Battle of the Sexes
Das Sportlerdrama heißt nicht umsonst SportlERdrama, denn in der Regel geht es um Männer*. Ein packendes Bio-Pic über eine Sportfrau* ist längst überfällig, doch – das schon mal vorweg – Battle of the Sexes markiert in dieser Hinsicht leider keinen Wendepunkt. Erstens handelt es sich nicht um ein Drama, sondern eher um ein Feel-Good-Movie, und zweitens stolpern das Regie-Duo Jonathan Dayton und Valerie Faris (Little Miss Sunshine) gemeinsam mit Drehbuchautor Simon Beaufoy, trotz klarer Kritik an Sexismus und Misogynie, über das eine oder andere Geschlechterklischee.
Die heroische Figur im legendären Tennis-Geschlechterkampf, den Battle of the Sexes erzählt, war in keinem Fall Bobby Riggs, sondern ganz klar Billie Jean King, nicht nur erfolgreiche Spitzensportlerin, sondern auch Aktivistin, die mit ihrem mutigen Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit im Tennis-Sport schon längst ein Bio-Pic verdient hätte. Das bekommt sie hiermit allerdings nicht, denn auch ihr Kontrahent besitzt eine eigene Storyline – eine Dramaturgie, die im SportlERdrama äußerst selten eingesetzt wird, da sich diese Filme in der Regel lieber ganz und gar der Glorifizierung der (männlichen*) Hauptfigur verschreiben. Battle of the Sexes ist also nicht das lang ersehnte Sportdrama mit weiblichem* Fokus, sondern… ja, was denn eigentlich? Eine Emanzipationsgeschichte vielleicht?
Die zentrale Frauen*figur ist zum Niederknien, eine Kämpferin, deren Ziele nicht die Liebe, sondern beruflicher Erfolg und die Gleichberechtigung der Geschlechter sind. Emma Stone spielt Billie Jean King mit – zumindest für mich – überraschender Sensibilität und verneigt sich sichtlich vor ihrem Leinwand-Alter-Ego. Vom lieblichen Love Interest des Spinnenmanns oder dem trillernden Hollywood-Sternchen an der Seite Ryan Goslings ist keine Spur mehr zu entdecken. Stattdessen weiß sich Stone mit diesem Part überzeugend als Charakterdarstellerin zu etablieren und Neugier auf ihre nächsten Rollen zu wecken.
Das Thema des Films, das Duell zwischen Mann* und Frau* mit dem Ziel, ihre Gleichwertigkeit zu demonstrieren, schlägt in eine inzwischen wohl etablierte Kerbe des aktuellen Kinos und ist dabei weder besonders originell noch außerordentlich platt. Die notwendigen misogynen Sprüche seitens weißer, heterosexueller Männer* demaskieren diese Spezies in tradierter Weise, ohne über das Ziel hinauszuschießen. Zudem sensibilisieren sie für die erschreckende Tatsache, dass derlei Äußerungen auch im Jahr 2017 noch salonfähig sind. Battle of the Sexes erzählt Emanzipation in einem stark vernachlässigten Kontext: dem Spitzensport. Auch wenn in der letzten Zeit insbesondere die mediale Berichterstattung für sexistische Kommentare und Interviewfragen kritisiert wurde, gehört der Sportbereich noch zu den weniger etablierten Schlachtfeldern des Kampfes um Gleichberechtigung.
Und an Billie Jean King liegt das nicht: Weil diese im Tennisverband keine gerechten Preisgelder durchsetzen konnte, gründete sie kurz entschlossen einen eigenen. Der Kampf zwischen ihr und Bobby Riggs war in diesem Kontext nur ein einseitiger Publicity-Stunt. Ihr ging es nämlich weniger um Geld und Prominenz als um Respekt und Anerkennungen für sich und ihre Sportkolleginnen – ein Ziel, das sie trotz beträchtlicher Risiken für ihre Karriere nicht aus den Augen verlor. Eine wirklich inspirierende und empowernde Geschichte, aus der der Film aber deutlich mehr hätte herausholen können.
