A United Kingdom

Nach Dido Elizabeth Belle widmet sich die britische Regisseurin Amma Asante erneut einem historischen Blick auf das Thema Rassismus. Nach dem ungewöhnlichen Kostümdrama um eine Woman* of Color in der britischen Aristokratie des 18. Jahrhunderts blickt Asante auf die folgenschwere Eheschließung des botswanischen Königs Seretse Khama (David Oyelowo) und der Britin Ruth Williams (Rosamund Pike) Ende der 1940er Jahre.

© Alamode

Ruth hat sich gerade von ihrem Freund getrennt – ein Umstand, der sie in den ersten Filmminuten bereits als selbstbestimmte Frau charakterisiert – als sie den botswanischen Studenten Seretse kennenlernt und sich unsterblich in ihn verliebt. Was sie nicht ahnt: Seretse ist niemand Geringeres als der Thronfolger von Betschuanaland, zu diesem Zeitpunkt noch unter britischem „Protektorat“ stehend, und somit sie die angehende weiße First Lady eines afrikanisches Landes in der Hochphase der Apartheid. Wenig überraschend sorgt ihre Hochzeit sowohl in Betschuanaland als auch in Großbritannien für einen Skandal.

Wo Dido Elizabeth Belle als Kostümfilm mit ironischer Note gelesen werden konnte, irritiert A United Kingdom durchgängig durch seine Künstlichkeit. Hauptdarstellerin Rosamund Pike wirkt stets verkleidet und ihr Spiepartner David Oyelowo erinnert so stark an seine pathetische Performance in Selma, das immer wieder der Eindruck entsteht, Martin Luther King Jr. habe einst Botswana regiert. Die gefühlsduselige Filmmusik erweckt zu Beginn noch Erinnerungen an das klassische Melodram der 50er Jahre, doch lässt der Film einen bewussten, entweder nostalgischen oder kritischen Umgang mit diesem Genre vermissen. A United Kindom legt keine Distanz zu sich selbst an den Tag, bietet keinen ironischen Bruch, an dessen Kante sich eine kritische Botschaft ansiedeln ließe.

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Stattdessen erzeugt die Inszenierung eine Kluft zwischen Film und Publikum. Oyelowos dramatisches Mienenspiel ist weniger bewegend, denn verstörend, lädt nicht zur Identifikation oder Empathie, sondern zu Skepsis ein. Und so wird auch die Liebe der Hauptfiguren nicht erfahrbar, bleibt eine kitschig ausgeschmückte Behauptung.

Schade, hätte diese Geschichte doch so viel zu bieten. Leider sind wir zu sehr damit beschäftigt, uns über die konstruierte Dramatik auf der Leinwand zu wundern – natürlich fällt die politische Eskalation mit Ruths Geburtswehen zusammen – um einen Zugang zu den Themen Kolonialismus und Rassismus zu finden, die sich hier für einen komplexeren Subtext geradezu aufdrängen.

A United Kingdom zeigt vereinfacht, dadurch aber auch sehr eingängig, wie koloniale Strukturen zur Unterdrückung eines Landes beitragen, wie Menschen in ihrem eigenen Land zur diskriminierten Bevölkerungsgruppe werden, wie demokratisch gewählte Regierungen von Kolonialherren (hier bewusst ohne Sternchen) entmachtet und verbannt werden, wie wirtschaftliche Interessen des Auslands für innenpolitische Unruhen Sorgen. Und all das sind Themen, die heute noch genauso relevant sind wie damals, über die nachzudenken sich lohnen würde.

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Die politischen Ereignisse, die A United Kingdom verfolgt, sind weitaus interessanter als die überladene Liebesgeschichte zwischen Seretse und Ruth, treten aber zu oft hinter dem gefühlsduseligen Anteil der Inszenierung in den Hintergrund. Es scheint, als habe Amma Asante sich nicht entscheiden können, ob sie ein romantisches Melodram oder doch ein historisches Bio-Pic erzählen möchte, und sich schließlich für eine diffuse und leider nicht sonderlich funktionale Mischung aus beidem entschieden.

So droht auch die spannende Frauenfigur Ruth Williams unterzugehen, die sich furchtlos dem politischen Kampf ihres Ehemannes* verschreibt und damit über die Rolle einer dekorativen First Lady weit hinausgeht. Einerseits ist es lobenswert, dass Amma Asante versucht, ihre Geschichte gleichberechtigt aus der Perspektive beider Hauptfiguren zu erzählen, sich nicht ausschließlich einer weiblichen* oder männlichen* Sichtweise zu verschreiben. Andererseits fehlt der Geschichte hierdurch ein Fokus, der ihr eine Richtung hätte geben können. Ohne zu wissen, worum es diesem Film eigentlich geht, verliert sich das Publikum zwischen Liebesgeschichte, historischem Blick und zwei diffus verwobenen Portraits. Gemischt mit einer großen Portion Kitsch führt diese Orientierungslosigkeit zu Langeweile, vielleicht sogar Antipathie. Und so geht sowohl die historische, als auch die zeitgenössische Relevanz der Geschichte auf schmerzvolle Weise unter. Neben all den künstlich konstruierten ist dies wohl das wahre Drama des Films.

Kinostart: 30. März 2017

Sophie Charlotte Rieger
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