanke mich herzlich bei Frau Kijas für das kleine Interview, aber noch mehr für Femmes Totales und wünsche viele gut besuchte, unterhaltsame, spannende und bereichernde Projektionen.

Sophie Charlotte Rieger
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