Der Blockbuster-Check: Jurassic World

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check fortan Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

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Klare Aufstellung zum Thema „Wer ist hier der Held?“ © Universal

Held_innen

Jurassic World tut so, als habe sich nun auch im Dino-Themenpark die Frauenquote durchgesetzt und positioniert Bryce Dallas Howard als Claire an der Spitze der Parkhierarchie, quasi als Nachfolgerin von Richard Attenborough als John Hammond. Es steht zu vermuten, dass Claire ihren Job über eine „Frauen und andere Minderheiten bevorzugt“-Ausschreibung bekommen hat, denn wegen ihrer Qualifikation wurde sie bestimmt nicht angestellt. Chronisch unsicher, immer hart an der Überforderung wird die arme Frau ihrer Rolle niemals gerecht. Gleichzeitig wird ihr die in Jurassic Park noch durch Dr. Alan Grant (Sam Neill) verkörperte Kinderscheu angehängt. Claire ist also weder eine gute Geschäftsfrau noch besitzt sie mütterliche Qualitäten – sie ist einfach auf ganzer Linie hilflos. Kein Wunder also, dass die großen Entscheidungen immer von anderen getroffen werden und ihre einzige Funktion darin zu bestehen scheint, die Stelle „Parkführerin“ bzw. „Heldin“ mal mit einer Frau zu besetzen.

Ganz anders verhält es sich mit dem Helden, Owen verkörpert von Chris Pratt, dem klassischen einsamen Kämpfer. Hach, wie männlich das doch ist, wenn er da so mit seinen formvollendeten Oberarmen an seinem Motorrad schraubt… Und clever ist er auch noch, denn immerhin ist ihm als Einzigem die Zähmung von bzw. Beziehung mit den berüchtigten Raptoren gelungen. Owen rettet die Welt – sowohl tatkräftig als auch moralisch, dann er ist nicht nur Frauen- sondern auch Raptoren-Versteher und begreift als einziger, was den Dinos im Themenpark in puncto Freiheitsberaubung eigentlich angetan wird. Heldenhaft eben.

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Das phallische Gewehr kann gegen diese fiese Mund-Möse (die Dreiecksform ist nicht zu übersehen) nichts ausrichten © Universal

Gegenspieler_innen

Statt des spatzenhirnigen und eindeutig männlichen T-Rex tritt in Jurassic World ein weiblicher Indominus Rex auf, eine genetische Kreuzung verschiedener Rassen, die frei nach dem Motto „größer, schneller, klüger“ alle bisher dagewesenen Dinos übertrifft. Eingesperrt in ein viel zu kleines Gehege ohne jeglichen Kontakt mit anderen Lebewesen (ihr Geschwisterchen hat sie schon während der gemeinsamen Kindheit im wahrsten Sinne des Wortes gefressen), zieht ihr Ausbruch aus dem Gehege eine Identitätssuche nach sich. Leider beinhaltet „Identität“ im Tierreich eben auch einen Platz in der Nahrungskette. Ihre Spezies übergreifenden Serienmorde können wir ihr jedoch verzeihen, empfinden wir sie doch mehr als Opfer denn als Täterin und sehen in ihrer Aggression eine Reaktion auf (patriarchale?) Unterdrückung. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, ob die Machos dieser Welt wohl glauben, dass wir Menschenfrauen uns ähnlich verhalten würden, wenn sie uns von der Leine ließen…

Geschlechterrollen allgemein

Neben der Pseudo-Heldin und –Chefin sind es die Männer, die in Jurassic World den Ton angeben. Der Wissenschaftler, der hinter der wilden genetischen Kreuzung steckt, ist ebenso ein Mann wie der Besitzer des Parks und der Vertreter des Militärs, der die Raptoren als Kriegswaffe abwerben will. Während es in Jurassic Park mit Dr. Ellie Sattler (Laura Dern) immerhin eine WissenschaftlerIN gab, gibt es hier nun… nun ja… Claire. Auch das Geschwisterpärchen in Not, in Jurassic Park immerhin geschlechtergleichgewichtig konzipiert, ist hier rein männlich besetzt. Traurig auch, dass der ältere der beiden Brüder die wenigen weiblichen Figuren des Films ausschließlich als Flirt- also Sexobjekte betrachtet. Den Frauenanteil unter den auftretenden Personen (Komparsen inklusive) würde ich grob auf maximal 20% schätzen.

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Das Hemd zerfetzt, ein bisschen Erde dekorativ im Dekolleté verschmiert – aber Hauptsache das Make-Up hat nichts abbekommen © Universal

Dresscode und Sexappeal

Endlich habe ich etwas gefunden, dass Claire tatsächliche kann! Nämlich mit Hackenschuhen durch den Wald rennen. Hat jemand von euch schon mal versucht, mit Pfennigabsätzen jenseits asphaltierter Wege zu gehen? Es grenzt an ein Wunder, dass sie aus dieser Geschichte ohne verstauchten Knöchel herausgeht. Das biedere Kostüm verhindert netter Weise, dass sie offensichtlich als Objekt der Begierde fungiert, was ihr jedoch in Anbetracht der charakterlichen Mängel wenig hilft. Klassisch auch das perfekte Make Up nach diversen Todeskämpfen – eine Frau sieht eben immer schön aus.

Dramaturgie

Auch strukturell haben die Männer hier die Hosen an und treiben durch ihre (Fehl)Entscheidungen die Geschichte voran, während die spärlichen Frauen (Jurassic World besteht NICHT den Bechdl-Test) vornehmlich Dekoration und Marionetten der Männer bleiben. Ganz am Schluss bekommt dann auch Claire einen Heldinnenmoment geschenkt, doch wirkt auch dieser wie das Ergebnis einer Quote (mindestens ein Stunt mit einer Frau, bitte!).

Botschaft:

Um es mal möglichst spoilerfrei zu formulieren:

Wenn wir im Team arbeiten, können wir auch die fieseste Hysterikerin besiegen, um wieder einen starken Mann mit wenig Hirn an die Spitze unserer Gesellschaft zu setzen.

Gesamtwertung: 2

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

Kinostart: 11. Juni 2015

Sophie Charlotte Rieger
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