Ganz so emanzipatorisch wertvoll, wie Battle of the Sexes zweifelsohne gerne wäre, ist der Film dann nämlich doch nicht. Der Ermächtigungsprozess der Figur Billie Jean King, ihre Entwicklung zur selbstbestimmten Frau* und Aktivistin findet quasi vor der Handlung statt und die ersten Kämpfe um einen eigenen Verband, einen eigenen Wettkampf und den notwendigen Sponsor werden in wenigen Minuten ohne große Krise und demnach auch ohne großen Sieg abgehakt. Wie oben erwähnt, ist auch die Aufteilung der narrativen Perspektive streitbar – nicht nur, weil King eindeutig die wahre Heldin der Geschichte ist, sondern auch weil die Handlungsstränge der beiden zentralen Protagonist_innen sich in stereotyper Weise unterscheiden. Wo es bei Bobby nämlich vor allem um Erfolg, Geld und Geltungssucht geht, dreht sich das in diesem Film erzählte Privatleben Billie Jeans primär um Liebe und Beziehung. Obwohl verheiratet, verliebt sich die Spitzensportlerin in eine Frau* – eine emotionale Herausforderung, die die Sportlerin vorübergehend ihre Karriere zu kosten droht. Weil Frauen* eben so sind: Emotional… Und wenn sie nicht emotional sind, dann sind sie streng und humorlos, wie Bobbys Ehefrau* Priscilla (Elisabeth Shue), die ihn auf Grund seiner Spielsucht vor die Tür setzt. Obwohl sie ihren Gatten und sein teures „Hobby“ über Jahre finanziert hat, wirkt die High Society Dame* dabei wie eine Spielverderberin, die sich zum Lachen im Keller versteckt. Weil Frauen* eben so sind: Verknöchert. Das zeigt auch das Drehbuch von Simon Beaufoy, das Gags nur den Männer*figuren zur Verfügung stellt.
Das vielleicht größte und zugleich auch traurigste Problem von Battle of the Sexes aber ist das zentrale Tennis-Match, bei dem – es ist ja kein Spoiler, wenn mensch die Information auf Wikipedia nachlesen kann und sie in einer perfekten Welt zur Allgemeinbildung gehören würde – King den Sieg davon trug. Obwohl es bei dem „Battle“ eindeutig darum geht, männliche* und weibliche* Sportler_innen auf Augenhöhe einander gegenüber zu stellen und ihnen dieselben Fähigkeiten zuzugestehen, unterminiert der Film konstant Billie Jean Kings Erfolg. Es ist, als könnten die Macher_innen des Films den Gedanken nicht ertragen, dass King schlicht und einfach besser gespielt haben könnte als Bobby Riggs. Mehrfach betont der Film, dass Bobby lieber Partys feiert als trainiert, sich mit fragwürdigen Nahrungsergänzungsmitteln dopet und zu Gunsten des Sponsorings auf funktionale Sportkleidung verzichtet. Die Frau* gewinnt das Battle of the Sexes nicht, weil sie besser ist. Sondern der Mann* verliert, weil er sich nicht genug Mühe gibt! Und das nehme ich Battle of the Sexes trotz vieler schöner Aspekte wirklich, wirklich übel.
Das Prädikat „emanzipatorisch wertvoll“ erhält der Film von mir also nicht, aber eine Sehempfehlung in jedem Fall. Zum Beispiel wegen einer der schönsten lesbischen Flirtszenen der Filmgeschichte. Oder auch wegen der detailverliebten 70er Jahre Atmosphäre, die sich nicht nur in Kostüm und Set-Design, sondern auch im Soundtrack und der Bildgestaltung niederschlägt. Und vor allem wegen der Heldin, denn Frauen*figuren wie Billie Jean King sind im Kino leider noch viel zu selten, um sie zu verpassen.
Kinostart: 23. November 2017
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Letztendlich ist jeder Film, der Heldinnen wie Billy Jean King einem großen Publikum in Erinnerung ruft und diese Frauen als die Riesinnen darstellt, auf deren Schultern wir heute stehen, ein Gewinn. Wir brauchen noch sehr viele „Her-stories“, um jungen Frauen zu zeigen, dass die Deutungshoheit nicht allein bei den Männern liegen darf.
[…] “Mehrfach betont der Film, dass Bobby lieber Partys feiert als trainiert, sich mit fragwürdigen Nahrungsergänzungsmitteln dopet und zu Gunsten des Sponsorings auf funktionale Sportkleidung verzichtet. Die Frau* gewinnt das Battle of the Sexes nicht, weil sie besser ist. Sondern der Mann* verliert, weil er sich nicht genug Mühe gibt!” Quelle: → http://filmloewin.de/battle-of-the-sexes/ […]