Die weibliche Biographie im Kino – Ein Trauerspiel

Ach ja, Diana, die Königin der Herzen. Die Frau*, die jungen Mädchen* den Floh ins Ohr setzte, auch aus einer Kindergärtnerin könne einst die Königin von England werden. Ich erspare mir an dieser Stelle den feministisch motivierten Seitenhieb auf diesen Lebensentwurf und komme direkt zum Thema, nämlich das sogenannte „BioPic“ über eben jene Frau*, das im Grunde doch nichts anderes ist als ein schlecht erzählter Schmachtfetzen.

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© Concorde

Grundsätzlich finde ich es toll, dass sich das Kino der Person Diana angenommen hat. Filmische Biographien über Frauen sind nämlich selten. Sehr selten sogar. Ein Blick auf die List of Biographical Film bei Wikipedia reicht aus, um zu erkennen, dass Lebensgeschichten berühmter Frauen in den Augen von Produzent_innen keinen guten Filmstoff abgeben. Das überrascht mich überhaupt nicht, schließlich sind weibliche Charaktere im Film grundsätzlich noch immer seltener vertreten als männliche, insbesondere wenn es um die zentralen Figuren einer Geschichte geht, die den Handlungsverlauf vorgeben und zur Identifikation inspirieren sollen. Dementsprechend sind auch die filmischen Biographien berühmter Frauen eher eine Seltenheit.

Schon bevor ich Diana sah, ging mir durch den Kopf, dass ich schon lange kein weibliches BioPic mehr gesehen hatte. Insbesondere das amerikanische Kino ergeht sich lieber in der tausendsten filmischen Lobduselei eines verstorbenen (Lincoln) oder lebenden (W) Präsidenten, als sich auch nur einziges mal seinen Nationalheldinnen zu widmen. So warte ich schon seit vielen Jahren vergeblich auf einen Kinofilm über Rosa Parks, die Frau, die mit ihrer Weigerung im Bus den Platz für einen Weißen zu räumen, maßgeblich zur Bürgerrechtsbewegung beigetragen hat.

Dennis P. Bingham, der dem BioPic-Genre ein ganzes Buch gewidmet hat (Whose Lives are They Anyway?: The Biopic as Contemporary Film Genre), führt das Fehlen weiblich besetzter Biographien im Kino auf unsere patriarchal geprägte Gesellschaft zurück. Die habe nämlich noch immer ein Problem mit Frauen im öffentlichen Raum. Deshalb geht es seiner Meinung nach in den BioPics über Frauen um das Leiden und Scheitern der Protagonistin und nicht um ihre Errungenschaften und Erfolge. Aber stimmt das wirklich?

Johanna von Orléans © StudioCanal

Johanna von Orléans © StudioCanal

Ich habe mal nachgedacht, welche Filme über berühmte Frauen mir spontan einfallen. Sophie Scholl – Die letzten Tage – Sophie Scholl stirbt. Marie Antoinette – Marie Antoinette stirbt (sehen wir zwar nicht, wissen wir aber). The Hours – Virgina Woolf stirbt. Frida – Frida Kahlo stirbt. Die Passion der Jungfrau von Orléans von Carl Theodor Dreyer – vielleicht der Wegbereiter für das weiblich besetzte BioPic – Johanna von Orléans stirbt. Natürlich. Was sonst. Diana, und das ist wahrlich kein Spoiler, reiht sich hier problemlos ein.

Nun ließe sich ja argumentieren, dass die Biographie an sich es nun mal an sich hat, dass ihre Hauptfiguren in der Regel bereits verstorben sind. Jedoch sind alle obig genannten Figuren nicht nur tote, sondern auch tragische Figuren: Depressionen, schwere Krankheit, Enthauptung, Leidensgeschichten. Binghams Behauptung, die Frau im BioPic würde an den Widerständen nicht wachsen, aus einer Krise nicht erstarkt hervorgehen wie es der Mann täte, trifft hier ausnahmslos zu.

