Die Sexismus-Debatte ist eine alte Frau mit Bart – Interview mit Isabell Suba

© Achtung Berlin

In ihrer Mockumentary Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste setzt sich Regisseurin Isabell Šuba unter anderem mit der fehlenden Präsenz weiblicher Filmemacher in Cannes auseinander. Sophie hat Isabell Šuba am Rand des Achtung Berlin Festivals getroffen, um mit ihr nicht nur über diesen Film, sondern auch über das Sexismusproblem des Filmbusiness unterhalten.

Wie kam es überhaupt zu dem Film? Womit fing alles an?

Ich habe eine Einladung nach Cannes bekommen und bin erst mal vom Stuhl gefallen, weil es natürlich schon wahnsinnig toll ist, als junger Filmemacher so eine Einladung zu bekommen. Aber dann habe ich mich gefragt: Was bringt mir das wirklich als Filmemacherin, jetzt gerade in diesem Moment? Und als ich erfahren habe, dass in diesem Jahr, 2012, im Wettbewerb keine Frau vertreten war, hat mich das sehr frustriert und auch wütend gemacht. Dahinter stehen natürlich meine eigenen Ängste: Was habe ich als Frau für Chancen? Muss ich mich immer etwas mehr beweisen als Männer?

„ich gebe einfach meine Identität ab und mache einen Film darüber“

Was genau hat Dich geärgert?

Ich habe einfach angefangen zu hinterfragen, was es eigentlich heißt, dass 90 Prozent der Spielfilme von Männern gemacht werden. Männer und Frauen sind unterschiedlich und das ist auch gut so ist. So gibt es verschiedene Perspektiven auf das Leben. Aber deshalb ist das im Film auch widergespiegelt worden. Man kann natürlich auch immer fragen: Sind die Filme von Frauen schlechter? Oder entsprechen sie nicht den Kriterien? Aber ich glaube, man sollte sich eher überlegen, was das für Kriterien sind. Und deswegen habe ich mir gedacht, ich gebe einfach meine Identität ab und mache einen Film darüber.

Hat es Dich nicht wenigstens kurz gereizt dort selbst hinzufahren? Du opferst ja quasi Deine 5 Minuten Ruhm!

Es sind nicht mal fünf Minuten. Du gehst eine Minute auf die Bühne, es wird geklatscht und das war’s. Ich aber habe mir überlegt, dass ich Cannes als größtmögliche Kulisse nutzen könnte, die ich ja mit einem normalen Projekt nie bezahlen könnte. Und da hat die Selbstdarstellung ziemlich gegen abgestunken.

„Es reicht mir, das Thema anklingen zu lassen“

Du nimmst Dich dem Thema Sexismus schließlich nur sehr subtil an. Warum?

Weil es sonst ein anderer Film gewesen wäre. Ich hatte zu dem Zeitpunkt einfach Lust, mit Schauspielern zu arbeiten. Und wenn ich mehr darüber hätte erzählen wollen, was die administrativen Probleme oder die patriarchalen Machtstrukturen in Cannes sind, wäre wahrscheinlich ein Dokumentarfilm daraus geworden und das wollte ich nicht. Es reicht mir, das Thema anklingen zu lassen und zum Nachdenken anzuregen.

Ich glaube, wenn ich andere Produktionsbedingungen gehabt hätte, also mehr Geld, dann hätte ich es anders aufzogen. Ich hatte ja nur 1 1/2 Monate für die Vorbereitung und nur 5 Drehtage. Das reichte gerade mal so für die Geschichte. Wenn ich noch mal zwei, drei Tage gehabt hätte, dann hätte ich wahrscheinlich auch noch mehr aufs Festival geblickt.

Wie ist der Film dann entstanden? Ist irgendetwas gescriptet?

Nein, es ist alles so passiert.

Das heißt, der Produzent hat wirklich alle Termine verplant?

Ich habe Regie geführt, mir die Geschichte währenddessen ausgedacht, also auf die Umstände reagiert, und dann noch dafür gesorgt, dass wir einigermaßen alle Termine einhalten. Natürlich ist da das eine oder andere mal durchgeflutscht. Und wenn dann was schief ging, war im Film natürlich immer „David“ Schuld.

Isabelle sagt im Film, Buddy-Movies seien ein männliches Genre, aber für mich ist Dein Film eigentlich ein queeres Buddymovie.

Ja, das finde ich eine perfekte Bezeichnung. So habe ich das gemeint. Die Dinge gehören ja allen und Buddy Movies sind einfach geil, weil sie lustig sind. Zwei Buddys – da steckt immer drin, dass sie sich mögen, aber dass sie sich auch miteinander messen.

Die Szene am Pool ist in meinen Augen zum Beispiel eine dieser queeren Buddy-Movie Szenen.

Ja und es gab auch noch nie eine Szene, in der ein Mann und eine Frau um eine Frau buhlen. Wenn es so etwas gab, dann schlafen sie alle miteinander und der Mann freut sich. Aber dass wirklich eine Frau und ein Mann konkurrieren und die Frau gewinnt… Und das war ja nicht gescriptet. Das ist wirklich passiert! Das Witzige ist ja, dass die Szene mit am meisten gemocht wird. Das ist für mich ein Hinweis darauf, dass die Leute Lust auf Neues haben.

