Blockbuster-Check: Logan

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

Achtung: Auf Grund der Herangehensweise kann der Blockbuster-Check nicht spoilerfrei sein!

Dies ist der erste Blockbuster-Check eines Berlinale-Films. (Bedeutungsvolle Pause)

Vorab: Den Bechdel-Test besteht Logan übrigens nicht. Und nur damit am Ende keiner heult: ACHTUNG SPOILER!!

Held_innen

Fehlanzeige. Logan tut so, als würde er mit der kleinen Laura (Dafne Keen) eine Heldin inszenieren. Tatsächlich handelt es sich bei dem Mädchen aber nur um eine Erweiterung der männlichen Hauptfigur. Laura steht als Tochter Wolverines in maximaler Abhängigkeit zum Helden. Über das Verwandtschaftsverhältnis hinaus erfährt sie keinerlei Charakterisierung. Über einen Großteil des Films hinweg hat sie zudem im wahrsten Sinne des Wortes keine Stimme. Laura ist zwar ein würdiger Sidekick, aber niemals mehr als das. Ihre Figur macht keinerlei Entwicklung durch und ihre „Agenda“ ist nicht mehr als ein gesunder Überlebenstrieb.

Laura ist außerdem das perfekte Beispiel für das „Smurfette-Syndrom“, also die Präsenz einer einzigen Schlumpfine inmitten einer homogenen, männlichen Schlumpf-Gruppe. Dass sie weiblich* ist, hat für den Film übrigens lediglich die Funktion, dass sie als besonders schützenswertes Wesen erscheint und ihre Zweikämpfe mit muskelbepackten Bösewichten besonders „niedlich“ sind. Übrigens ist Laura auch daran als Frau* zu erkennen, dass ihre Mutationen von denen Logans leicht abweichen, wodurch dann auch gleich eine herrlich biologische Definition von Weiblichkeit* sowie ein absolut binäres Gender-Verständnis gegeben ist.

© 20th Century Fox

Bösewicht_innen

Auf der Seite der Bösen, hier übrigens erschreckend eindimensional klar von den Guten zu unterscheiden, gibt es keine einzige Frau*! Im Krankenhaus aka Mutant_innenlabor arbeiten, wie es sich gehört, männliche* Wissenschaftler und Ärzte mit weiblichem* Pflegepersonal zusammen. Und weil Frauen* bekannter Maßen immer ein Herz aus Gold haben, gehören die Krankenschwestern, die als Opfer der Armut hier nur aus Not arbeiten, eigentlich zu den Guten.

Unnötig zu sagen, dass alle Handlanger des männlichen Oberbösewichts Kerle sind.

Geschlechterrollen allgemein

Es ist geradezu faszinierend, mit welcher Konsequenz Logan weibliche* Figuren marginalisiert. Es dauerte mehrere Minuten, bis überhaupt ein Frau* auf der Leinwand zu sehen ist und die zweite zeigt direkt ihre nackten Brüste. Abgesehen von Laura gibt es im Grunde nur zwei weitere für die Handlung ansatzweise relevante Frauen*figuren. Das ist einmal die Krankenschwester Gabriela (Elizabeth Rodriguez), die Laura an Wolverine übergibt und nach ihrem frühzeitigen Ableben mit dem Kommentar „das war nur eine Frau*“ bedacht wird. Das Auftreten der zweiten „relevanten“ Frauen*figur, einer namenlosen Familienmutter, gehört zu den skurrilsten Momenten des Films – nicht nur weil hier die so ultimativ gewollte Einbindung von People of Color über eine Form positiver Diskriminierung nicht hinauskommt, sondern auch, weil der Film eine andere anwesende Frauen*figur komplett vergisst! Wolverine, Professor X und Laura werden auf der Flucht von einer freundlichen Familie aufgenommen, die dem heteronormen Ideal entsprechend aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter besteht. Letztere hat nicht nur keinerlei Text, sie ist dem Film auch derart unwichtig, dass sie beim Abschlachten der Familie durch die Bösewichte ausgelassen wird! Während ihr Bruder immerhin ein paar Sätze sprechen und mit Laura interagieren sowie den Leinwandtod sterben darf, ist seine Schwester – vom Moment ihres ersten Auftretens im Hintergrund (!) einer Szene an – nicht nur sprachlos, sondern auch quasi unsichtbar!

Und als wäre das alles noch nicht genug, gelingt es Logan sogar bei der Inszenierung einer Gruppe kleiner Mutant_innen hier nur die Jungen, nicht aber die Mädchen zu Wort kommen zu lassen. Selbst wenn wir Laura also als Frauen*figur anerkennen würden, würde „Logan“ trotzdem schon an der zweiten Frage des Bechdel-Tests scheitern.

© 20th Century Fox

Dresscode und Sex-Appeal

Da es keine Frauen*figuren gibt, gibt es in dieser Kategorie auch nichts zu bewerten.

Dramaturgie

Die Handlung wird nahezu ausschließlich durch die männlichen* Figuren vorangetrieben. Lediglich ganz am Ende ist es Laura, die Wolverine überredet, weiter nach dem Sehnsuchtsort „Eden“ zu suchen. Als der Held einbricht, nimmt das Mädchen ihr Schicksal vorübergehend auch selbst in die Hand. So ungefähr für zwei Minuten der über zweistündigen Laufzeit des Films.

Botschaft

Töchter sind nicht mehr als der Beweis für die Potenz ihrer Väter.

Gesamtwertung: 1

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

Kinostart: 2. März 2017

Sophie Charlotte Rieger
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