Ganz kann ich Herrn Bingham trotzdem nicht zustimmen. Es geht schließlich auch anders. So erzählt beispielsweise Wüstenblume zwar eine tragische Geschichte von Genitalverstümmelung, aber gleichzeitig auch den Werdegang des Supermodels Waris Dirie. Und Lovelace ist nicht nur ein Film über eine misshandelte Pornodarstellerin, sondern auch über eine Frau, die sich erfolgreich aus einem Unterdrückungsverhältnis befreit und ihren eigenen Weg geht. Stephanie Rogers sieht jedoch auch hierin noch keinen Grund zu Jubelstürmen. Wie sie in einem Artikel auf BitchFlicks beschreibt, krankt das weiblich besetzte BioPic gerade daran, dass es sich fast ausschließlich auf Frauen in der Unterhaltungsbranche beschränke, während Politikerinnen und Aktivistinnen in der absoluten Minderheit seien. Nun ist Linda Lovelace als legendärer Pornostar vielleicht wirklich nicht unbedingt das beste Beispiel für politischen Aktivismus. Im Fall von Waris Dirie sieht das jedoch schon wieder ganz anders aus. Ihrer mutigen Autobiographie und ihrem Engagement nämlich ist es zu verdanken, dass das Thema Genitalverstümmelung weltweite Aufmerksamkeit erlangte.

Aber zurück zu Diana. Die hat auch deutlich mehr geleistet als nur einen hässlichen Prinzen zu heiraten und im Rahmen ihrer humanitären Missionen unter anderem das bürgerkriegsgebeutelte Ruanda besucht, um auf die Gefahr der zahlreichen Landminen aufmerksam zu machen. All das interessiert Stephen Jeffreys, der das Drehbuch zu Diana verbrochen hat, aber nur sehr peripher. Viel interessanter als alles, aber wirklich alles andere ist ja schließlich das Liebesleben der Prinzessin von Wales. Und so konzentriert sich sein Film fast ausschließlich auf Dianas natürlich immens tragische Liebesgeschichte zu dem Arzt Dr. Hasnat Khan. Wir sehen sie lieben, leiden und sterben, so wie sich das für die filmische Biographie einer Frau gehört. Es ist – erlaubt mir diese Direktheit – zum in den Popcorn-Kübel kotzen.

© Concorde

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Vielleicht bringt es aber auch gar nichts, sich über Diana aufzuregen. Letzten Endes war die Prinzessin auch zu Lebzeiten für ihre Fans eben genau das: eine Prinzessin. Dementsprechend groß war das Interesse an ihrem Privatleben: Welche Kleidung trägt Diana privat? Was ist ihr Lieblingsessen? Mit wem teilt sie das Bett?

Irgendwie haben wir es ja ein bisschen verdient, dass wir statt der Biographie einer bemerkenswerten Frau nur eine schmalzige, und leider nicht mal sonderlich romantische Liebesgeschichte präsentiert bekommen, die uns so gar keinen Respekt vor ihrer Protagonistin einflößen will. Das Kino ist letztlich auch nur ein Spiegel der Gesellschaft, in der es entsteht. Vielleicht wird in 40 Jahren einst ein_e Kulturwissenschaftler_in Diana mit den folgenden Worten beschreiben: „In einer Zeit, in der die mediale Präsenz von Frauen insbesondere im Mainstreamkino noch auf ein Minimum reduziert war und in der jene primär als romantische, weniger jedoch auch als politische Akteurinnen begriffen wurden, gelang Drehbuchautor Stephen Jeffreys eine intelligente, wenn auch zu seiner Zeit vollkommen verkannte Kritik des Status Quo. Indem er eine gesellschaftshistorisch hochgradig relevante Figur wie die Prinzessin von Wales, die das Bild der britischen Monarchie für immer veränderte, auf die Rolle einer unglücklich Liebenden reduziert, gelingt es ihm, den patriarchalen Tunnelblick einer ganzen Gesellschaft zu porträtieren, die ihre eigenen Heldinnen nicht zu erkennen imstande ist.“

Sophie Charlotte Rieger
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