„ich bin ganz sicher, dass Männer und Frauen unterschiedliche Filme machen“

Glaubst Du, dass Frauen andere Filme machen als Männer?

Das Beschissene an diesem System ist, dass es schon so schwarz-weiß ist, dass man auch immer weiterhin schwarz-weiße Fragen stellt. Alle Filmemacher machen unterschiedliche Filme. Das Geschlecht ist ja nur ein Teil davon, was den Menschen ausmacht. Aber ich bin ganz sicher, dass Männer und Frauen unterschiedliche Filme machen, weil sie einfach unterschiedlich sind. Frauen gehen anders mit dem Gedanken an Leben und Gemeinschaft um. Sie haben ein anderes Sozialempfinden. Männer wiederum sind sehr darauf bedacht, etwas zu erreichen, nach vorne zu schauen. Es gibt natürlich auch immer Ausnahmen, aber grundsätzlich glaube ich das schon. Das führt natürlich zu einer unterschiedlichen Sicht der Dinge.

Wie drückt sich das beim Filmemachen aus?

Es ist doch schon mal interessant, dass kein Filmemacher jemals so etwas gemacht hat wie ich. Warum nicht? Weil jeder Filmemacher, und davon sind bis auf die letzten drei Jahre 80% Männer gewesen, sich denkt: „Juhu, ich wurde in Cannes genommen. Ich nehme meinen Anzug mit, meinen Schnaps und meine Kondome und tu jetzt mal eine Woche richtig krass auf Mallorca-Tourist.“ Und ich hab als erstes gedacht: „Das ist ja alles schön und gut, aber was ist danach?“

Glaubst Du, dass sich in der Filmindustrie in Zukunft etwas ändern wird?

Ich hoffe doch. Ich glaube, die Männer müssen sich bald warm anziehen. Frauen sind einfach Multitasking gewohnt, sie sind durchhaltefähiger, aber auch emotionaler. Ich glaube, durch diese Mischung sind sie auch sehr gute Chefs, weil es ihnen nicht nur um das Ergebnis geht. Und wenn Frauen erst einmal in solchen Positionen sind und Menschen sich damit wohl fühlen, warum soll man dann noch einen herrischen Mann nehmen, der nur die Hauptdarstellerin flachlegen will?! Ok, das ist jetzt natürlich ein Klischee.

„Cannes ist die Spitze des Eisbergs.“

Und wird sich auch Cannes verändern?

Cannes ist die Spitze des Eisbergs. Wenn Cannes kein Bundesverdienstkreuz dadurch verliehen bekommt, wird da gar nichts passieren. Wenn nun lauter Frauen dort hinkommen, um ihre Filme zu zeigen, was passiert dann mit dem roten Teppich? Dann fällt das Kanapee weg, die Kirsche, das Aperitif.

Cannes als Konzept würde also nicht funktionieren, wenn es eine gleichberechtigte Veranstaltung wäre?

Nicht so wie es jetzt ist. Dann sind andere Frauen auf dem roten Teppich und präsentieren ganz andere Projekte, ganz andere Ideen. Wenn dieses Gehabe wegfällt, dann fällt auch eine gewisse Attraktivität weg und es muss etwas Neues erfunden werden, womit Geld gemacht wird.

Sollte es eine Frauenquote bei Festivals geben?

Wenn man merkt, es sind zu wenig Filme von Frauen eingereicht worden, sollte man noch mal einen Aufruf machen: „Jetzt nur noch Frauen“. Frauen sind benachteiligt. Also warum sich nicht die Zeit nehmen, um ein Gleichgewicht zu schaffen. Es ist nicht nur die Aufgabe der Frauen, ihre Filme anzubieten, sondern auch die der Festivalleiter einen Teil dazu beizutragen, dass sich etwas ändert.

„Die Geschichten von weißen heterosexuellen Männern sind auserzählt.“

Warum ist das so wichtig?

Radio, Musik und Film sind die prägendsten Medien für junge Leute. Und es muss dafür gesorgt werden, dass dort ein Abbild der Realität gezeigt wird. Ich finde auch, dass generell mehr Hautfarben vertreten sein sollten. Die Geschichten von weißen heterosexuellen Männern sind auserzählt. Es ist vorbei.

Was erzählst Du uns als nächstes?  

In meinem neuen Stoff geht es um 50 jährige Frauen, die noch mal die Welt erobern wollen, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Sie scheitern zwar, aber es geht in der Geschichte auch mehr darum, ins Leben zu springen und sich zu trauen. Nicht zu denken, man dürfte nur etwas machen, wenn vorher alles genau geregelt ist und man 100%ig weiß, dass es funktioniert. Dann nämlich ist das Leben an einem vorbei gerauscht.

Sophie Charlotte Rieger
Letzte Artikel von Sophie Charlotte Rieger (Alle anzeigen)