My Dog Killer – Die ewige Wiederkehr des Gleichen

© Temperclayfilms

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Was ist schlimmer als sinnlose Gewalt? Endlose sinnlose Gewalt.

Die Endlosigkeit ist ein wiederkehrendes Thema in Mira Fornays zweitem Langfilm My Dog Killer. Eine lange Kamerafahrt zu Beginn des Films, die die Hauptfigur Marek durch den Weinstock seines Vaters begleitet, vermittelt bereits das Gefühl des “nicht enden Wollens”, das uns im Laufe der Geschichte immer wieder begegnen wird. Gleichzeitig aber deutet der Titel darauf hin, dass es zu einem dramatischen Höhepunkt kommen wird, der doch zumindest für eine oder mehrere Personen irgendeine Form von Ende setzt. Diese düstere Vorahnung in Verbindung mit der betont langsamen Inszenierung erzeugt eine äußerst unbequeme, zuweilen gar unerträgliche Spannung.

Die Farben sind kühl, die Stimmung trist. Der kleine Ort, in dem Hauptfigur Marek lebt, wirkt ärmlich und verbittert. Der junge Mann selbst muss mit seinem Vater in die kleine Hütte neben dem Weinstock ziehen, weil sie auf Grund finanzieller Engpässe ihre Wohnung verkaufen müssen. An den Engpässen wiederum ist Mareks Mutter maßgeblich beteiligt, bezieht sie doch vom Vater Unterhaltszahlungen. Weil sich die Eltern spinnefeind sind und Mareks Mutter im Dorf nicht mehr gern gesehen ist, muss der Junge selbst das Geld abliefern und von der Mutter die notwendige Unterschrift für den Wohnungsverkauf einholen. Damit beginnt ein folgenreicher Tag, der Mareks Leben für immer verändern wird. Oder doch nicht?

Für ihren Film hat Mira Fornay lange in der rechten Szene recherchiert. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ihre Darstellung der Skinheads, mit denen Marek verkehrt, so vorurteilsfrei und neutral daher kommt. Sympathisch sind die tätowierten, breitschultrigen Macker wahrlich nicht, aber ebenso wenig wirken sie wie das personifizierte Böse. Auch Marek ist kein Bösewicht, sondern ein junger Mann, der im Spannungsfeld zweier gesellschaftlicher Pole erwachsen werden muss. Nach und nach erfahren wir, dass seine Mutter auf Grund einer Affäre mit einem Roma aus der antiziganistischen Dorfgemeinschaft ausgeschlossen wurde. Das Produkt dieser Affäre, der kleine Lukas, hat unter schwerer Diskriminierung zu leiden und auch Marek schaut mit großer Antipathie auf seinen Halbbruder.

My Dog Killer beschreibt einen einzigen Tag im Leben von Marek, seine kleine Reise in die nächstgrößere Stadt zur Mutter, das Aufeinandertreffen mit Lukas und Verabredungen mit seinen rechten Freunden. Hierdurch entsteht ein brenzliges Spannungsfeld, das Marek sehr bewusst ist. Er ist hin- und hergerissen zwischen der familiären Bindung zu Lukas, Antiziganismus und dem Bedürfnis zur Gruppe der rechten Szene dazuzugehören. Und inmitten dieser Konflikte steht Mareks Kampfhund, wie der Titel verrät “Killer” genannt, als tickende Zeitbombe. Wohin soll das alles führen?

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Mira Fornay inszeniert keine Gewaltarie, sondern das Portrait eines jungen Mannes. Die Szenen sind lang und oft ereignisarm. Dabei sticht insbesondere die gute Kameraarbeit ins Auge, der es gelingt auch die reduzierten Szenen fesselnd zu gestalten. Fornay lässt Situationen ausspielen: Wenn Marek auf seine Mutter wartet, so müssen auch wir uns gedulden. Die Regisseurin gönnt es ihrem Publikum nicht, durch einen Schnitt die Wartezeit zu verkürzen. Zuweilen gestaltet sich My Dog Killer hierdurch strapaziös und wir drohen den Kontakt zu der Geschichte und ihren Figuren zu verlieren. Durch die Arbeit mit Laiendarsteller_innen entwickeln die Charaktere jedoch so viel Authentizität, dass sie unsere Aufmerksamkeit stets zurückgewinnen können. Und selbst Marek, dessen blasses Antlitz mit den dunklen Augenringen und der versteinerten Miene zunächst so gar nicht unsere Sympathie wecken möchte, wird schließlich ein Mensch, mit dem wir mitfühlen. Wir sehen das furchtbare Drama lange bevor Marek es tut. Doch wir können nicht eingreifen, müssen die Abwärtsspirale hilflos mitansehen. Die Ruhe und Langsamkeit der Inszenierung wird immer bedrohlicher, immer unerträglicher.

Am Ende beißt sich die Geschichte selbst in den Schwanz. Plötzlich steht alles auf Anfang, als wäre nichts geschehen. Doch Mira Fornay will das Drama nicht klein reden, es geht ihr um etwas ganz anderes. Rassismus, wie Marek und seine Freunde ihn vertreten, ist universell und überall vertreten. In gewisser Weise ist er endlos. Es ist nur konsequent, dass das Ende dieser Geschichte auch ihr Anfang ist. Vielleicht, aber nur ganz vielleicht, hat Marek aus den Ereignissen dieses Tages etwas gelernt. Vielleicht macht er auch weiter wie zuvor. Mit Sicherheit aber wird irgendwer irgendwo auf dieser Welt in die Fußstapfen unseres tragischen Helden treten und die nächste schreckliche Gewalttat verüben. Und so liegt im Frieden des Endes nichts Beruhigendes, sondern die bedrückende Gewissheit von der Schlechtigkeit des Menschen.

Nach der Filmvorführung beim Flying Broom Festival in Ankara will ein Mann im Publikum von Mira Fornay wissen, ob Rassismus in ihrem Land denn ein großes Problem sei. Fornay betont mehrfach, es ginge ihr nicht um eine Darstellung ihres Landes, sondern um ein weltumspannendes Phänomen. Der Mann lässt sich davon nicht beeindrucken und er versucht wiederholt, My Dog Killer als Portrait der slowakischen Gesellschaft zu interpretieren. Es ist, als wäre diese Diskussion eine Performance, die die Aussage des Films unterstreichen soll, zeigt sie doch eindrucksvoll die Eigenschaft der Rasse Mensch, ohne große Überlegungen dem fremden Gegenüber etwas Negatives zuzuschreiben. “Die Slowak_innen sind wohl Rassisten” ist eben auch eine diskriminierende Aussage. Der Kreis schließt sich. Quod erat demonstrandum.

Sophie Charlotte Rieger
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